Ein neues Verfassungskapitel modernisiert die Justiz
Ein neues Verfassungskapitel modernisiert die Justiz
Luxemburg gibt sich eine neue Verfassung. Damit geht auch eine Reform der Justiz einher. Denn eines der vier Kapitel, in die die große Verfassungsreform aufgeteilt wurde, befasst sich mit dieser, für den Rechtsstaat so wichtigen dritten Staatsmacht: Am Mittwoch wird das Kapitel VI der Verfassung in zweiter Lesung verabschiedet - und gleich vier wichtige Gesetze mit. In sechs Monaten treten die Reformen dann miteinander in Kraft, denn das eine bedingt das andere. Die zweiten Lesungen der anderen drei Kapitel der Verfassungsreform folgen am Donnerstag - die letzte Sitzungswoche in diesem Jahr ist eine wichtige für die Demokratie im Land.
Berichterstatter des Justiz-Kapitels ist der CSV-Abgeordnete Léon Gloden, Berichterstatter für die vier Justiz-Gesetze ist der Präsident der Justizkommission, Charles Margue (Déi Gréng). Er kann gleich mehrere, grundlegende Neuerungen im Vergleich zur aktuellen Verfassung vorstellen.
Die Organisation der Justiz
Zunächst wird die Judikative als dritte Gewalt im Staat verfassungsrechtlich verankert: Es wird eindeutig festgeschrieben, dass sie gleichberechtigt neben der Legislative und der Exekutive steht. Neu ist auch, dass die Staatsanwaltschaft zum allerersten Mal in der Verfassung erwähnt wird.
Die Aufteilung des Justizapparates in die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird beibehalten und beide bleiben auch gleichberechtigt. Allerdings bekommt das Verfassungsgericht nun die Kompetenz zugeschrieben, bei eventuellen Konflikten über die Zuständigkeit zu entscheiden, wem ein Fall zugeteilt wird.
Die Unabhängigkeit der Justiz
Die Unabhängigkeit der Justiz wird dadurch festgeschrieben, dass auf Verfassungsniveau das Statut der Magistrate definiert wird und ein Nationaler Justizrat gegründet wird. Die Folge der Unabhängigkeit der Justiz ist, dass ein Richter nicht abgesetzt oder gekündigt werden kann. Sie ist aber strikt begrenzt auf die richterliche Funktion – also eine amtsabhängige Unabhängigkeit. Die Diskussionen dazu wurden stark geprägt von den Eingriffen in die Richterämter, die die EU in Ungarn und Polen erleben musste.
Das Unabhängigkeitsprinzip beinhaltet aber auch eine saubere Trennung zwischen dem Richterstand und der Strafverfolgungsbehörde. Denn die Unabhängigkeit ist ausdrücklich nicht absolut bei letzterer, sie hat bei der Staatsanwaltschaft Grenzen: Die Exekutive in Form der Politik kann Richtlinien zur Strafbarkeit erlassen und die Justizministerin oder der Justizminister trägt die politische Verantwortung für die Staatsanwaltschaft. Darüber gab es heftige Diskussionen, die Staatsanwaltschaft kämpfte für ihre Unabhängigkeit, aber es war schlussendlich die CSV, die sich durchsetzte.
Die Verfahrensgarantien für Bürger
Die Verfahrensrechte sind bereits – an verschiedenen Stellen verstreut – in der Verfassung festgeschrieben, werden aber nun um der besseren Lesbarkeit willen im Kapitel II gruppiert und um die ausdrückliche Nennung der Prinzipien ergänzt, dass Strafen gesetzlich vorgesehen sein müssen und dass die Unschuldsvermutung gilt.
Es soll nicht nur die Unabhängigkeit, sondern auch die Transparenz und die Effizienz der Justiz gestärkt werden.
Vier sehr wichtige Gesetze, an denen sehr lange gearbeitet wurde und bei denen es verständlicherweise zu Kompetenzgerangel zwischen der Politik und der Justiz kam, werden nun verabschiedet: Das Gesetz zu den Magistraten und das zum Nationalen Justizrat, die miteinander im Zusammenhang stehen sowie das zu den neuen Referendaren und zum Verfassungsgerichtshof. Damit soll nicht nur die Unabhängigkeit, sondern auch die Transparenz und die Effizienz der Justiz gestärkt werden.
Verfassungsgericht gestärkt, Richter entlastet
Der Verfassungsgerichtshof bekommt die Kompetenz verliehen, künftig bei Konflikten über die Zuständigkeit zwischen ordentlicher und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden. Das war bislang nicht geregelt, kam aber auch selten vor und wurde dann vom Obersten Gerichtshof tranchiert. Wenn künftig die Kompetenzen des Verfassungsgerichts noch erweitert werden sollen, so kann das nun per Gesetz geschehen, das aber von einer qualifizierten Mehrheit von Zweidrittel der Stimmen verabschiedet werden muss.
