"Der Wiseler Claude wird kein Jean-Claude"
"Der Wiseler Claude wird kein Jean-Claude"
(ml) - Die CSV wird Fraktionschef Claude Wiseler bei den Parlamentswahlen im Oktober 2018 als Spitzenkandidat ins Rennen schicken. Ein Parteikonvent muss die Entscheidung des CSV-Nationalrats noch im Herbst bestätigten. Die CSV habe einen Spitzenkandidaten, aber kein Konzept und kein Programm, stichelt Robert Goebbels in einer Stellungnahme.
Der ehemalige LSAP-Minister und frühere EU-Abgeordnete ist der Ansicht, dass es Wiseler nicht gelingen werde, aus dem Schatten des einstigen Premierministers Jean-Claude Juncker zu treten: "Er hat weder den politischen Ehrgeiz, den Flair, noch das Durchsetzungsvermögen und die Chuzpe seines großen Vorgängers."
Vor allem sei nicht erkenntlich, für welche Politik der neue CSV-Leader einstehe. Wiseler sei bislang nicht als "Macher", sondern eher als "Zauderer" aufgefallen. Obwohl die Luxemburger auf konkrete Rezepte der CSV und "ihren neuen Lider Maximo" warten würden, lasse die größte Oppositionspartei keine alternativen Konzepte zur Regierungspolitik erkennen, heißt es weiter.
"Es brodelt im Krabbenkorb"
Goebbels wirft die Frage auf, weshalb Luc Frieden nach seinem "privaten Brexit" so eilig zum CSV-Spitzenkandidaten für die Europawahlen erkoren wurde. "Hat man Jean-Claude Juncker definitiv abgeschrieben? (....) Oder ging es nur darum, Luc Frieden von einer Kandidatur in seinem ehemaligen Bezirk Zentrum abzuhalten, wo er womöglich seinem Spitzenkandidaten Wiseler Schatten werfen könnte?" Im internen Krabbenkorb brodele es, meint Goebbels. Die ehemalige EU-Kommissarin Viviane Reding werde z. B. auf Kosten von Laurent Mosar das Außenministerium für sich beanspruchen, so Goebbels.
Lesen Sie hier den vollständigen Text von Robert Goebbels:
Der Wiseler Claude wird kein Jean-Claude.
Die CSV hat einen Spitzenkandidaten, aber kein Konzept und kein Programm. Es brodelt bloß im internen Krabbenkorb.
Ohne das geringste Überraschungsmoment wurde Claude Wiseler Spitzenkandidat der CSV. Die Kür war nicht gerade berauschend. Selbst im „Wort“ urteilte der innenpolitische Kommentator Christoph Bumb, diese „christlich-soziale Farce“ sei kein „wirklich transparenter Entscheidungsprozess“ gewesen. Durch die Ausschaltung der Parteibasis bliebe der „Makel des parteiinternen Gemauschels“, was nicht gerade von einer „politischen Aufbruchsstimmung“ zeuge.
In der Tat wirft der von Präsident Marc Spautz eingefädelte parteiinterne Kuhhandel manche Fragen auf. Der „verlorene Sohn“ Luc Frieden, nach einem gut besoldeten Gastspiel bei der Deutschen Bank in London, wird nach seinem privaten Brexit wieder aus Luxemburg fortgelobt. Er soll Spitzenkandidat der CSV bei den erst 2019 fälligen Wahlen für das Europäische Parlament werden. Weshalb diese Eile? Hat man Jean-Claude Juncker definitiv abgeschrieben? Wäre es nicht an dem austretenden Präsidenten der Kommission, die CSV-Liste für Europa anzuführen, eventuell als neuerlicher „Spitzenkandidat“ der EVP?
Oder ging es nur darum, Luc Frieden von einer Kandidatur in seinem ehemaligen Bezirk Zentrum abzuhalten, wo er womöglich seinem Spitzenkandidaten Wiseler Schatten werfen könnte?
Noch kurioser wirkt die Bestellung der langjährigen EU-Kommissarin und derzeitigen Europaabgeordneten Viviane Reding zur „einfachen Kandidatin“ im Bezirk Süden. (Man kann davon ausgehen, dass Präsident Spautz sich als regionale „Spitze“ sieht). Muss die agile Reding aus Europa weg, weil Frieden zu platzieren ist, und offensichtlich einen Posten als Kommissar in der nächsten Kommission anstrebt?
