EU-Migrationspolitik: Politische Bauchschmerzen
EU-Migrationspolitik: Politische Bauchschmerzen
Auch wenn es je nach politischem Lager Nuancen gibt, wirklich überzeugt von den Brüsseler Vorschlägen für eine neue europäische Asyl- und Migrationspolitik war am Donnerstag keiner der Abgeordneten.
Ende September hatte die EU-Kommission nach langem Ringen ein Paket vorgelegt, um die europäische Asyl- und Migrationspolitik neu zu regeln. Das Maßnahmenpaket sieht u.a. vor, dass betroffene Staaten künftig an der Grenze eine Vorüberprüfung der Schutzsuchenden vornehmen sollen. Kommen Asylsuchende aus einem Land mit einer geringen Anerkennungsrate wie beispielsweise Tunesien oder Marokko, soll es innerhalb von zwölf Wochen ein schnelles Grenzverfahren geben.
Für alle anderen gilt ein normales Verfahren. Die Kommission schlägt vor, dass die Migranten für die Dauer der Verfahren in geschlossenen Lagern untergebracht werden. Eine verpflichtende Umverteilung der Flüchtlinge nach Quoten auf alle EU-Länder ist nicht vorgesehen. Länder, die keine Migranten aufnehmen wollen, können sich anderwärtig engagieren, etwa indem sie die Rückführung der abgelehnten Asylbewerber unterstützen.
Fehlende Solidarität
Und genau dieser Punkt geriet bei der von der CSV beantragten Aktualitätsstunde am Donnerstag immer wieder in die Kritik. Es ging die Rede, dass Länder wie Ungarn oder Polen sich über diesen Mechanismus aus der Verantwortung stehlen und sich „freikaufen“ könnten. Der LSAP–Fraktionsvorsitzende Yves Cruchten befürchtet, dass die Solidarität dadurch „unterwandert“ werden wird. Sven Clement von den Piraten meinte, manche Staaten könnten sich dadurch „billig aus der Affäre“ ziehen. Für Stéphanie Empain (Déi Gréng) wird „durch das Sponsoring von Rückführungen der europäische Solidaritätsgedanke pervertiert“.
Es ist schon ein Fortschritt, dass zwei Drittel der EU-Länder zumindest über die Vorschläge reden wollen.
Außenminister Jean Asselborn
Auch das sogenannte „pre-screening“ der Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen wurde teils heftig kritisiert. Die Maßnahme werde dazu führen, dass das individuelle Recht auf Asyl ausgehöhlt wird, so die generelle Befürchtung. Im Parlament überwog folglich eindeutig die Skepsis.
Für Claude Wiseler, der die Debatte angestoßen hatte, ist das Paket der EU-Kommission allerdings trotz aller Defizite und Risiken unverzichtbar: „Es ist ein globaler und umfassender Ansatz, der auch Kompromisse zulässt und es so ermöglichen könnte, dass wieder mehr Vertrauen zwischen den EU-Staaten entsteht“, so der CSV-Politiker, der den Brüsseler Maßnahmenkatalog als „letzte Chance“ verstanden wissen will, um doch noch zu einer gesamteuropäischen Lösung in der Migrationsfrage zu kommen.
Die Vorschläge der Kommission bereiten auch Jean Asselborn Bauchschmerzen. Als Außenminister müsse er das Migrationspaket zwar unterstützen, weil es im Augenblick keine Alternativen zu den Vorschlägen der Kommission gibt, als Mensch bleibe er allerdings sehr skeptisch.
Für Asselborn ist eine Umverteilung der Flüchtlinge unverzichtbar. Zudem befürchtet er, dass wegen des geplanten Eilverfahrens an den Außengrenzen neue Flüchtlingscamps entstehen könnten. Leicht resigniert meinte Minister Asselborn zum Schluss seiner Rede: „Es ist schon ein Fortschritt, dass zwei Drittel der EU-Länder zumindest über die Vorschläge reden wollen.“
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