Corona-Pandemie schlägt Kindern auf die Psyche
Corona-Pandemie schlägt Kindern auf die Psyche
Wie steht es um die Kinderrechte in Luxemburg? In welchen Bereichen werden sie verletzt oder nicht ausreichend geschützt? Und was muss sich ändern? Diesen Fragen geht der „Ombudsman fir Kanner a Jugendlecher“ (Okaju) nach und veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht mit Empfehlungen an die Politik.
2021 befasste sich der Okaju im Besonderen mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen und hat geprüft, inwiefern die Politik bei der Bewältigung der Krise und dem Ergreifen von Maßnahmen den Kinderrechten Rechnung getragen hat.
Dazu hat der Kinderrechtsbeauftragte Charel Schmit viele Gespräche mit Professionellen aus dem Kinder- und Jugendbereich geführt, Untersuchungen, Umfragen und Aktivitätsberichte konsultiert und Informationen und Statistiken angefordert. „Dabei haben wir große Lücken festgestellt“, sagte der Charel Schmit am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts 2021. Es fehle an qualitativen und quantitativen Daten. „Luxemburg braucht ein Instrument, um die Entwicklung des Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen zu verfolgen. Ansonsten werden wir weiter im Blindflug agieren, den wir stellenweise festgestellt haben“, so Schmit.
Vor allem zu Beginn der Pandemie, so die Feststellung des Okaju, hatte die Politik die Partizipation der Kinder und Jugendlichen (Artikel 12) nicht auf dem Schirm, obwohl die Krise, allen voran die Schulschließung, einen großen Impakt auf das Leben der Kinder hatte. „Die Kinder und Jugendlichen wurden kaum bis gar nicht informiert, die Krisenkommunikation richtete sich ausschließlich an die Erwachsenen“, sagte Ines Kurschat, Kommunikationsbeauftragte beim Okaju. Auch seien Kinder- oder Jugendvertreter nicht im Krisenmanagement impliziert gewesen. Der partizipative Ansatz habe sich erst ab Mai 2021 entwickelt.
In seinen Empfehlungen drängt der Ombudsman auf eine stärkere Teilhabe von Minderjährigen auf lokaler und nationaler Ebene, auf eine altersgerechte Kommunikation und darauf, Gesetzentwürfe immer auf deren Impakt auf die Kinderrechte zu überprüfen.
Medizinische Gesundheit
Das Kinderrechtskomitee hat Zahlen zu den Covid-Infektionen zusammengetragen. Bis zum 19. September 2021 wurden 14.147 Minderjährige gezählt, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben. „Seit Januar steigt der Anteil der Minderjährigen an den infizierten Personen stetig an“, sagte Ines Kurschat.
Kinder haben weniger schwere Krankheitsverläufe als Erwachsene, dennoch wurden dem Okaju zufolge etwa 100 Kinder wegen einer Covid-Erkrankung hospitalisiert, in etwa zehn Fällen sei es zu einem Multiorganversagen gekommen. Des Weiteren haben die Krankenhäuser zehn Long-Covid-Fälle bei Kindern gemeldet. Eine detailliertere Studie dazu sei in Ausarbeitung, so Ines Kurschat.
In Bezug auf die Impfungen drängt der Okaju darauf, dass Kinder in einem einsichtsfähigen Alter das Recht zugestanden wird, selbst über eine Impfung zu entscheiden. Generell wiesen die Kinderrechtler am Dienstag darauf hin, dass jedes Kind das Recht auf eine Impfung habe, wenn es in seinem Interesse ist. In keinem Fall dürfe Druck auf Kinder ausgeübt werden, weder in die eine, noch in die andere Richtung.
Psychische Gesundheit und Bildung
Sorgen bereitet den Kinderrechtlern aber auch die psychische Gesundheit von Minderjährigen. Diese habe seit Beginn der Pandemie stark gelitten, am meisten bei Kindern aus sozioökonomisch schwachen Familien. Im Gespräch mit Kinderärzten und Kinderpsychiatern habe sich herausgestellt, dass besonders Pathologien wie Angstzustände, Depressionen, Ess- und Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen zugenommen hätten. Hier fordert der Okaju die Politik dazu auf, gegenzusteuern – mit einem erhöhten Therapieangebot, einer Übernahme von Psychotherapiekosten durch die Gesundheitskasse (CNS) und der zügigen Umsetzung eines nationalen Aktionsplans für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.
Zwischen April 2020 und Oktober 2021 wurden in den Schulen infektionsbedingt 93.074 Quarantänen ausgesprochen. Davon waren 39.480 Schüler betroffen, viele von ihnen mehrfach. In 100.574 Fällen wurden Klassen wegen eines Infektionsfalls isoliert. Davon waren insgesamt 41.474 Schüler betroffen. Hinzu kam eine zehnwöchige Schulschließung (2020) mit Distanzunterricht für über 100.000 Schüler. Das hat vielen zugesetzt.
Der Okaju empfiehlt für die Zukunft, sanitäre Maßnahmen regelmäßig auf ihre Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen. Infolge ihres Leistungsabfalls durch die Schulschließung müsse darauf geachtet werden, sozial schwachen und besonders vulnerablen Kindern mehr Unterstützung zukommen zu lassen.
2020 ist es zu einem Anstieg von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gekommen. Der Okaju fordert von der Politik Gegenmaßnahmen, wie zum Beispiel die Umsetzung einer nationalen Strategie gegen alle Gewaltformen, eine nationale Notrufnummer und einen 24-Stunden-Zugang zu Hilfsstellen, therapeutischen Zentren und Notunterkünften.
Der Okaju selbst wurde zwischen März 2020 und Oktober 2021 in 71 Fällen wegen der Covid-Pandemie kontaktiert, in der Hauptsache von Eltern und Professionellen aus dem Sozial- und Bildungsbereich. Dabei ging es mehrheitlich um Fragen zu den sanitären Maßnahmen und zum Besuchsrecht, das während des Lockdowns eingeschränkt war, zum Beispiel durch die zeitweisen Grenzschließungen.
Doch auch in Strukturen (Unisec, Gefängnis, Spitäler, Psychiatrien und betreute Wohnformen) wurde das Besuchsrecht während mehrerer Monate eingeschränkt und war oft nur virtuell möglich. Der Okaju verlangt, dass der direkte Kontakt zwischen Kindern und ihren Eltern oder Bezugspersonen jederzeit garantiert werden müsse.
Das Kinderrechtskomitee wies ferner darauf hin, dass Kinder und Jugendliche sich direkt an den Okaju wenden können, wenn sie Fragen oder Sorgen haben. Mehr Informationen auf www.okaju.lu.
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