De Wever ante portas
De Wever ante portas
Belgien wird in Luxemburg wenig wahrgenommen – so brav, so „harmlos“ erscheint das Nachbarland, als dass man sich darüber groß Gedanken macht. Höchstens menschliche Dramen wie die Affäre Dutroux, die Verabschiedung eines Euthanasie-Gesetzes für Minderjährige Ende 2013 oder Krisen, etwa während der „regierungslosen“ Zeit von Juni 2010 bis Dezember 2011, als Belgien bloß eine geschäftsführende Regierung hatte, rücken das Königreich gelegentlich ins öffentliche Bewusstsein.
Am kommenden 25. Mai stehen nun in Belgien nicht bloß Europawahlen an, sondern zeitgleich auch Parlaments- und Regionalwahlen. Der Wahlkampf dümpelte vor sich hin, bis vor einer Woche die Lärmbelästigung durch den Flugplatz Zaventem in der Region Brüssel den „Sprachenstreit“ zwischen Flamen und Wallonen wieder hat aufleben lassen und die Debatte über den „Index“ verdrängt hat.
Wiederholt sich nun das Szenario von 2010? Denn wieder könnte eine kleine Ewigkeit vergehen, bevor eine regierungsfähige Mehrheit zustande kommt. Und wieder könnte sich ein Block gegen die Neue Flämische Allianz bilden.
Die im Gegensatz zum Vlaams Belang (VB) gemäßigten – Separatisten von der N-VA sind schon heute die stärkste politische Kraft im belgischen Zentralparlament. Allerdings war es dem wallonischen Sozialisten und amtierenden Premier Elio Di Rupo nach 541 Tagen gelungen, eine Sechs-Parteien-Koalition zu schmieden und damit die N-VA von einer Regierungsverantwortung fernzuhalten. Ob dies wieder gelingt, ist fraglich.
Schon üben sich die großen Parteien in wahltaktischen Manövern, betreiben politischen Farbenspiele und streiten eifrig über mögliche Kompatibilitäten von Programmen.
Was aber, wenn es diese Mal ohne die N-VA nicht für eine Regierungsmehrheit reicht? Dann gibt es entweder eine Minderheitsregierung – was schwer vorstellbar scheint – oder aber die N-VA tritt in eine Koalition ein und stellt möglicherweise mit ihrem Parteichef und gegenwärtigen Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever sogar den Regierungschef.
Soweit sich De Wever nicht vom Saulus zum Paulus wandeln sollte, dann dürfte es dann in Belgien zu einem schrittweisen Rückbau den Föderalstaates kommen. Eines nicht allzu fernen Tages könnte dies in die Spaltung des Landes münden. Was niemand wünschen kann – am wenigsten der Landessüden. Denn während Flandern prosperiert, befinden sich weite Teile Walloniens weiter im wirtschaftlichen Niedergang.
Was bedeutet all dies jedoch für Belgiens Nachbarn? Falls es zum lang erwarteten endgültigen Bruch zwischen beiden Landesteilen kommen sollte, wären auch Belgiens Partner davon betroffen. Nicht zuletzt wegen der engen Zusammenarbeit auf politischem, wirtschaftlichem, militärischem und kulturellem Gebiet – Stichworte: EU, Nato und Benelux – wäre Luxemburg mittelbar einer der Hauptleidtragenden einer Staatskrise. Deshalb muss es Luxemburg mehr noch als den anderen Nachbarn daran gelegen sein, dass Belgien eine erneute schwere, innenpolitische Krise erspart bleibt.
Den Belgiern stehen also voraussichtlich unruhige Zeiten ins Haus. Außenstehende kommen nicht umhin, die „Leichtigkeit des Seins“ unserer Nachbarn angesichts als dieser Unwägbarkeiten zu bewundern – und zu hoffen, dass sich in Belgien die Vernunft durchsetzt.
Aber der Schlüssel dazu liegt allein bei den Belgiern selbst.
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