Asselborn zeichnet ein düsteres Bild der Welt
Asselborn zeichnet ein düsteres Bild der Welt
Sie ist fester Bestandteil der parlamentarischen Agenda. Und wie im vergangenen Jahr zog sich die Pandemie auch diesmal wie ein roter Faden durch die außenpolitische Erklärung von Jean Asselborn (LSAP). Die Corona-Pandemie habe auch die internationale Diplomatie beeinflusst und vor neue Herausforderungen gestellt, so der Außenminister am Dienstag gleich zu Beginn seiner fast zweistündigen Rede im Parlament.
Als Beispiel nannte er das Schengen-Abkommen, das vor allem zu Beginn der Pandemie immer wieder ausgehebelt wurde. Einschränkungen der Personenfreizügigkeit müssten auch in Krisensituationen die Ausnahme bleiben, forderte Asselborn. Zu den negativen Folgen rechnet er zudem, dass die Rechtsstaatlichkeit im Windschatten der Pandemie in einigen europäischen Ländern erheblichen Schaden genommen hat.
Der Außenminister machte aber auch einige positive Entwicklungen aus, wie den europäischen Wiederaufbaufonds, der einen gemeinsamen Ausweg aus der Krise ermöglicht. Er sprach diesbezüglich von einem „Quantensprung der europäischen Integrationsgeschichte“. Die gemeinsame Impfstrategie samt dem in allen EU-Ländern anerkannten Impfzertifikat wertete er ebenfalls als Erfolg.
Allerdings gebe es immer noch Ungleichheiten bei der Verteilung der Vakzine. Während in der Union längst genügend Impfdosen zur Verfügung stehen, sehe die Lage in vielen Ländern der Welt, vor allem in den Entwicklungsländern, trotz der europäischen Unterstützung nach wie vor sehr schlecht aus, so der Chefdiplomat.
Asselborn verwies in dem Kontext auf den luxemburgischen Beitrag bei der Covax-Kampagne. Allein 400.000 Dosen wurden für die Zielländer der nationalen Kooperationspolitik zur Verfügung gestellt.
Wir müssen die Abhängigkeit von strategisch wichtigen Produkten aus dem Ausland so gering wie möglich halten, ohne dabei in Protektionismus zu verfallen.
Jean Asselborn
Asselborn ging in seiner Rede auch auf die erforderlichen Anpassungen bei den Handelsbeziehungen ein. Europa müsse bei wichtigen Gütern autonomer werden: „Wir müssen die Abhängigkeit von strategisch wichtigen Produkten aus dem Ausland so gering wie möglich halten, ohne dabei in Protektionismus zu verfallen.“ Es sei wichtig, die richtige Balance zwischen der wirtschaftlichen Unabhängigkeit und „unfairen Handelspraktiken“ zu finden.
Mehr Nachhaltigkeit
Die Handelsbeziehungen und die entsprechenden Verträge müssen Asselborn zufolge zudem nachhaltiger, sprich klima- und umweltfreundlicher gestaltet werden. Es müsse zudem mehr Wert auf die Menschenrechte gelegt werden. Lieferkettengesetze müssten beispielsweise zum europäischen Standard werden.
Da die Folgen des Klimawandels nicht an den Grenzen der einzelnen Länder haltmache, müsse man globale Lösungen finden: „Europa muss eine führende Rolle beim Klima- und beim Umweltschutz übernehmen“, forderte Asselborn. Der Green Deal sei ein Schritt in die richtige Richtung, nun gelte es aber, die Maßnahmen auch umzusetzen.
Die Transition wird ihren Preis haben, deshalb brauchen wir soziale Kompensationen ... niemand darf zurückgelassen werden.
Jean Asselborn
Allerdings müssten mögliche negative Folgen, mit denen die Bürger durch die grüne Transition konfrontiert werden, unbedingt aufgefangen werden: „Die Transition wird ihren Preis haben, deshalb brauchen wir soziale Kompensationen … niemand darf zurückgelassen werden“, so der Minister mit Nachdruck.
Mit dem Verweis auf die COP26 in Glasgow forderte er aber auch internationale Solidarität ein, um den Ländern, die heute schon am meisten unter dem Klimawandel zu leiden haben, unter die Arme zu greifen.
Im UN-Menschenrechtsrat, dem Luxemburg seit dem 14. Oktober angehört, werde man sich denn auch intensiv für mehr Klimaschutz einsetzen, aber nicht nur. Weitere Ziele sind der Schutz der Rechtsstaatlichkeit sowie der Frauen- und Kinderrechte, betonte der Chefdiplomat.
