Ein Fahrplan für die kommenden 40 Jahre
Ein Fahrplan für die kommenden 40 Jahre
(BB) - Der Rifkin-Plan verspricht vieles: Eine nachhaltige und umweltschonende Alternative zu den fossilen Energieträgern, mehr Mitbestimmung für alle Menschen, und nicht zuletzt eine effizientere Nutzung moderner Technologien. Rund 500 Seiten umfasst das Werk. "Wenn Ihr diese Alternativen nicht aufgreift, was wollt Ihr dann sonst tun?", stichelte der US-Berater Jeremy Rifkin. Auf Basis seiner Vorstellungen hat Luxemburg einen Fahrplan für ein neues Wirtschaftsmodell ausgearbeitet.
Rifkins Ideen und Schriften mögen polarisieren, in Luxemburg sollen sie die Menschen vor allem zu neuen Projekten für eine dritte industrielle Revolution mobilisieren, so die Botschaft der Regierung.
"Einfach nur weiter so mit mehr Staus und hohem Ressourcenverbrauch, das geht nicht. Null Wachstum, das ist auch keine Lösung, wenn wir vermeiden wollen, dass das Defizit und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellen" sagt Wirtschaftsminister Etienne Schneider.
Nun schafft die Rifkin-Studie, an der sich mehrere Hundert Vertreter der Zivilgesellschaft und Betriebe beteiligt haben, keine vorgefertigten Lösungen. Sie soll einen Rahmen stecken, um über die nächsten Jahrzehnten das Land neu aufzustellen. Es sei ein "Geschirrkasten", um neue Wege beim Konsum, bei der Energieherstellung und deren Nutzung, und insgesamt im Umgang mit Ressourcen zu begehen, so der Tenor bei der Präsentation in der Luxexpo.
Andere Lebens - und Mobilitätsformen
Die dritte industrielle Revolution soll also in den Köpfen starten. Es gilt, andere Lebensformen zu verinnerlichen. Künftig heißt es "mehr teilen statt besitzen". Das betrifft besonders das liebste Kind vieler Luxemburger: Das Auto. So sollen die Menschen künftig verstärkt auf eine gemeinschaftlich organisierte Nutzung (Carsharing) von Fahrzeugen zurückgreifen.
Öfters aufs Rad steigen und vom öffentlichen Transport Gebrauch machen, wäre eine weitere Alternative zum bereits überlasteten Straßenverkehr. Im Ministerrat und vor dem Hintergrund der Rifkin-Studie hat die Regierung so denn ein neues Programm in Aussicht gestellt ("Mobility as a service"), dass die sanfte Mobilität fördert.
Mehr schadstofffreie Autos im Verkehr will die Regierung ebenfalls mit der Förderung von Elektroautos erreichen.
Ministerrat skizziert neue Vorhaben
Zukunftsweisende Änderungen und Vorhaben hat die Regierung unlängst in folgenden Bereichen ausgemacht:
- im Ausbau intelligenter Stromzähler, die die Wende hin zu mehr Solar- und Windkraftenergie unterstützen sollen. Laut dem Rifkin-Plan könnten die Haushalte künftig als Mikrokraftwerke funktionieren, und vor Ort Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen;
- in der Kreislaufwirtschaft und dessen Berücksichtigung für öffentliche Aufträge. Ein Beispiel wäre, beim Abriss älterer Gebäude auch dafür zu sorgen, dass der Bauschutt wiederverwertet wird.
- in neuen Finanzierungsmöglichkeiten für nachhaltige Projekte;
- in der lokalen Lebensmittelproduktion;
- im Wohnbereich und dem Start eines Pilotprojekts, das das Miteinander der Einwohner in neuen Wohnformen bestärkt.
Im vorigen Ministerrat hat die Regierung neun entsprechende Zielsetzungen gutgeheißen.
Individuelle Projekte sollen sich jedenfalls in ein gemeinschaftliches Ziel einreihen. Es könne nicht sein, dass neue Dienstleistungen am Sozialsystem vorbei betrieben würden, erklärt Etienne Schneider. Würden Start-Ups und Mini-Jobber keine Sozialbeiträge entrichten, habe das mittelfristig schwere Folgen aufs solidarische Sozialsystem.
Von der Theorie zur Praxis
Bis zur Umsetzung der alternativen Vorschläge des Rifkin-Plans bleibt noch vieles zu tun. Die Betriebe werden sich umstellen müssen.
"Nur sieben Prozent der hiesigen Klein- und Mittelbetrieben bieten zurzeit Dienste für den Online-Kauf an", sagt Carlo Thelen der Chambre de commerce zum Ist-Zustand. Für eine moderne, stark vernetzte Wirtschaft der neuen Technologien, bleibe also noch viel Luft nach oben. Allerdings: Je mehr die Unternehmen eine Auseinandersetzung mit dem neuen Zeitgeist verzögern, um so schwerer würde ihnen ein Wandel fallen, so Thelen weiter.
Die Handelskammer will den bestehenden Unternehmen nun beratend zur Seite stehen und mit Weiterbildungskursen sanfte Übergänge ermöglichen.
Debatte im Parlament
Auf politischer Ebene will die Regierung den Austausch mit den Sozialpartnern in den nächsten Monaten fortsetzen. Gesetzliche Anpassungen sollen u. a in bestehenden Plattformen des Sozialdialogs (Hohes Komitee für Industrie, im Nationalrat für nachhaltiges Bauen) sowie in neuen Arbeitsgremien zur Diskussion stehen.
Mit weiteren Gedankengängen zur Zukunft des Landes soll sich darüber hinaus der Wirtschafts- und Sozialrat befassen. Mehr eingebunden wird ebenfalls das Jugendparlament. In der Abgeordnetenkammer ist eine Debatte für Mitte 2017 angesetzt.
Mehr Infos zu den Ansätzen und Empfehlungen für eine dritte industrielle Revolution erhalten Sie hier im Netz: www.troisiemerevolutionindustrielle.lu
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