„Die Reform ist nicht ambitiös genug“
„Die Reform ist nicht ambitiös genug“
Die Verfassungsdebatte werde zurzeit sehr emotional, ja fast schon hysterisch geführt, so der frühere Abgeordnete von Déi Lénk, Marc Baum. Die vier großen Parteien CSV, DP, LSAP und Grüne würden der ADR das Terrain überlassen und deren „Kampagne mit ihren dubiosen Zielen und falschen Argumenten“ dadurch Vorschub leisten.
Überhaupt sei bei der Ausarbeitung der Verfassungsreform die Einbindung der Bürger von Beginn an vernachlässigt worden. Die Arbeiten seien hinter „verschlossen Türen“ erfolgt. Für Déi Lénk ist die Reform nicht ambitiös genug, was ihrer Meinung nach vor allem daran liegt, dass sich die vier „staatstragenden Parteien“ in all den Jahren lediglich auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ verständigen konnten. Deshalb sei auch keine echte Reform herausgekommen, sondern lediglich ein „Facelifting“.
Indem die Verfassung nun in vier einzelnen Kapitel reformiert wird, wurde der Text fast unlesbar.
André Hoffmann
Wenig Verständnis bringt Baum für die Haltung der CSV auf, die mehrfach eine Kehrtwende vollzogen habe: „Die CSV hat keine klare Linie“, so seine Kritik. Déi Lénk sehen deshalb die Hauptschuld für die „verfahrene Situation“ bei den Christsozialen. Denn wegen deren Zickzackkurs sei es überhaupt erst dazu gekommen, dass die Reform in vier Teile aufgespalten wurde: „Indem die Verfassung nun in vier einzelnen Kapitel reformiert wird, wurde der Text fast unlesbar“, bemängelt der ehemalige Abgeordnete André Hoffmann.
ADR glänzt durch Abwesenheit
Die Kritik von Déi Lénk an der ADR beschränkt sich aber nicht nur auf deren rezente Verfassungskampagne. Die Reformpartei habe sich in all den Jahren im Institutionenausschuss kaum an den Arbeiten beteiligt, oft habe die Partei sogar durch Abwesenheit geglänzt. Fernand Kartheiser gehöre dem Parlament zwar schon seit 2009 an, doch die Verfassung habe er erst vor wenigen Monaten entdeckt. Nun nutze er die Reform zu parteipolitischen Zwecken.
Da Déi Lénk der Reform von Anfang an kritisch gegenüberstanden, hatten sie 2016 einen eigenen Text ins Parlament eingebracht, der allerdings bislang kaum Beachtung gefunden habe und nicht einmal vom Staatsrat begutachtet worden sei, moniert Marc Baum.
Dabei sei der eigene Text wesentlich fortschrittlicher und humanistischer, erklärte Nathalie Oberweis. Vor allem bei den Grundrechten gehe ihre Partei einen Schritt weiter. Anders als in dem vorliegenden Text sehen Déi Lénk das Recht auf Arbeit und auf eine Wohnung als Grundrecht und nicht nur als Staatsziel, das vor Gericht nicht einklagbar ist. Sowohl die Grundrechte als auch die Staatsziele seien zu vage formuliert, bemängelt die Abgeordnete.
Mehrere Antworten beim Referendum
Déi Lénk sprechen sich für ein Referendum aus, allerdings distanzieren sie sich klar von dem Vorstoß des „comité d'initiative“. Geht es nach André Hoffmann, dann darf man sich bei einer Volksbefragung nicht auf eine einfache Ja oder Nein Fragestellung beschränken: „Ein binäres Referendum ist nicht aussagekräftig“, betont Hoffmann und plädiert für eine dritte Möglichkeit. Und zwar müssten die Wähler die Möglichkeit bekommen, genau zu sagen, in welchen Punkten der Text noch einmal überarbeitet werden soll. Hoffmann spricht in dem Zusammenhang von einem „Präferendum“, so wie es in Island und in Irland zum Teil zur Anwendung kam.
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