Viviane Reding hat breite Ellenbogen. Sie wird bei einer Rückkehr der CSV an die Regierungsmacht Forderungen stellen. Sie wird mit Sicherheit dem außenpolitischen Sprecher der CSV, Laurent Mosar, den Außenminister streitig machen. Es bleibt also Spannung im Krabbenkorb.
Eher Zauderer als Macher.
Zumal Claude Wiseler seinen „Leadership“ erst unter Beweis stellen muss. Wiseler ist ein ehrbarer Mann und ein eher netter Zeitgenosse. Er hat Regierungserfahrung. Doch ist er in seinen diversen Verantwortungsbereichen nicht als „Macher“, eher als „Zauderer“ aufgefallen. Wichtige Gesetzesprojekte beließ er vor dem Regierungswechsel in den Schubladen seiner Ministerien. Etwa das kontroversierte Tram-Projekt, das Nachfolger François Bausch fertig vorfand und flugs auf die Schiene setzte. Oder die sektoriellen Pläne für die Landesplanung, die der gleiche Bausch in seinem Tatendrang entschubladisierte, um damit Schiffsbruch zu erleiden.
Jedenfalls wird der Wiseler Claude kein Jean-Claude. Er hat weder den politischen Ehrgeiz, den Flair, das Durchsetzvermögen und die Chuzpe seines großen Vorgängers. Vor allem ist nicht erkenntlich, für welche Politik der neue CSV-Leader einsteht.
Gewiss, Claude Wiseler kann die Wahl gewinnen und als nächster Hausherr in das Staatsministerium einziehen. Der derzeitige Premier kam völlig unangemeldet in sein Amt und bleibt bis heute ohne klare politische Linie, selbst wenn Bettel ein Tausendsassa der Spaßgesellschaft ist.
Dennoch wird von Wiseler erwartet, dass er klare Alternativen vorlegt und sich nicht allein auf die Fehler der Regierung verlässt, um bei den Wählern zu punkten.
Auf den Punkt daneben.
Die CSV-Fraktion verschickt periodisch das Informationsblatt „Op de Punkt“ an die Bürger. Doch von einer Punktlandung gibt es keine Spur. In seinem jüngsten Beitrag trat Claude Wiseler für „eine andere, eine bessere Politik“ ein.
Wunderbar. Doch wie soll die „bessere Politik“ aussehen? Wiseler: „Schwerpunkte sind dabei die Finanz- und Haushaltspolitik, inklusive Steuerfragen, sowie die Familienpolitik, der Wohnungsbau, die Sicherheitspolitik und Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung im ländlichen Raum.“ Mit der Aufzählung solcher Themenbereiche ist keine einzige Alternative aufgezeichnet.
Herr Wiseler verspricht ein „Gesamtkonzept“ im steuerlichen Bereich: „Abflachen des Mittelstandsbuckel“, Umverteilung der Last „von schmaleren auf breitere Schultern“, „Senkung des Gesamtsteuersatzes für Betriebe“ und „Verbreiterung der Bemessungsgrundlage“. Wie bei solch unverbindlichen Platituden eine „bessere“ Budget- und Finanzpolitik herauskommen könnte, versteht nicht einmal die Deutsche Bank!
Auch sonst bleiben die CSV-Konzepte rein plakativ, etwa eine „Familienpolitik aus einem Guss“. Wundervoll, aber was soll da konkret „gegossen“ werden???
Es gibt Probleme im Ländchen. Die Regierung müht sich ab, hat einige Pannen der Anfangsphase ausgebügelt. Sie legte eine ansehnliche Steuerreform vor. Dagegen nur Kritik zu bieten genügt nicht. Alternativen sind gefragt. Die größte Opposition bleibt gefordert, zumal sie Anspruch auf die Regierungsgewalt stellt. Ein „Wir wollen es nicht nur anders, sondern besser machen“ ist schlicht und ergreifend zu seicht!
Die Luxemburger warten auf die Gebrauchsanweisung, auf die konkreten Rezepte der CSV und ihres neuen „lider maximo“. Alles andere bleibt eine „christlich-soziale Farce“.
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