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"Eine ganz große Großherzogin"
Politik 4 3 Min. 26.11.2019 Aus unserem online-Archiv

"Eine ganz große Großherzogin"

45 Jahre lang war Großherzogin Charlotte in schweren Zeiten Staatschefin.

"Eine ganz große Großherzogin"

45 Jahre lang war Großherzogin Charlotte in schweren Zeiten Staatschefin.
Foto: Pierre Matgé
Politik 4 3 Min. 26.11.2019 Aus unserem online-Archiv

"Eine ganz große Großherzogin"

Annette WELSCH
Annette WELSCH
Premierminister Xavier Bettel (DP) und Großherzog Henri ehrten am Dienstag in der Philharmonie Großherzogin Charlotte: Das hundertste Jubiläum der Thronbesteigung war der Anlass.

1919 war ein bewegendes Jahr für Charlotte, die zweitälteste Tochter von Großherzog Wilhelm IV: Am 15. Januar bestieg sie den Thron, am 28. September sprachen sich die Luxemburger in einem Referendum für die Monarchie aus, am 6. November heiratete sie Prinz Felix. 

Gestern wurde ihr zu Ehren im Beisein vieler Nachkommen ihrer sechs Kinder in der Philharmonie der Film "Léif Lëtzebuerger" gezeigt, ein britisch-luxemburgischer Dokumentarfilm von Ray Tostevin aus dem Jahr 2007 über die Exiljahre 1940–1945. 

Premierminister Xavier Bettel hielt zu dem feierlichen Anlass in der Philharmonie eine Rede.
Premierminister Xavier Bettel hielt zu dem feierlichen Anlass in der Philharmonie eine Rede.
Foto: Pierre Matgé

Davor hielt Premierminister Xavier Bettel einen Rückblick auf ihr Wirken als Staatschefin. "Zeitgefühl ist meistens etwas rein subjektives, aber wenn man von der Großherzogin Charlotte redet, haben die meisten noch immer das Gefühl, das sei noch gar nicht so lange her. Sie ist sehr präsent im kollektiven Gedächtnis der Luxemburger", sagte Bettel, der selber geboren wurde, als Großherzogin Charlotte schon abgedankt hatte. 

Das Schicksal hat sie dazu bestimmt, Großherzogin zu werden – eine ganz große Großherzogin.“

Staatsminister Xavier Bettel

Er erinnerte daran, dass sie in Zeiten den Thron bestieg, als die Monarchie nicht gut angesehen war. Die Abstimmung zugunsten der Monarchie sei nicht zuletzt ein massives Plebiszit für die damals noch junge Großherzogin gewesen. 

"Sie war nicht prädestiniert, unsere Staatschefin zu sein, aber im Nachhinein kann man behaupten, das Schicksal habe sie bestimmt, Großherzogin zu werden – eine ganz große Großherzogin."  


grande duchesse charlotte
Princesse Charlotte: Notlösung mit großer Zukunft
Nach dem Ersten Weltkrieg war Luxemburgs Zukunft ungewiss. Großherzogin Marie-Adelheid war politisch unhaltbar geworden, die Unabhängigkeit des Landes stand in Frage. Am 15. Januar 1919 bestieg Marie-Adelheids jüngere Schwester den Thron.

Sie sei dann im Zweiten Weltkrieg, nachdem die Wehrmacht im Mai 1940 einmarschierte und sie und das Land vor ihre schwierigste Prüfung stellte, die Stimme der Hoffnung gewesen, die den Luxemburgern den Mut gab, standhaft zu bleiben. "Es war ein schwerer, aber notwendiger Schritt, ins Exil zu gehen, die neutrale Haltung aufzugeben und sich klar auf die Seite der Alliierten zu stellen", betonte Bettel. 

Der Premier hob hervor, dass sie das Prestige der Monarchie wieder aufgebaut hat und es fertigbrachte, die Figur vom Luxemburger Staatschef zu erneuern und auf eine feste Basis zu stellen. Ihre vielen Tugenden und ihr Pflichtbewusstsein machten sie zu einer Person, die auch heute noch ein Vorbild ist. 

Großherzog Henri betonte die menschlcihe und familiäre Seite seiner Großmutter.
Großherzog Henri betonte die menschlcihe und familiäre Seite seiner Großmutter.
Foto: Pierre Matgé

"Die Luxemburger Nation wird nicht vergessen, mit welcher Leidenschaft sie sich in der dunkelsten Zeit unserer Geschichte für unser Land eingesetzt hat und deswegen wollen wir sie heute Abend ehren", schloss Bettel seine Rede.   

Großherzog Henri blickte dagegen auf seine Großmutter aus dem Blickwinkel des Enkels zurück und stellte ihre Liebe zur Familie und zur Natur in den Vordergrund. Den Respekt der Umwelt und ökologische Prinzipien habe sie schon zu einer Zeit hochgehalten, als das noch gar nicht modern war.  

Mit sehr persönlichen Erinnerungen aus dem Familienleben zeichnete er das Bild einer warmherzigen, fröhlichen Frau, die ihre Enkel auch mal mit lustigen Gedichten unterhielt. In der Geschichte habe sie eine außerordentliche Rolle gespielt, dabei sei sie aber immer bescheiden geblieben.


Zeichen der Zeit
Großherzogin Charlotte richtete sich in der konstitutionellen Monarchie ein, indem sie eine überparteiliche, politikferne Haltung einnahm.

Der Staatschef wies auf zwei Männer hin, die in ihrem Leben eine große Rolle spielten: Ihr Gatte Prinz Felix, der ihr den Rücken frei hielt und sich um die Privatgeschäfte der Familie kümmerte und ihr ältester Sohn Jean, zu dem sie ein inniges Verhältnis hatte

"Sie waren durch eine ganz starke Komplizität verbunden. Die Kriegsjahre haben ihre Spuren hinterlassen. Sie haben eine gemeinsame Prüfung überstanden." Es sei deswegen auch nicht erstaunlich, dass Großherzog Jean als Staatschef der Linie seiner Mutter treu geblieben ist.  

Sie war eine Ikone für ihre Zeit.

Großherzog Henri

Großherzog Henri wies auch auf die Einfachheit seiner Großmutter hin. So habe sie es geliebt, mit ihrem grünen VW-Käfer durch die Landschaft zu fahren. "Sie war eine Ikone für ihre Zeit, ein Symbol für und von unserem Land. Sie stand über den Alltagsproblemen, war aber auch bescheiden und zugänglich - dafür haben wir sie respektiert und deswegen hatten wir sie so gerne."


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