Corona: Die Stunde der Wahrheit
Corona: Die Stunde der Wahrheit
Während der Parlamentsdebatte hatte er es in der vergangenen Woche bereits angedeutet. Am Samstag bestätigte Premier Xavier Bettel (DP) dann in einem Interview mit dem Radiosender 100,7, dass die nächsten Tage darüber entscheiden werden, wie es im Kampf gegen die Pandemie weiter gehen wird, ob es bei den aktuellen Maßnahmen bleibt oder ob neue Regeln erforderlich sein werden.
Sollten die Zahlen der Neuinfektionen und die der Covid-Patienten, die stationär in den Krankenhäusern behandelt werden müssen, weiter steigen, brauche es zusätzliche, beziehungsweise strengere Maßnahmen, so der Regierungschef. Um Zeit zu gewinnen, werde das Kabinett übers Wochenende vorsorglich die Texte für die neuen Bestimmungen ausarbeiten, so Bettel am Samstag weiter.
Wie die neuen Regeln aussehen könnten, wollte er nicht sagen. Denkbar wäre ein „Lockdown light“ wie in Deutschland mit einer längeren Ausgangssperre, einer Schließung der Gastronomiebetriebe sowie einer weiteren Reduzierung der erlaubten Kontaktpersonen.
Dabei sind die aktuellen Regeln noch nicht einmal eine Woche alt. Das Parlament hatte erst am vergangenen Donnerstag das entsprechende Gesetz im Eiltempo verabschiedet, dies nur drei Tage, nachdem die Regierung den Entwurf eingebracht hatte.
Parlament als Stempelmaschine
Sollte sich das Kabinett gezwungen sehen, neue Maßnahmen zu ergreifen, die über die bereits geltende Ausgangssperre hinausgehen, erwartet Bettel, dass das Parlament spätestens am kommenden Samstag über das Gesetz abstimmt, sodass die neuen Regeln noch am Wochenende in Kraft treten können.
Allerdings mehren sich die kritischen Stimmen. Die Regierung setze das Parlament unter Zugzwang, in den sozialen Medien ist gar die Rede von Erpressung. Indem der Premierminister ein Ultimatum setze, degradiere er das Parlament zu einer „Stempelmaschine“, die „die Texte der Regierung ohne demokratische Debatte zu einem bestimmten Termin einfach absegnen“ müsse, hieß es am Montag in einer Pressemitteilung der Piraten. Die erste Gewalt im Staat werde „faktisch ausgehebelt, auch ohne Ausnahmezustand“. Die Piraten lehnen zum jetzigen Zeitpunkt einen erneuten Etat de crise ab.
Etat de crise ist kein Thema für die CSV
Dies gilt auch für die CSV: „Die Frage des Etat de crise stellt sich im Moment nicht“, erklärte Fraktionschefin Martine Hansen am Montag auf Nachfrage, nachdem sich ihre Partei zuvor in einer Videokonferenz über das weitere Vorgehen beraten hatte. Das Parlament sei handlungsfähig.
Trotzdem wäre es ihrer Meinung nach sinnvoll, wenn die Abgeordneten die Texte, die die Regierung am Wochenende erarbeitet hat, bereits im Vorfeld in Augenschein nehmen könnten. Generell wirft Hansen der Regierung vor, sie sei nicht hinreichend auf die zweite Welle vorbereitet gewesen.
Personalprobleme
Premier Bettel hatte den Etat de crise im Interview ins Spiel gebracht. Er könne die Ausrufung des Ausnahmezustands nicht völlig ausschließen. Hintergrund könnte sein, dass die Mehrheitsparteien im Moment nicht in voller Sollstärke agieren können. Zum einen sind mit Gusty Graas (DP), Claude Haagen (LSAP) und Josée Lorsché (Déi Gréng) drei Abgeordnete als Wahlbeobachter in den USA im Einsatz, zum anderen befinden sich einige Parlamentarier in Quarantäne. Sollte sich die Opposition entschließen, den Sitzungssaal zu verlassen, wäre das Parlament nicht beschlussfähig. Eine Verschärfung der Corona-Maßnahme wäre folglich nicht möglich.
Wenn die Regierung, wie schon im Frühjahr, den Notstand ausrufen würde, könnte sie die neuen Maßnahmen über Verordnungen am Parlament vorbei mit sofortiger Wirkung erlassen. Allerdings ist der Ausnahmezustand durch die Verfassung auf zehn Tage begrenzt. Danach muss das Parlament den Etat de crise mit einer Zweidrittelmehrheit verlängern. Im Klartext bedeutet dies, dass die Regierung auf die Zustimmung der CSV angewiesen ist.
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