Ein Trend, aber keine Gewissheit
Ein Trend, aber keine Gewissheit
Von Christoph Bumb
Von 32 auf 24, minus acht Sitze und eine wieder erstarkte CSV - Soll so das große Abenteuer von Blau-Rot-Grün bei den kommenden Wahlen enden? Die neuesten Umfragewerte sprechen eine klare Sprache für die Dreierkoalition. Doch noch sind es nur Umfragen und das nächste Rendez-vous mit dem Wähler ist ziemlich weit entfernt. In diesem Sinn könnte die aus Regierungssicht vernichtende "Sonndesfro" auch ein heilsamer Schock sein.
Die Gründe für die dennoch spürbare und demoskopisch messbare Unzufriedenheit im Volk sind weitgehend bekannt. Sie sind sowohl ökonomischer Natur als auch sozial und gewissermaßen kulturell zu erklären. Vor allem der populäre Sinkflug der DP ist wohl begründet durch eine generelle Enttäuschung vieler Bürger, die sich von dieser Koalition eine wahrhaftige Erneuerung versprochen hatten. Doch auch die nicht unbedingt gradlinige Art und Weise, wie diese Regierung überhaupt zustande kam, ist einigen Luxemburgern wohl noch im Gedächtnis. Und dann war da noch so etwas wie ein komplett schief gelaufenes Referendum...
Im Angesicht des drohenden Scheiterns
Doch auch die LSAP lässt gehörig Federn: Drei Sitze weniger in ihrem Stammbezirk wäre mehr als nur eine unangenehme Klatsche durch die Wähler. Wenn sich diese Zahlen 2018 bewahrheiten würden, käme das Abschneiden im Süden dem sozialistischen Super-GAU gleich. Denn laut der Umfrage wandern diese Stimmen fast eins zu eins ins Lager der linken Konkurrenten Déi Lénk und KPL. Wobei das hier vorhergesagte Erstarken der Altherren-KPL, die 2013 nationalweit ganze 1,64 Prozent holte, für den interessierten Beobachter bis auf Weiteres ein großes Rätsel wäre.
In diesem Szenario gilt jedenfalls: Wenn die Linke weiter gestärkt und sogar die Kommunisten bei den nächsten Wahlen wieder in die Chamber einziehen würden, müsste sich die sozialistische Parteiführung eventuell doch irgendwann fragen, ob sie ihre traditionelle Klientel überhaupt noch anspricht und vertritt; und ob die unbedingte "Rettung" in Regierungsverantwortung 2013 aus Parteisicht die richtige Entscheidung war.
Ein kleiner grüner Lichtblick
Der einzige blau-rot-grüne Lichtblick ist das Abschneiden der Grünen. Wobei die Stabilisierung bei sechs Sitzen auch nur als Erfolg zu werten wäre, weil ihre beiden Koalitionspartner komplett abstürzen. Doch es ist wohl schon etwas dran, dass die grünen Minister in dieser Koalition eher den Part der unaufgeregten, pragmatischen Arbeiter übernommen haben. Die großspurigen Ankündigungen und der anfängliche latent kulturkämpferische Ton kam eher von Blau und Rot als von Grün. Das könnte ein Grund sein, dass Bausch, Braz und Co. von den Wählern vergleichsweise verschont bleiben.
Insgesamt bleibt der Koalition aber noch Zeit, um das Ruder herumzureißen. Diese Zeit dauert zwar nicht ewig, denn wenn die großen Reformen noch in dieser Legislaturperiode durch die Instanzen und politisch greifen sollen, muss Blau-Rot-Grün noch in diesem Jahr liefern. Das gilt freilich vor allem für die Steuerreform. Hier hat die Regierung zumindest die Chance, einiges an Boden gut zu machen.
Letzte Chance: Steuergeschenke?
Nach den vor den letzten Wahlen nicht angekündigten Steuererhöhungen (Mehrwertsteuer, 0,5-Sondersteuer,...) scheint jetzt jedenfalls wieder Spielraum vorhanden zu sein für ebenso nicht angekündigte steuerliche Entlastungen. Politische Kohärenz sieht zwar eindeutig anders aus, aber wahltechnisch gehören Steuergeschenke ohne Zweifel zu den klassischen Mitteln, wie man gegen Ende einer Legislaturperiode die eigene Wiederwahl befördern kann. Ob dies auch für die nicht nur aus ökonomisch-materiellen Gründen unbeliebte Dreierkoalition gilt, bleibt allerdings abzuwarten.
Doch die jüngsten (vereinzelten und sehr verhaltenen) Reaktionen von Koalitionsseite deuten darauf hin, dass einige in den Reihen der Mehrheitsparteien den Ernst der Lage noch nicht ganz begriffen haben. Spricht man mit Vertretern der drei Parteien, so schwankt die Stimmung jedenfalls zwischen Trotz, Nervosität und Fatalismus. Einige in den Reihen der Mehrheitsparteien haben definitiv den letzten Schuss immer noch nicht gehört. Für sie sind an den schlechten Umfragen alle schuld, aber nicht die Regierung selbst. Die verbitterten unter den Koalitionären üben sich denn auch weiter in dem schon beim Referendum im Juni erprobten Motto: Wenn das Volk uns nicht mehr mag, dann hat das Volk uns falsch verstanden...
Oppositionsparteien als Krisenprofiteure
Dass Steuergeschenke in Vor-Wahlzeiten nicht schaden können, weiß aber auch die CSV aus eigener Erfahrung. Die größte Oppositionspartei, die sich mittlerweile schon in bester Gambia-Manier als "Alternative" und "Kraft des Wechsels" positioniert, scheint wieder zu erstarken. Viel hat sie dafür nicht getan, sie profitiert bisher vor allem von der Schwäche und den Fehlern der Regierung. Deshalb sollten sich die Christsozialen auch noch nicht zu sicher sein. Bis 2018 ist noch ein langer Weg, der nicht zuletzt auch über den Umweg der Kommunalwahlen 2017 führt, die für die CSV in den großen Gemeinden noch weniger ein Selbstläufer wird als die Nationalwahlen im Jahr darauf.
Und da bleibt noch die ADR. Offensichtlich können auch die Alternativdemokraten vom politischen Trend profitieren. Eurokrise, Referendum, Identitätsängste und Flüchtlingskrise spielen der immer dezidierter konservativen Partei wohl in die Karten. Letztlich profitieren aber alle Oppositionsparteien von der schwindenden blau-rot-grünen Mehrheit. Zumindest in den Umfragen, denn bis auf Weiteres bleibt es für die Koalition noch bei 32 Sitzen und knapp 34 Monaten Zeit.
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