Caritas: "Regierung muss Armutsbekämpfung ernst nehmen"
Caritas: "Regierung muss Armutsbekämpfung ernst nehmen"
Genaue Zahlen zur Armut zu bekommen, ist nicht so einfach. „Wie die meisten NGOs müssen wir uns auf Zahlen der statistischen Ämter verlassen“, erklärte am Donnerstag die für Politik und soziales zuständige Caritas-Mitarbeiterin Carole Reckinger. „Diese Zahlen beziehen sich immer auf das vorangehende Jahr“, fügte sie während der Pressekonferenz am Donnerstag. Dementsprechend sind die aktuellsten Zahlen, über die die Wohlfahrtsorganisation verfügt, von 2018.
Während des Lockdowns richtete die Caritas eine Corona-Helpline ein. Diese Möglichkeit der sozialen Unterstützung sollte Menschen einen Ausweg geben, die in dieser Krisenzeit Schwierigkeiten haben, ihre Lebensmittel, Miete, Rechnungen oder Schulden zu bezahlen und sich mit ihren Problemen alleingelassen fühlen. Die statistischen Daten dieser Telefonhotline, die fünf Monate lang aktiv war, helfen einen Einblick zu geben wie Armut in Luxemburg aussieht und wie diese sich entwickelt.
Bilanz
Vom 7. April bis zum 31. August – dem Zeitraum, in dem die Corona-Helpline aktiv war, gingen 445 Anfragen ein. Von diesen Personen hatten 37,04 Prozent die luxemburgische Staatsbürgerschaft und 19,4 Prozent die portugiesische. 860 Personen wurde geholfen, darunter waren 308 Kinder. Die Unterstützung nahm verschiedene Formen an und konnte beispielsweise entweder die einfache Weitergabe von Informationen sein, die Weiterleitung an andere Hilfsorganisationen oder sich in Form einer einmaligen finanziellen Unterstützung darstellen.
Unter denjenigen, die Hilfe erhielten, gab es eine hohe Anzahl an jungen Menschen: 26,6 Prozent waren unter 30 Jahre alt und 32 Prozent zwischen 31 und 40 Jahre alt. 39 Prozent der Antragsteller mit Kindern waren Alleinerziehende.
Von den Personen, die Angaben zu ihrer Beschäftigung machten, arbeiteten 19,2 Prozent im Gaststättengewerbe, 13,8 Prozent als Selbstständige und 9 Prozent im Reinigungsgewerbe. Caritas-Präsidentin Marie-Josée Jacobs erklärte, dass Luxemburg bereits vor der Krise ein Land der steigenden Ungleichheiten war. „Wir stehen bei den working poor, der Erwerbsarmut, in Europa an zweiter Stelle hinter Rumänien“, und betont, „diese Zahlen stammen noch aus der Zeit vor Corona.“
Um die Not zu verdeutlichen, gab die Caritas-Präsidentin ein bildhaftes Beispiel: „Beim Gaststättengewerbe gibt es eine Vielzahl an Menschen, die mithilfe von Trinkgeld ihre Monatsenden abrunden.“ Als diese Einnahme während des Lockdowns wegfiel, kamen viele in finanzielle Schwierigkeiten. Deshalb fordert die Caritas, die aktuell geltenden Regeln, die die Schwarzarbeit betreffen, besser zu kontrollieren. „Wir müssen die Gesetze zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung besser anwenden“, so Reckinger und sagte anschließend: „Die derzeitigen Geldstrafen spiegeln nicht die Schwere der begangenen Verbrechen wider.“
Armut breitet sich aus
Die größte Neuerung: 67 Prozent der eingegangenen Anträge kamen von Einzelpersonen oder Familien, die vor der Krise noch über die Runden kamen. Die Caritas-Präsidentin bezeichnet dieses Phänomen als unsichtbare Armut. „Für viele Personen ist es das erste Mal, dass sie sich an Sozialämter wenden müssen.“ Bei diesen Menschen reiche oftmals die Weitervermittlung an die zuständigen Einrichtungen. „Die langfristigen Probleme sind damit aber nicht gelöst“, so Jacobs.
Forderungen an die Regierung
Um zu verhindern, dass jene Menschen, die sich während des Lockdowns an die Caritas Corona-Helpline gewandt haben, aber auch all denjenigen, die erst in einigen Wochen, Monaten oder Jahren von den wirtschaftlichen Folgen der Gesundheitskrise betroffen sein werden, dauerhaft in Armut zu fallen, ruft Caritas Luxemburg zum Handeln auf und fordert die Regierung zu verstärkten Anstrengungen im Kampf gegen soziale Ungleichheit und Armut.
„Ein sozial gerechter Ausweg aus der Gesundheits- und Wirtschaftskrise ist dringend notwendig“, erklärte die Caritas-Präsidentin Marie-Josée Jacobs und bot mehrere Pisten an. So sollen die bestehenden steuerlichen Ungleichheiten beseitigt werden.
„Löhne werden zu 100 Prozent besteuert, während Kapitaleinkommen zu 50 Prozent besteuert werden“, erklärte Reckinger und fügte an: „Immobilieneinkommen wird teilweise zu 25 Prozent besteuert. In manchen Immobilien-Investmentfonds fallen gar keine Steuern an. Dies ist ungerecht.“ Des Weiteren fordert die soziale Hilfsorganisation die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Auch an der Einkommenssteuertabelle soll man Veränderungen vornehmen. „Die Einkommenssteuer sollte in den unteren Steuerklassen gesenkt und in den oberen erhöht werden“, fordert Carole Reckinger.
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