„Die ADR hat ein verstaubtes Familienbild“
„Die ADR hat ein verstaubtes Familienbild“
Die Sprecher von DP, LSAP, Grünen und von der CSV waren sich einig: Durch den überarbeiteten Text werden die Rechte und Freiheiten der Bürger nachhaltig gestärkt. Sie vertraten am Mittwoch bei der Debatte zum dritten Verfassungskapitel unisono die Meinung, dass das alte Grundgesetz aus dem Jahr 1868 durch die vielen Anpassungen und Neuerungen endlich ins 21. Jahrhundert überführt wird.
Man habe das Rad nicht neu erfunden, erklärte Berichterstatterin Simone Beissel (DP). Man habe zahlreiche Passagen aus dem alten Text übernommen. Man habe aber dort ergänzt, modernisiert und präzisiert, wo dies nötig war. Insgesamt erhielten zwölf Rechte zum ersten Mal Verfassungsrang.
Für den Vorsitzenden der Verfassungskommission Mars Di Bartolomeo (LSAP) und den Co-Berichterstatter Charles Margue (Déi Gréng) handelt es sich beim dritten Teil der Reform um die „carte d'identité“ des Landes. Léon Gloden (CSV) meinte, dass „das Haus Luxemburg nun mit Leben gefüllt wird“, ein Haus, das auf dem zweiten Kapitel zur Organisation des Staates basiert, das Ende Januar in erster Lesung verabschiedet worden war.
Animierte Debatte
Die Debatte verlief streckenweise sehr animiert, denn einig waren sich DP, LSAP, Grüne und CSV nicht nur in Bezug auf den neuen Text, sondern auch in ihrer Kritik an der ADR und an deren Frontmann Fernand Kartheiser. Di Bartolomeo wies Kartheisers Behauptung, der neue Verfassungstext sei von den vier großen Parteien im „stillen Kämmerlein“ ausgearbeitet worden, energisch zurück.
Die ADR hat die Debatte von Anfang an verseucht.
Simone Beissel
Auch die Argumentation der ADR, der Text lasse eine Einführung des Ausländerwahlrechts durch die Hintertür zu, stieß bei den vier Sprechern auf sehr heftige Kritik. Das sei schlicht und einfach falsch, so Léon Gloden.
Besonders heftig ging es beim Thema Familie zur Sache. Für die ADR werden die Familie und die Rechte der Kinder durch die überarbeitete Verfassung deutlich geschwächt. Luxemburg gehe viel zu weit, beanstandete Kartheiser. Nein, ganz im Gegenteil, so die anderen Abgeordneten mit Nachdruck. Beissel warf dem Abgeordneten vor, die ADR habe ein „verstaubtes Bild der Familie“, die Reformpartei habe „die Debatte von Anfang an verseucht“. Gloden kritisierte, die ADR verkenne „die Zeichen der Zeit“: „Wir leben im 21. Jahrhundert.“ Für Charles Margue wäre es „eine Frechheit“, wenn man an der traditionellen Definition der Familie festhalte, denn dadurch würden zahlreiche Menschen – etwa Singles und Homosexuelle – ausgegrenzt.
Ganz und gar nicht einverstanden waren die vier Redner mit Kartheisers Aussage, dass durch das allgemeine Recht auf die Gründung einer Familie der Leihmutterschaft Tür und Tor geöffnet werde und es dadurch zu einer „Kommerzialisierung des Kindes“ komme: „Wer dies sagt, ist schlicht unehrlich“, so Margue. Die Leihmutterschaft sei und bleibe in Luxemburg strikt verboten, erklärte Di Bartolomeo.
Der dritte Teil der Verfassungsreform ist das schlechteste der vier Kapitel.
Fernand Kartheiser
Heftig debattiert wurde über die Staatsziele. Auch hier standen sich die Redner von DP, LSAP, Grünen, CSV und der ADR unversöhnlich gegenüber. Den Vorwurf des ADR-Abgeordneten, durch die Staatsziele würde die Verfassung unnötig „politisiert“, ließen sie nicht gelten. Auch wenn er bisweilen sehr hart kritisiert wurde, Fernand Kartheiser blieb bei seiner Meinung: „Der dritte Teil der Verfassungsreform ist das schlechteste der vier Kapitel.“
Die Einschätzung von Déi Lénk fiel ähnlich aus, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Nathalie Oberweis geht der neue Text nämlich nicht weit genug. Sie hätte sich daher gewünscht, dass die Vorschläge aus der Gesetzesvorlage ihrer Partei übernommen worden wären. Sozialen Fortschritt lasse der neue Text nicht zu, so ihre Kritik.
Sven Clement (Piraten) sieht zwar eine Reihe von Verbesserungen, macht aber auch einige Schwachstellen aus. So halte die neue Verfassung an den traditionellen Begriffen „Mann und Frau“ fest, anstatt auch LSBTIQ-Personen zu berücksichtigen. Vor allem aber störte ihn, dass die vier großen Parteien von einem Verfassungsreferendum absehen. In diesem Punkt sind sich die Piraten übrigens mit der ADR einig.
Am Ende der Sitzung stimmten neben den Mehrheitsparteien und der CSV auch die Piraten für den dritten Teil der Reform. Wie schon bei den beiden ersten Teilen enthielten sich Déi Lénk, die ADR votierte gegen den neuen Text.
Die Arbeiten am vierten Kapitel, in dem u. a. das Parlament und der Staatsrat behandelt werden, sind fast abgeschlossen. Wann die erste Abstimmung erfolgen wird, steht aber noch nicht fest.
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