Die vergessene Krankheit
Die vergessene Krankheit
(DS) - Man dürfe abgelehnte Asylbewerber, die HIV-positiv sind, nicht unüberlegt in ihre Heimatländer abschieben, warnt das "Comité de surveillance du Sida" in seinem Jahresbericht 2015. Wegen der steigenden Flüchtlingszahlen sehen sich die Ärzte nämlich seit geraumer Zeit mit dem Problem konfrontiert, dass Patienten oder Infizierte, deren Asylantrag abgelehnt wurde, zunehmend von den Behörden aufgefordert werden, das Land zu verlassen, sogar dann, wenn sie auf dringende medizinische Behandlung angewiesen sind. Das Komitee kritisiert, dass viele europäische Länder die Menschenrechtskonvention mittlerweile sehr streng auslegen.
In dem Bericht macht das Komitee darauf aufmerksam, dass es den meisten Patienten, die in einem sehr kritischen Zustand waren, als sie nach Luxemburg gekommen sind, dank der guten medizinischen Behandlung mittlerweile wieder besser geht. Zwar genießen die meisten von ihnen aus gesundheitlichen Gründen ein zeitlich begrenztes Bleiberecht, doch sollten sie doch in ihre Heimatländer abgeschoben werden, könne dies für sie unter Umständen den Tod bedeuten.
Zugang zu Medikamenten nicht immer gesichert
Bei der Ausweisung von abgelehnten Asylbewerbern basieren die Behörden sich, wie übrigens auch Luxemburg, auf eine medizinische Datenbank namens „MedCOI“ („medical country of origin information“), die Auskunft über die Verfügbarkeit der Medikamente in den einzelnen Ländern gibt.
Das „Comité de surveillance du Sida“ weist in dem Kontext darauf hin, dass die benötigten Medikamente zwar in der Tat in den Herkunftsländern verfügbar sein können. Dies allein sei aber keine Garantie, dass der Patient sie auch erhält. Oft sind die Arzneien nämlich nur in den großen Städten vorrätig oder sie sind einfach zu teuer, als dass der Betroffene sich die Behandlung leisten könnte. Gegen eine Abschiebung spreche aber auch, dass HIV-Infizierte in vielen Ländern nach wie vor ausgegrenzt werden.
Die Sorge der Ärzte scheint berechtigt. Die Aufschlüsselung der in Luxemburg registrierten neuen HIV-Fälle zeigt nämlich, dass die Infizierten aus sehr unterschiedlichen Ländern kommen. 35 Personen, bei denen im vergangenen Jahr eine HIV-Infektion festgestellt wurde, stammen ursprünglich aus Osteuropa, 16 aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara, vier aus Zentralasien und jeweils eine aus Lateinamerika und aus Ostasien.
94 neue HIV-Infektionen in Luxemburg
Im vergangenen Jahr wurden in Luxemburg 94 neue HIV-Infektionen registriert, davon 57 Erstdiagnosen, die zuvor noch in keinem anderen Land festgestellt worden waren. Von den Neuinfektionen waren 67 Männer und 27 Frauen betroffen. Sieben Personen starben im vergangenen Jahr an den Folgen der Immunschwäche. Aids bleibe also weiterhin ein Problem, so das Fazit des „Comité de surveillance du Sida“ in seinem Jahresbericht 2015.
Die Bilanz 2015 fällt ambivalent aus. Als positiv hebt das Komitee die Entwicklung bei den homo- oder bisexuellen Männern hervor. In dieser Gruppe geht die Zahl der Neuinfektionen zum dritten Mal in Folge deutlich zurück. Im vergangenen Jahr wurden nur noch 28 HIV-Neuinfektionen registriert, 2014 waren es deren noch 35.
Anstieg der HIV-Infektionen bei den Drogenabhängigen
Im Gegensatz dazu haben die Neuinfektionen als Folge des Drogenkonsums erneut zugenommen. 20 Drogenkonsumenten haben sich im letzten Jahr mit HIV infiziert, 2014 waren es 19. Nie zuvor waren in Luxemburg in dieser Gruppe so viele Neuinfektionen festgestellt worden.
Die Mediziner registrieren bereits seit 2013 einen deutlichen Anstieg der HIV-Infizierungen in Folge von Drogenabhängigkeit. Zwischen 2013 und 2015 wurden insgesamt 45 neue Fälle entdeckt, darunter 32 Männer und 13 Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei 33 Jahren.
Bei den Drogenabhängigen kommt erschwerend hinzu, dass bei 90 Prozent der Infizierten ebenfalls eine Hepatitis C diagnostiziert wurde. Die meisten Patienten haben übrigens bereits an einem Methadon-Programm teilgenommen.
Weltweiter Rückgang
Weltweit gehen die Aids-Infektionen zurück. So meldet die Agentur Unaids seit dem Jahr 2000 einen Rückgang von 35 Prozent bei den Neuinfektionen, seit 2004 ist die Zahl der Todesopfer um 42 Prozent zurückgegangen.
Das „Comité de surveillance du Sida“ existiert seit Januar 1984 und war auf Anraten der Weltgesundheitsbehörde gegründet worden. Im vergangenen Jahr wurden seine Kompetenzen um die Bereiche Hepatitis und sexuell übertragbare Krankheiten erweitert. Auch dies geschah auf Empfehlung der WHO. Eine der Aufgaben des Komitees ist es, Programme zur Bekämpfung der oben genannten Krankheiten zu entwickeln.
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