Blockade bei der EU-Migrationspolitik
Wie zu erwarten nahm auch das Thema Immigration einen breiten Raum in Asselborns Rede ein: „Die Pandemie hat zu einer neuen Angst vor dem Fremden geführt, dadurch ist die Debatte über die Migration noch härter geworden.“ Dass in Europa bei der Suche nach einer gemeinsamen Immigrationspolitik seit Jahren nahezu Stillstand herrscht, hält Asselborn für inakzeptabel und fordert mehr Solidarität ein: „Auch eine Art Chinesische Mauer in Europa würde die Menschen, die vor Elend und Krieg in ihrer Heimat flüchten müssen, nicht aufhalten.“
Die Pandemie hat zu einer neuen Angst vor dem Fremden geführt, dadurch ist die Debatte über die Migration noch härter geworden.
Jean Asselborn
Das Debakel in Afghanistan habe die Situation weiter verschärft. In dem Zusammenhang strich der Außenminister erneut das Engagement des Großherzogtums hervor, sei es bei der Rettungsaktion im Sommer oder danach bei der Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen.
Seit der Machtübernahme der Taliban gestaltet sich die Überprüfung der Asylanträge äußerst schwierig. Deshalb halte man Anträge von Personen aus Afghanistan, die nur geringe Chancen auf das Flüchtlingsstatut haben, vorerst in der Schwebe, bis zusätzliche Informationen vorliegen würden. Abgelehnte Asylbewerber würden schon seit einigen Jahren nicht mehr nach Afghanistan zurückgeschickt, betonte Asselborn weiter. Zwischen Mitte August und Ende Oktober wurden 54 Afghanen als Flüchtling anerkannt.
Eine multipolare Weltordnung
Das Beispiel Afghanistan zeigt aber auch, dass nicht nur die Pandemie die internationale Staatengemeinschaft in den vergangenen zwölf Monaten stark verändert hat. Das Machtgefüge zwischen den Staaten habe sich verlagert, so Asselborn. Der Außenminister sprach diesbezüglich von einer Rückkehr in eine „multipolare Welt“.
Um nicht zwischen Mächten wie China, Russland und den USA zerrieben zu werden, brauche es mehr Europa, und nicht weniger. Auch bei der Sicherheitspolitik dürfe die Union nicht „bei jeder Krise ängstlich auf die USA oder die NATO schielen“. Die EU müsse in Sicherheits- und Verteidigungsfragen auf eigenen Füßen stehen. Die EU müsse insgesamt handlungsfähiger werden, damit sie ernst genommen werde und mitreden könne. Nur so könne die Union in der multipolaren Welt bestehen: „Wir brauchen ein Europa, das an sich selbst glaubt.“
In Bezug auf die USA zeigte sich Asselborn zufrieden, dass es nach dem Amtsantritt von Präsident Biden wieder zu einer Normalisierung der Beziehungen gekommen ist. Das Vertrauen zwischen der EU und Russland sei hingegen weiterhin gering, bedauerte er. Auch das Verhältnis zu China gestalte sich recht schwierig. China sei sowohl ein Partner der EU als auch ein Konkurrent. Asselborn prangerte einmal mehr die Menschenrechtsverletzungen in China an, die bei den Verhandlungen nicht einfach ignoriert werden dürften.
Auch wenn in Europa zurzeit nicht alles rund laufe, so habe die Union für die Beitrittskandidaten indes nichts von seiner Attraktivität verloren, erklärte Minister Asselborn weiter. Allerdings müssten sie den europäischen Wertekanon respektieren. Länder wie beispielsweise die Balkan-Staaten hätten es daher selbst in der Hand, wann sie in die Union aufgenommen werden. Die Reformen würden aber leider nicht so schnell umgesetzt, wie man sich dies erhofft habe.
Was die Türkei anbelangt, zeigte sich Asselborn pessimistisch. Die Situation bei den Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit lasse immer mehr zu wünschen übrig. Zum selben Schluss kam er auch hinsichtlich der Lage in Belarus. Präsident Lukaschenko benehme sich wie ein „Räuber“ und instrumentalisiere Flüchtlinge, die ihre Heimat verlassen mussten, um die EU zu erpressen. Die push backs, an den europäischen Außengrenzen verurteilte er ebenfalls scharf.
Was die „traditionellen“ Krisenherde in der Welt anbelangt, zeigte sich der Außenminister eher pessimistisch. Vor allem in Afrika seien Putsche und Menschenrechtsverletzung leider immer noch an der Tagesordnung. Besonders in Äthiopien habe sich die Lage in den vergangenen Tagen noch einmal zugespitzt.
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