Corona schickt Frauen an die Front
Corona schickt Frauen an die Front
Das Corona-Virus lässt uns alle in Europa an neue Lebensweisen gewöhnen, lässt uns erfahren, was es heisst in (Selbst-)Quarantäne zu leben, im Homeoffice zu arbeiten, die Kinder zu Hause selber zu unterrichten, den Job zu verlieren, keine Einnahmen mehr zu haben.
Die Situation jeder Person ist verschieden, aber eines ist klar: Durch die Pandemie werden auch die verschiedenen Lebensrealitäten von Frauen und Männern deutlich. Daran erinnert das European Institute for Gender Equality (EIGE) in einer Mitteilung.
An der Frontlinie im Corona-Kampf steht das Gesundheitspersonal, das rund um die Uhr arbeitet und sich Risiken aussetzt, um Patienten zu versorgen. Die meisten Krankenpfleger und Beschäftigten im Gesundheitssystem sind in der EU Frauen. Ihre Arbeitslast ist sehr fordernd und verlangt oft auch einen emotionalen Preis ab. Dennoch ist ihr Berufsstand einer der unterbewertetsten und schlecht bezahltesten Jobs in der EU.
Sterblichkeit der Männer höher als die der Frauen
Vorläufige Zahlen sagen, dass Frauen und Männer vom Coronavirus ungefähr gleich viel betroffen sind. Die Todesrate liegt allerdings bei Männern höher. Die WHO empfiehlt deswegen, weiterhin gesunde Ess- und Fitness-Gewohnheiten beizubehalten, um das Immunsystem zu stärken und ungesunde, wie Rauchen und exzessiven Alkoholgenuss zu vermeiden. Mehr Männer als Frauen rauchen und laufen deswegen grössere Gefahren im Corona-Infektionsfall.
EIGE-Studien zeigen, dass Frauen mehr auf den öffentlichen Transport angewiesen sind als Männer. Dadurch steigt ihr Ansteckungsrisiko, wenn sie zur Arbeit, zum Arzt oder einkaufen gehen. Besonders Alleinerzieher, die oft kein Auto haben sind betroffen: 18 Prozent von ihnen sagen, der öffentliche Transport ist ihre einzig mögliche Transportmethode. In Ländern, wo Busse und Bahn stark reduziert oder gar nicht mehr fahren, erschwert es ihnen das Leben.
Frauen riskieren stärker, den Job zu verlieren
Die Schliessung vieler Geschäfte und Geschäftszweige könnte starke Auswirkungen auf von Frauen dominierte Jobs haben. Die Flug- und Reisebranche, der Handel, der Reinigungssektor und Friseursalons bieten oft schon prekäre Jobs. Quer durch die EU arbeitet ein Viertel der Frauen in solch prekären Berufen und riskiert jetzt, keine Mittel für lebensnotwendige Dinge zu haben.
Physische Distanz ist nicht für jeden eine Option. In der EU hängt fast jeder vierte Haushalt von so genannter informeller Pflege durch Angehörige und Freunde ab - die zu leisten wird nun immer schwerer. 61 Millionen Frauen und 47 Millionen Männer mit Behinderung leben in der EU - viele sind abhängig von Hilfe beim Essen, Anziehen und Waschen. 83 Prozent der Pfleger von Behinderten oder älteren Personen sind Frauen.
Auf die Gefahr der steigenden häuslichen Gewalt in Zeiten der Isolierung in den vier Wänden und die Schwierigkeit, sich Hilfe holen zu können, wurde schon hingewiesen. Auch nach der Krise werden sich noch Auswirkungen zeigen, wenn die finanzielle Unsicherheit es schwer macht, den gewalttätigen Partner zu verlassen.
Entscheidungsträger meist männlich
EIGE weist auch darauf hin, dass während die Krankenschwestern non-stop hinter den Kulissen arbeiten, es meist Männer sind, die in der Öffentlichkeit stehen und die Schlagzeilen machen: Sie seien es, die die meisten Machtpositionen inne haben und all die wichtigen Entscheidungen treffen, die das Alltagsleben der Bürger betreffen. Das bedeute, dass Frauen aussen vor gelassen werden, wenn es um Entscheidungen geht, die ihre eigenen Leben betreffen.
"Die Antwort der Politik muss die verschiedenen Erfahrungen einbeziehen, denen Frauen und Männer während der Pandemie gegenüber stehen, damit jeder die Hilfe bekommt, die er am meisten braucht", fordert EIGE.
Die Antwort der Politik muss die verschiedenen Erfahrungen einbeziehen, denen Frauen und Männer während der Pandemie gegenüber stehen.
European Institute for Gender Equality
Es gebe nicht zuletzt einen hohen Bedarf an geschlechtsspezifischen Daten darüber, wie Männer und Frauen vom Virus betroffen sind. Nicht nur von Infektionsraten, sondern auch von wirtschaftlichen Folgen, die Verteilung der Betreuungs- und Pflegearbeit und dem Ausmass an häuslicher Gewalt.
"Es ist auch Zeit, dass die Politiker die wichtige Arbeit anerkennen und aufwerten, die von denen geleistet wird, die bei einer Gesundheitskrise an erster Front stehen - wie Pfleger im Krankenhaus, in den Heimen und zu Hause."
Folgen Sie uns auf Facebook und Twitter und abonnieren Sie unseren Newsletter.
