Luxemburg will auch Grenzgängern zwei Tage Homeoffice ermöglichen
Luxemburg will auch Grenzgängern zwei Tage Homeoffice ermöglichen
Kein Thema war so oft Gegenstand einer Petition wie die Telearbeit. Vor der Pandemie kaum genutzt, ist sie seitdem der Renner.
Sie soll für alle so verallgemeinert werden, dass auch die Grenzgänger an zwei Tagen pro Woche davon profitieren können, war denn auch die Forderung der Petitionärin Katia Sabrina Litim, die damit erstmals schon am ersten Tag das Quorum für eine öffentliche Anhörung erreichte. Ihre 13.892 Unterschriften waren die zweithöchsten, die je erreicht wurden.
Litims Plädoyer am Mittwoch bei der Anhörung war gut argumentiert. Jeder zweite Arbeitsplatz in Luxemburg käme für Telearbeit infrage und 83 Prozent der Betriebe würden es laut einer Studie ihren Mitarbeitern auch gerne zwei Tage pro Woche anbieten. Die Vor- und Nachteile sind bekannt: Arbeitnehmer sind flexibler, stehen weniger im Stau und haben es leichter, Familien- und Arbeitsleben unter einen Hut zu bekommen. Arbeitgeber können sich über motiviertere und zufriedenere Mitarbeiter freuen und können sogar Geld sparen, wenn sie nicht mehr für alle Beschäftigten Büroarbeitsplätze bereitstellen müssen.
Gleichzeitig hat sich aber auch gezeigt, dass die reine Heimarbeit mitunter die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Kollegen hemmt und das Zugehörigkeitsgefühl innerhalb des Unternehmens abnimmt. Zwei Tage pro Woche sei ein guter Kompromiss, meinte Litim.
Besteuerung und Sozialversicherung sind die Hürden
Derzeit sieht das Arbeitsrecht keine Regelung und auch keine Grenzen für die Telearbeit vor. Aber während ein in Luxemburg Wohnhafter theoretisch fünf Tage in der Woche im Homeoffice verbringen kann, unterliegen Grenzgänger steuerlichen und sozialrechtlichen Einschränkungen, die auf bilateralen Abkommen beruhen: Wer als Belgier und Franzose mehr als 34 Tage pro Jahr – als Deutscher mehr als 19 Tage – von seinem Heimatland aus arbeitet, muss dort auch das Einkommen versteuern, bei 25 Prozent liegt die Schwelle, wenn es um den Wechsel in die dortige Sozialversicherung geht. Es laufen aber Diskussionen auf EU-Ebene, die Schwelle auf 41 Prozent anzuheben.
„Das sorgt für ein Ungleichgewicht, Ungleichheit und damit Spannungen zwischen Wohnhaften und Grenzgängern“, betonte Litim. „Eine Gleichbehandlung ist unabdingbar.“ Unverzichtbar sei es auch, damit Luxemburg attraktiv bleibt für Talente. Denn zumal die junge Generation ziehe man nicht mehr nur mit hohen Gehältern an, da brauche es auch gute Arbeitsbedingungen, wie eben die Möglichkeit der Telearbeit. Es gehe zudem um die Gefahr, dass Betriebe dahin abwandern, wo die Gesetzgebung besser ist.
Litim zitierte auch die Studie von Jobs.lu, nach der vier von zehn Befragten aus dem Arbeitsmarkt den Arbeitsplatz wegen mangelnder Flexibilität und der Verkehrsproblematik wechseln wollen. „Manche nehmen solche Stellen gar nicht erst an.“
Und sie verwies darauf, dass durch die Telearbeit 8 Millionen Hin- und Rückfahrten, sprich geschätzte 35 Kilotonnen CO2, eingespart werden könnten.
Luxemburg soll Telearbeit-Pionier in Europa sein und seine Verhandlungen mit den Nachbarländern über Steuer- und Sozialversicherungsfragen beschleunigen.
