Checks and Balances
Checks and Balances
(jm) - Vor einigen Jahren wäre das Großherzogtum von einer UN-Kommission fast als Diktatur eingestuft worden. Die internationalen Beobachter zeigten sich erstaunt über die relative Machtfülle, die der Großherzog laut Verfassung genießt. Der Staatschef ist nicht nur unantastbar, er ist sowohl Teil der Exekutive (er ernennt und entlässt die Regierung), der Legislative (er kann Gesetzentwürfe einreichen) und der Judikative (Urteile werden in seinem Namen gefällt; außerdem bestimmt er die Richterschaft).
All diese Macht besitzt der Staatschef aber nur in der Theorie; seine Entscheidungen sind entweder durch die Verfassung oder die Gesetze eingegrenzt; außerdem bedarf es immer einer Gegenzeichnung durch ein Regierungsmitglied.
Theorie und Praxis
Die theoretische Machtfülle gerät aber gelegentlich in Konflikt mit der praktischen Machtlosigkeit, so etwa im Dezember 2008, als der Großherzog die Billigung des Euthanasie-Gesetzes verweigerte. Damals wurde Hals über Kopf eine Änderung von Artikel 34 der Verfassung in die Wege geleitet; außerdem verabschiedete das Parlament eine Resolution, mit der der zuständige parlamentarische Institutionenausschuss beauftragt wurde, die Befugnisse des Staatsoberhaupts bei der anstehenden Verfassungsreform noch einmal zu überdenken.
Der Entwurf, den CSV-Verfassungsexperte Paul-Henri Meyers im April 2009 vorlegte, staucht die Befugnisse des Großherzogs deutlich zusammen. Der Staatschef bleibt weiter Teil der Exekutive, aus der Judikative soll er sich aber ganz heraushalten; seine Zuständigkeiten bei der Legislative sollen sich auf das Recht zur Auflösung des Parlaments beschränken, wozu es jedoch der Zustimmung der Regierung bedarf. Und damit es nicht zu einer Wiederholung der Verfassungskrise von 2008 kommt, sieht die Vorlage Vorkehrungen für den Fall vor, dass das Staatsoberhaupt seiner verfassungsrechtlichen Rolle nicht gerecht wird.
Über Bord
Dieser Passus wurde in den Entwurf der neuen Verfassung übernommen, der im März im Vorfeld des konsultativen Referendums auf der Internetseite der Abgeordnetenkammer veröffentlicht wurde. Andere Passagen warfen die Verfassungsgeber hingegen wieder über Bord: Der Staatschef wird auch künftig Gesetzestexte verkünden dürfen; auch soll er weiterhin die Richter und Staatsanwälte bestimmen; auch darf er wieder Beamte ernennen – eine Vorkehrung, die im ursprünglichen Entwurf der Regierung vorbehalten war.
Was das Volk von diesem verfassungsrechtlichen Hin und Her hält, darf es am 7. Juni noch nicht sagen. Zur Monarchie wird es nicht befragt, schließlich ist keiner der vier großen Parteien an einer Abschaffung gelegen; seine Meinung kann es aber deutlich beim Referendum über die endgültige Verfassung sagen. Bis dahin werden noch einige Jahre vergehen.
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