"Dieser Stil wird für Fortschritt sorgen"
"Dieser Stil wird für Fortschritt sorgen"
Im Anschluss an die außerordentliche Bischofssynode im Vatikan zu Fragen der Familienpastoral haben wir Bischofsvikar Leo Wagener um eine Einschätzung gebeten.
Herr Wagener, was ist ihr persönliches Fazit am Ende der Synode?
Auch wenn es zu erwarten war, so finde ich es schade, dass die ersten Medienmeldungen über die Synode sich auf die Frage des Umgangs mit den wiederverheirateten Geschiedenen und den Homosexuellen fokussierten und reduzierten.
Ich halte fest, dass es innerhalb der zweiwöchigen Bischofsversammlung einen lebhaften, offenen und zum Teil kontrovers geführten Diskurs über Ehe, Familie und Sexualität gab. An einer solchen Streitkultur hat es bislang bei hochrangigen Kirchentreffen gefehlt. Sie wir der Kirche insgesamt guttun.
Es geht darum, mehr nach Wegen zu suchen, wie Menschen in der Kirche (neu) zu beheimaten sind, als nach Gründen, wieso sie von der vollen Gemeinschaft fernzuhalten sind.
Dass es nicht in allen Punkten, zumal den strittigen, im ersten Anlauf zu Voten mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit kam, deute ich nicht als Zeichen von Schwäche sondern von Normalität. Neu ist auch die Transparenz, die sich der Papst bei der Veröffentlichung des Abschlussdokumentes gewünscht hat. Nicht nur der Text, sondern auch die Mehrheitsverhältnisse bei den Voten wurden offen gelegt.
Dieser Stil wird für Fortschritt bei weiteren Beratungen sorgen. Für mich ist es deshalb zu früh von Stillstand in der katholischen Kirche zu reden, wie es einige Medien taten, nur weil bislang keine einheitliche Meinung zu Reizthemen gefunden wurde.
Was ist bei der Synode erreicht worden?
Es wurde erreicht, dass nicht nur bibel-theologische Referenzen und ein bestimmtes Ideal von Familie, Ehe und Sexualität als Bezugspunkte für die Synodalen herangezogen wurden, sondern auch die ungeschönte Lebenswirklichkeit der Familien. Die Realität zog in die Aula der Teilnehmer ein.
Die Schlussbotschaft der Bischöfe spricht davon, dass die Kirche ein Haus mit offenen Türen sein müsse. Das bedeutet eine „inklusive“ Ausrichtung der Pastoral. Es geht darum, mehr nach Wegen zu suchen, wie Menschen in der Kirche (neu) zu beheimaten sind, als nach Gründen, wieso sie von der vollen Gemeinschaft fernzuhalten sind.
Namhafte Bischöfe haben dafür plädiert bei Lebensformen, die nicht in vollem Einklang mit dem Ideal der Kirche stehen, von einer Schwarz-Weiß-Malerei abzusehen und das Gute und Schöne zu würdigen, das es auch dort geben kann. Der Wiener Kardinal Schönborn brachte das Prinzip der Gradualität ins Spiel, nachdem nicht die Sünde im Zentrum der Betrachtung steht, sondern der Versuch, den Geboten zu entsprechen.
Wie geht es nach der Bischofsversammlung weiter?
Die Synodenväter sagen in ihrer Schlussbotschaft, sie wünschten sich, dass es nach dieser ersten Etappe zu einem weiteren gedanklichen Voranschreiten bis zu der ordentlichen Versammlung der Bischöfe im Oktober 2015 kommt. Dort wird erneut über die Familienpastoral debattiert.
Die Ergebnisse dieser zweiten Beratung werden dann dem Papst zur weiteren Bearbeitung vorgelegt. Als Arbeitsgrundlage der zweiten und noch größeren Synode dient das jetzt verabschiedete Abschlussdokument, die „Relatio synodi“.
Sicherlich wird auch der Vorstoß von Kardinal Kasper in Bezug auf den Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen weiter debattiert werden. Die Synode hat keine Tür zugeschlagen. Die Zeichen stehen auf Dialog.
Die Fragen stellte Anne Chevalier
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