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Die umstrittene Geisel
Politik 1 3 Min. 23.09.2015 Aus unserem online-Archiv
Großherzog empfängt Ingrid Betancourt

Die umstrittene Geisel

Politik 1 3 Min. 23.09.2015 Aus unserem online-Archiv
Großherzog empfängt Ingrid Betancourt

Die umstrittene Geisel

Großherzog Henri hat am diesem Mittwoch Ingrid Betancourt empfangen. Die frühere Politikerin aus Kolumbien war sechs Jahre Geisel der kolumbianischen FARC-Rebellen. Ein Porträt.

(mt) - Am Mittwoch weilte die kolumbianische Politikerin und langjährige Geisel der Rebellen Ingrid Betancourt in Luxemburg und wurde von Großherzog Henri in Audienz empfangen. Über welche Themen beide sprachen, erklärt Betancourt im Video:

Der Lebenslauf

Ingrid Betancourt erfuhr am eigenen Leib, was es heißt, sich in Kolumbien politisch zu exponieren. Sie machte sich gegen Korruption stark, forderte Veränderungen im Staatsapparat, verlangte soziale Reformen und bekam dafür immer wieder Drohungen. Aus Sicherheitsgründen lebte sie getrennt von ihrem Mann und ihren Kindern und entging knapp einem Attentat. Während der Wahlkampagne zur Präsidentschaftswahl wurde sie von Rebellen entführt und wurde so zur prominentesten Geisel der revolutionären Armee Kolumbiens.

Geboren wurde Ingrid Betancourt als Tochter eines ehemaligen Erziehungsministers und einer sozial engagierten Schönheitskönigin. Als Kandidatin war sie unkonventionell. So verteilte sie während ihrer Kampagne Kondome, nicht um auf die Gefahr von Aids aufmerksam zu machen, vielmehr um das Land gegen Machtmissbrauch und Klüngelwirtschaft zu schützen. Beides sei für die Gesellschaft genauso tödlich wie Aids für den Menschen. Später verschenkte die Kandidatin auch noch Viagra, um – so ihr Slogan – der Demokratie in ihrem Land wieder Spannung zu geben.

Genug von der Verlogenheit

Mutterseelenallein kandidierte die junge Frau, die an der Pariser Science-Po studiert hat, für einen Sitz im Parlament. Sie hatte genug von der Verlogenheit der Politikerklasse. Auf Anhieb schaffte sie es ins Abgeordnetenhaus, später auch in den Senat. Für ihr Wahlbündnis „Neues Kolumbien“ ging sie danach ins Rennen für das Amt des Staatspräsidenten in einem von Kleinkrieg, Attentaten und Wirtschaftskrise demoralisierten Land.

Ihre Kandidatur um die Präsidentschaft hatte allerdings gegen die traditionellen Wahlmaschinerie Kolumbiens nie eine Chance.  In Umfragen lag sie bei knapp zwei Prozent.

Als die dennoch unbequeme Kandidatin im Februar 2002 von einem Kommando der größten Guerillagruppe des Landes, der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC), festgenommen und entführt wurde, war sie gerade erst 33 Jahre alt. Auf der Straße zwischen Florencia und San Vicente del Caguán war sie in eine Sperre der Farc geraten. Obwohl man ihr dringend davon abgeraten hatte, den Landweg in dieser unruhigen Gegend zu nehmen, wollte die rebellische Frau dennoch unbedingt in die entlegene Region, um vor Ort die Partei zugunsten der Zivilbevölkerung zu ergreifen, die sich im Schussfeuer zwischen Drogenbaronen, Guerilla-Kämpfern, Paramilitärs und Militärs befand.

Hochnäsig, selbstsüchtig und geltungssüchtig

Bétancourt galt eigentlich als dialogfreudige Vermittlerin zu den Farc, mit deren Führungsspitze sie mehrmals zusammengetroffen war, was aber nicht die Entführung verhinderte. Sechs Jahre lebte sie in Camps im Dschungel. Ihr Gesundheit und  ihre Psyche litten. Nach vielen politischen Manövern wurde sie im Juli 2008 zusammen mit 14 anderen Geiseln vom kolumbianischen Militär befreit.  Soldaten in zwei Hubschraubern sollen sich hierbei als Rebellen ausgegeben haben.

Ein Bild von der Befreiungsaktion am 2. Juli 2008.
Ein Bild von der Befreiungsaktion am 2. Juli 2008.
REUTERS

Dem FARC-Kommandanten "César", der für die Bewachung der Geiseln zuständig war, erklärten die Soldaten, sie sollten die Geiseln im Auftrag des neuen FARC-Chefs Alfonso Cano in ein anderes Lager fliegen. "César" sei auf die Täuschung hereingefallen und habe die Geiseln übergeben. Vermutet wird aber, dass "César" mit den Behörden zusammengearbeitet haben könnte.

Drei US-amerikanische Mitgefangene übten derweil nach ihrer Befreiung in dem von ihnen veröffentlichten Buch „Out of Captivity“ scharfe Kritik an Ingrid Betancourt. Sie schilderten sie als hochnäsig, selbstsüchtig und geltungssüchtig. Sie habe das Essen anderer gestohlen und die Amerikaner in zusätzliche Gefahr gebracht, weil sie diese gegenüber den FARC-Leuten als CIA-Männer bezeichnete.

Zwist im Camp

Damit war nach ihrer Befreiung ihr Ruf heftig angekratzt. Auch gibt es Hinweise von  Zwist, Streit und Hass zwischen Gefangenen. So wurde zum Beispiel die Freundschaft von Betancourt mit der Mitgefangenen Clara Rojas, einer politischen Weggefährtin, hart auf die Probe gestellt.

Inzwischen hat Ingrid Betancourt ihren Rückzug aus der Politik angekündigt. Am fünften Jahrestag ihrer Befreiung plädierte sie für eine Amnestie für die Guerilla-Kämpfer, die ihre Waffen niedergelegt haben. „Wir können nicht eine Justiz der Rache fortsetzen, der Friede verlangt von uns einen gewissen Grad von Straflosigkeit.“