Der „Herrscher ohne Volk und Land“
Der „Herrscher ohne Volk und Land“
(dv) - Während der ersten 100 Tage als EU-Kommissionspräsident hat ein Filmteam des deutsch-französischen Senders Arte den ehemaligen luxemburgischen Premier Jean-Claude Juncker begleitet.
Dabei herausgekommen ist ein einstündiger Dokumentarfilm, der an diesem Dienstag ausgestrahlt wird (arte/deutsch ab 23.25 Uhr, arte/französisch ab 0.00 Uhr). „Von Ort zu Ort, von Termin zu Termin“ verfolgt ein Kamerateam Jean-Claude Juncker im Labyrinth der EU-Institutionen. Der Dokumentarfilm passiert die Hauptmomente der ersten 100 Tage der Präsidentschaft des Luxemburgers in Revue und versucht, das manchmal undurchsichtige Funktionieren der EU zu beleuchten.
Als Ausgang nimmt das Arte-Team das Versprechen von Jean-Claude Juncker, Europa den Bürgern näherzubringen. Er nannte seine Kommission „die der letzten Chance“, und wollte „den Graben zwischen den Männern und Frauen der EU und den Institutionen“ verkleinern.
Erst Jubel, dann Ernüchterung
Wie im Film zu erkennen ist, ist mit Sicherheit die erste Pressekonferenz des neuen Chefs der EU-Kommission der erste wichtige Schritt in Junckers geplanter Charme-Offensive. Hier verkündet der Luxemburger vor versammelter Weltpresse, er sei nicht „Vorsitzender einer Gang anonymer Bürokraten“ und dass er eine politische Kommission wolle. Die Reporter aus aller Welt jubeln, endlich wieder ein Kommissionspräsident, der keine Angst hat vor den Regierungs- und Staatschefs der EU, die sich immer der europäischen Integration in den Weg stellen.
Doch schon am nächsten Tag kommt die Ernüchterung: LuxLeaks ist in aller Munde. Die Reportage verdeutlicht, wie dieser Skandal Junckers Pläne durcheinander wirft. Nach einer perfekten Antrittsrede, die der Kommission einen neuen Elan einhauchte, wird der neue Chef, knapp 24 Stunden später, von „seiner luxemburgischen Vergangenheit eingeholt“.
Sehr gezielt wird hier gezeigt, wie viel Junckers öffentliches Auftreten durch LuxLeaks beeinflusst worden ist. Die versprochenen Reden und Pressekonferenzen machen sich seltener, Juncker scheint sich vor der Öffentlichkeit zu verstecken.
Ein weiteres Element, in dem der Dokumentarfilm den Graben zwischen Versprechen und Realität erläutert, ist die Reaktion der Juncker-Kommission auf die von einer Bürgerinitiative gesammelten Unterschriften gegen das TTIP- Freihandelsabkommen. Von einer Kommission, die nicht „anonym“ handeln will, hatten sich die Aktivisten mehr als einen kurzen Empfang durch Mitarbeiter erwartet.
Trotz seiner Versprechen scheint es, als ob sich die Kommission immer mehr hinter ihrem Sprecherdienst versteckt und die Öffentlichkeit zunehmend meidet.
„FC Team Juncker“
Dabei versucht die Reportage keineswegs, Jean-Claude Juncker ausschließlich zu kritisieren, und zeigt auch, wie strapazierend der Alltag des Präsidenten ist. So folgt man dem Luxemburger auf seinen unzähligen Reisen zwischen Luxemburg, Brüssel, Straßburg und Riga. Dabei verrät Arte das ein oder andere skurrile Detail. Der Zuschauer wird beispielsweise erfahren, dass die Juncker-Kommission im Bus eines bekannten belgischen Fußballvereins nach Luxemburg reiste, um ihren Amtseid abzulegen.
Für den luxemburgischen Zuschauer ist es besonders interessant, ein bekanntes Gesicht in einer neuen Rolle zu entdecken. Dabei zeigt die Antwort auf die Frage „Herr Juncker, warum machen Sie diesen Job eigentlich?“, dass Juncker Juncker bleibt, auch in Brüssel ...
Hier geht's zur Dokumentation:
Wer die Sendung verpasst hat: Arte zeigt sie in den sieben Tagen nach der Ausstrahlung auf seiner Internetseite.
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