Das Gesetz zu den Justiz-Referenten war notwendig, weil die Magistratur seit einigen Jahren schon ein großes Rekrutierungsproblem hat. Anwärter mussten gesetzlich festgelegt Anwälte mit Luxemburger Nationalität und Sprachkenntnissen in Französisch, Deutsch und Luxemburgisch sein. Sie wurden aber Mangelware und es werden durch das Bevölkerungswachstum bedingt immer mehr davon gebraucht.
Mit dem Gesetz werden die Magistrate nun von verschiedenen Aufgaben entbunden und es werden 46 Posten für hoch qualifizierte Fachleute geschaffen, die der Justiz, vor allem den Richtern, zuarbeiten und die Dossiers vorbereiten helfen. 40 dieser Justiz-Referenten werden den ordentlichen Gerichten zur Verfügung gestellt, sechs den Verwaltungsgerichten, sie können aber auch an das Verfassungsgericht abgestellt werden. Daneben wird auch noch das Gesetz zu den Justiz-Attachés reformiert.
Melden können sich auf die Posten EU-Bürger, denn die Luxemburger Staatsangehörigkeit ist nicht erfordert. Das geht, weil die Referenten keine Rolle bei der Urteilsfindung spielen. Und weil seit 1979 gesetzlich erlaubt ist, hoch qualifizierte Fachkräfte in den Staatsdienst aufzunehmen, die zwei der drei Landessprachen nicht beherrschen. Französischkenntnisse sind für die Referenten allerdings unabdingbar, Luxemburgisch müssen sie innerhalb von drei Jahren erlernen.
Es müssen auch nicht alles Juristen sein, ganz im Gegenteil werden auch Betriebs- und Finanzwirte mit Master-Diplom für die Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität gesucht sowie Buchhalter für die Vormundschaftsrichter oder zur Kontrolle von Konkursen und Firmenauflösungen. Mit dem Gesetz wird auch die Kontrolle der Ehrbarkeit beim Rekrutieren von Justizpersonal geregelt.
Endlich kommt der Nationale Justizrat
Mit dem Gesetz zum Nationalen Justizrat wird quasi die Unabhängigkeit der Justiz festgeschrieben: Er soll über die korrekte Funktionsweise der Justiz wachen und seine Einsetzung wird vom Europarat dringend empfohlen. Es wird damit eine ganz neue Verwaltung geschaffen, mit einem Generalsekretariat und einem eigenen Apparat.
Der Justizrat ist aber keine Gerichtsbarkeit. Seine wichtigste Aufgabe ist die Nominierung der Richter und der Staatsanwälte, letztere werden bislang auf Vorschlag des Generalstaatsanwalts vom Justizminister ernannt. Dadurch besteht die Gefahr der politischen Einflussnahme.
Er wird auch für die Disziplinarverfahren zuständig sein, wo zwei Instanzen vorgesehen sind. Zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört zudem das Ausarbeiten eines Deontologiekodexes für die Magistratur. Und er wird die Legislative und die Exekutive beraten, beziehungsweise Verbesserungsvorschläge ausarbeiten, was das Funktionieren der Justiz anbelangt.
Der Nationale Justizrat kann Verfahren prüfen und Empfehlungen aussprechen, aber keine Urteile begutachten.
Reicht eine Person, die mit der Justiz zu tun hatte, eine Beschwerde über deren Funktionieren ein, leitet der Justizrat eine Untersuchung ein und überprüft, ob es bei dem Verfahren zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Ist dies der Fall, kann er Empfehlungen aussprechen, mehr aber nicht. Er kann vor allem kein Urteil überprüfen.
Die Zusammensetzung des Justizrates, der im Übrigen vom Europarat dringend angeraten wird, sorgte lange für Streit, in den sich auch die EU-Kommission einmischte. Schlussendlich wurde zurückbehalten, dass Richterschaft, Staatsanwaltschaft und die Verwaltungsgerichtsbarkeiten jeweils zwei Vertreter entsenden. Dazu kommt ein Vertreter der Anwaltschaft und zwei Personen aus der Zivilgesellschaft, die vom Parlament bestimmt werden. Und es braucht dieselbe Zahl an Ersatzmitgliedern.
Das Gesetz zu den Magistraten
Ursprünglich sollte im Gesetz zum Justizrat auch das Statut der Magistrate geregelt werden. Der Staatsrat regte in seinem Gutachten aber an, die beiden Gesetze zu trennen. So legt nun ein eigenes Gesetz zu den Magistraten die Regeln zu deren Statut, Nominierungsprozedur, Weiterbildung, Deontologie, Disziplin und zur Arbeitszeit fest. Zu jedem Punkt definiert der Text die Rolle, die der Justizrat zu spielen hat. So wird dieser beispielsweise über die Teilnahme eines Magistrats an einer Weiterbildung informiert und trägt sie in seine Personalakte ein.
Vorgesehen war diese Reform des Rechtsstaats bereits im Koalitionsprogramm von 2013.
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