Katia Sabrina Litim, Petitionärin
Ihre Forderung an die Mitglieder des Petitionsausschusses, des Beschäftigungs- und des Sozialausschusses sowie die drei Minister Georges Engel (LSAP) für Arbeit, Claude Haagen (LSAP) für Sozialversicherung und Yuriko Backes (DP) für Finanzen: Luxemburg soll Pionier in Europa sein und seine Verhandlungen mit den Nachbarländern über Steuer- und Sozialversicherungsfragen in diesem Sinn beschleunigen, damit eine Regelung rückwirkend ab 1. Januar 2023 in Kraft treten kann.
Einigung zur Sozialversicherung mit Deutschland bis Juni
Hier konnte Sozialminister Claude Haagen mit der Nachricht aufwarten, dass mit den Nachbarländern Verhandlungen laufen über die Anhebung der Schwelle von 25 auf 41 Prozent, um die Sozialversicherung des Landes zu behalten, in dem man arbeitet.
„Das wären genau zwei Tage pro Woche, die ein Grenzgänger von seinem Wohnland aus arbeiten könnte. Deutschland und Belgien wollen verhandeln, aus Frankreich fehlt noch die offizielle Bestätigung, aber Verhandlungen über technische Fragen laufen“, verkündete Haagen, der auch eine Einigung mit Deutschland bis Juni in Aussicht stellte. „Mit Belgien sind wir uns einig, dass wir auch bilateral auf diesen Weg gehen werden, wenn von der EU nichts kommt.“
Nicht ganz so positiv sieht es bei der Besteuerung aus, denn Konventionen mit den drei Nachbarländern haben auch Impakt auf deren Beziehungen mit ihren anderen Nachbarländern. Gerade Deutschland, das mit neun Ländern der Staat mit den meisten Nachbarn ist, tut sich schwer, Luxemburg entgegenzukommen. „Wir liegen hier noch bei 19 Tagen im Jahr, mit Belgien und Frankreich bei 34 Tagen“, sagte Backes. Gespräche mit dem deutschen Finanzminister Christian Lindner laufen, es sei aber nicht realistisch auf 30 Tage zu kommen.
Die Besteuerung im Wohnsitzland ist kein Hindernis, Teletravail in Anspruch zu nehmen.
Yuriko Backes, DP-Finanzministerin
„Man darf nicht vergessen, dass es eine Toleranzgrenze ist, die für Geschäftsreisen und Weiterbildungen gedacht war, nicht für Teletravail“, betonte die Finanzministerin und wies darauf hin, dass die Besteuerung aber kein Hindernis sei, Teletravail in Anspruch zu nehmen. Sie würde es begrüßen, wenn das Problem auf EU- und OECD-Ebene diskutiert würde.
Unterausschuss tagt noch
Das Thema Telearbeit war schon 2020 Thema einer Anhörung und einer Parlamentsdebatte, woraufhin ein Unterausschuss eingesetzt wurde. Der Wirtschafts- und Sozialrat wurde zudem mit einem Gutachten befasst und plädierte für eine flexible Lösung ohne Recht auf oder Pflicht zur Telearbeit.
„Der Unterausschuss trifft noch die UEL und die Gewerkschaften“, erklärte der Präsident des Beschäftigungsausschusses, Dan Kersch (LSAP) bei der Anhörung. „Es gibt noch Probleme, die wir mit einem Abkommen zwischen Sozialpartnern regeln wollen. Wir müssen klären, dass dann zusätzliche Rechte nur für die eine Hälfte der Arbeitnehmerschaft geschaffen werden. Es muss zudem genau definiert werden, wer überhaupt Telearbeit machen kann, das ist nicht so einfach. Wir wollen aber noch in diesem Jahr die Arbeit der Unterkommission mit einem Bericht abschließen und eine Orientierungsdebatte durchführen.“
Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
