"Da stimmt etwas nicht"
"Da stimmt etwas nicht"
(ps) - Marc Wagener hegt einen Verdacht. Einen Verdacht, wonach das Finanzministerium bei der Berechnung des mehrjährigen Haushaltsplan nicht die aktuellsten Wachstumszahlen berücksichtigt hat. Denn es gibt "Inkohärenzen" im Budget, die "komisch" wirken. Oder anders ausdrückt: "Das ist nicht ganz koscher."
Worauf bezieht sich nun der Verdacht? Kürzlich hat der Statec die Wachstumszahlen für 2017 und 2018 gesenkt. Und zwar deutlich. Von ursprünglich 4,4 Prozent 2017 und 5,2 Prozent für 2018 auf 2,7 bzw. 3,7 Prozent. Das seien insgesamt 3,2 Wachstumspunkte weniger innerhalb von zwei Jahren. "Ein enormer Betrag", so Wagener, "der sich auch nachhaltig auf die Staatsfinanzen auswirken wird." Doch in der Haushaltsplanung lässt sich davon nichts erkennen. Im Gegenteil: Das Finanzministerium geht sogar davon aus, dass die Einnahmen in den kommenden Jahren steigen würden. Geringeres Wachstum, aber dafür höhere Einnahmen? Wagener blickt auf und wiederholt den Begriff der "Inkohärenz". Und Carlo Thelen, der Direktor der Handelskammer, springt ihm bei und spricht von einem "Paradoxon".
Ob die Regierung die neuesten Zahlen bewusst ignoriert habe, um das Budget zu beschönigen? Soweit würde er dann nicht gehen, sagt Wagener. Aber er habe die klare Vermutung, dass der Haushaltsentwurf berechnet wurde, ohne die neuesten Zahlen des Statec zu berücksichtigen - bewusst oder unbewusst. Anders seien diese "Inkohärenzen" nicht zu erklären. Thelen und Wagener forderten deshalb Finanzminister Pierre Gramegna auf, in diesem Punkt für Klarheit zu sorgen.
Qualitatives Wachstum
Doch es war nicht die einzige Kritik der Handelskammer am Haushaltsplan. Die Kammer stellte nämlich unter anderem fest, dass die Regierung den Begriff "qualitatives Wachstum" zwar oft benutze, dieser jedoch nicht aus den Zahlen des Haushalts hervorgehe. Vereinfacht ausgedrückt gebe es laut Wagener nur zwei Wachstumsformen: Entweder es arbeiten mehr Menschen (quantitatives Wachstum) oder die Menschen, die arbeiten, arbeiten besser (qualitatives Wachstum). Aus der Analyse des Budgets gehe dabei klar hervor, dass die Regierung entgegen der Behauptungen auf Quantität setzt. "Wir vergrößern den Kuchen, indem wir das Land vergrößern", so Thelen. Und um in der Analogie zu bleiben: Der gleiche Kuchen müsse mit weniger Menschen gebacken werden.
Das sei jedenfalls eine fatale Entwicklung. Denn zum einen stellt man die Nachhaltigkeit eines solchen Wachstumsmodells infrage und wirft die Frage in den Raum, wo diese Arbeitskräfte eigentlich auf Dauer herkommen sollen. Und zudem verweist die Handelskammer auf eines ihrer Kernthemen: Produktivität. "Seit 15 Jahren stagniert die Produktivität in diesem Land", sagt Thelen. Qualitatives Wachstum bedeute jedoch, dass Betriebe produktiver und effizienter werden. Oder wie es die DP 2013 im vergangenen Wahlkampf ausdrückte: "Méi mat manner".
"Von hundert Euro gibt der Staat allein 23 Euro für Staatsgehälter aus.
Insofern sei es zu begrüßen, dass der Staat in die Infrastruktur investieren würde. Langfristig würde Luxemburg dadurch wettbewerbsfähiger werden. Allerdings seien die Investition bei weitem nicht so hoch, wie von der Regierung dargestellt bzw. wie man sich das bei der Handelskammer wünsche. Im Verhältnis würden die laufenden Kosten (z.B. Staatsgehälter) seit langem deutlich steigen und die Investitionskosten sogar überbieten."Von hundert Euro gibt der Staat allein 23 Euro für Staatsgehälter aus", so Wagener.
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*In einer ersten Version des Artikels stand: "Und dann formulierte Carlo Thelen einen Satz, den er bereits öfters formulierte, und der an das „Ceterum censeo“ des römischen Staatsmanns Cato erinnert. Leicht paraphrasiert klingt der Satz wie folgt: Im übrigen bin ich der Meinung, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst zu hoch sind." Im genauen Wortlaut hat Carlo Thelen gesagt: "Das letzte Paradoxon, was ich festgestellte habe, ist, dass die Ausgaben für Staatsgehälter weiter enorm steigen."
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