Corinne Cahen: "Eine Million Einwohner wären kein Verhängnis"
Corinne Cahen: "Eine Million Einwohner wären kein Verhängnis"
Eine am Dienstag vorgestellte Studie der Stiftung Idea beleuchtet die Auswirkungen des Bevölkerungswachstums in Luxemburg auf die Wohnraum- und Mobilitätsproblematik sowie das Rentensystem.
Glaubt man den neuesten Erhebungen des Statistikamts Statec, ist die Bevölkerung des Großherzogtums seit Anfang der 1980er Jahre von rund 365.000 Einwohnern auf mehr als 613.000 gewachsen. Im Fall eines unverändert anhaltenden Wachstums und weiterhin günstigen Wirtschaftsbedingungen könnte die symbolhafte Grenze zu einer Million Einwohnern bis 2060 erreicht werden, so Muriel Bouchet, der Autor der Studie.
Die Analyse beinhaltet drei verschiedene Szenarien zum Bevölkerungswachstum in den kommenden 40 Jahren:
Das erste Szenario sieht eine Erhöhung der Zahl an Grenzgängern von aktuell rund 200.000 auf 600.000 vor, bei einer Gesamtbevölkerung von einer Million Einwohnern.
Das zweite Szenario geht von einer Beschränkung der Zahl an Grenzgängern aus, bei einer Gesamtbevölkerung von etwas weniger als zwei Millionen Einwohnern.
Ein drittes Szenario betrachtet die Hypothese eines kompletten Einwanderungsstopps, wodurch die Bevölkerung auf etwa 611.000 Einwohner beschränkt würde, aber 787.000 Grenzgänger in Luxemburg arbeiten würden.
Laut Muriel Bouchet werden unabhängig davon, welches dieser Szenarien eintrifft, sowohl das Wachstum als auch die Alterung der Bevölkerung "bedeutende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in Luxemburg haben". Das Land stehe in jedem Fall vor großen Herausforderungen in den Bereichen Infrastrukturen, Wohnraum, Straßennetz und öffentlicher Personennahverkehr.
Größtes Problem: Wohnraum für Alle
Die größte Herausforderung betreffe die Wohnraumproblematik. Zum einen seien gewisse Einschränkungen in Zukunft "unvermeidbar", wie etwa eine Reduzierung der Wohnfläche oder eine Verdichtung der Wohnviertel mit zunehmend höheren Gebäuden. Zudem würden flexiblere Wohnmodelle eine immer wichtigere Rolle spielen, die an spezifische Lebenslagen und Bedürfnisse angepasst seien - beispielsweise für Senioren und junge Menschen. Dies wäre insbesondere bei einer Entwicklung wichtig, die von einer globalen Erhöhung pflegebedürftiger Menschen in der Bevölkerung ausgehen.
Eine weitere große Herausforderung stelle die ausreichende Schaffung neuen Wohnraums dar. Nach Schätzungen könnten derzeit jährlich 6.000 bis 6.500 Wohneinheiten gebaut werden. In der Realität wurden in den vergangenen Jahren nur etwa 3.000 Wohneinheiten im Jahr geschaffen. Dies befeuere die Immobilienspekulation und treibe die Preise in die Höhe.
Eine Entwicklung, die sich zudem verschlimmern dürfte, sofern keine Maßnahmen getroffen werden. Das Augenmerk der Regierung liege dabei vor allem auf der Reduzierung von leer stehendem Wohnraum, wie Familienministerin Corinne Cahen erklärt: "Wir müssen wesentlich mehr Anstrengungen in diesem Bereich machen. Projekte wie die sozialen Mietwohnungen zeigen, wie das gehen kann".
Als Hauptfaktor für die Preisspirale gelten in Luxemburg die hohen Preise für Bauland, die den Verkaufspreis wesentlich stärker in die Höhe treiben als die reinen Baukosten.
Laut Corinne Cahen müssen hier die Kommunen und die Bauträger stärker zusammenarbeiten: "Es muss mehr Bauland frei werden, um angemessenen Wohnraum für künftige Entwicklungen zu schaffen". Grundstücksbesitzer müssten dazu angespornt werden, ihre Grundstücke freizugeben.
Mobilität, Wasserversorgung und soziale Kohäsion
Neben dem Wohnraumproblem stellt die Mobilität eine der größten Herausforderungen des Wachstums dar. Die Studie weist dabei auf die Möglichkeit einer stärkeren Dezentralisierung hin, die eine Konzentration der Probleme rund um die Hauptstadt verhindern könne. Die geplante Niederlassung von Google in Bissen, die Entwicklung der "Nordstad" oder der ehemaligen Industriebrachen im Minette seien erste Beispiele dieser Entwicklung.
Aus einem vergleichbaren Blickwinkel sei die Schaffung gewerblicher Freihandelszonen in der Großregion zu sehen, die die wirtschaftliche Entwicklung in den unter der luxemburgischen Dominanz leidenden Grenzregionen ankurbeln könnten. Auch die Heimarbeit müsse stärker von den Unternehmen unterstützt und aktiv ausgebaut werden.
Sämtliche Ansätze müssten jedoch vor allem darauf abzielen, die soziale Kohäsion in Luxemburg zu erhalten und die Lebensqualität zu stärken.
Auch wenn die zukünftige Entwicklung Luxemburgs noch nicht klar auszumachen sei, ist Corinne Cahen optimistisch, was die Entwicklung angeht: "Wir sind weit von einem Katastrophenszenario entfernt. Eine Million Einwohner wären kein Verhängnis". Eine solche Bevölkerungsdichte entspreche ungefährer jener des Saarlandes, "wo die Lebensqualität auch nicht so schlecht sei".
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
