"An europäischer Solidarität kommen wir nicht vorbei"
"An europäischer Solidarität kommen wir nicht vorbei"
Von Christoph Bumb
Angesichts der Äußerungen seines Partei- und Kabinettskollegen Nicolas Schmit bekräftigt Außenminister Jean Asselborn seine Position zur EU-Flüchtlingspolitik. Im Gespräch mit dem "Luxemburger Wort" sagt er, dass er die Debatte gerne führe, aber man dürfe "nicht die Dinge durcheinander werfen". Beim Thema Flüchtlingspolitik seien stets "Ängste, Emotionen und Parteiinteressen" im Spiel. Deshalb müsse man seine Worte mit Bedacht wählen.
Die Verhandlungen auf EU-Ebene seien schwierig, gibt Asselborn zwar zu. Es sei aber falsch, wenn man sagt, dass seit dem Ausbruch der akuten "Flüchtlingskrise" im Jahre 2015 nichts passiert sei. "Nicht die EU hat versagt, sondern einige Staaten der EU verweigern sich nach wie vor der europäischen Solidarität, die zur Bewältigung der Krise nötig ist", so der Außenminister.
Asselborn widerspricht Forderung nach Kurswechsel
Dennoch sei man bei wichtigen Punkten wie dem Schutz und der Kontrolle der EU-Außengrenzen vorangekommen. Die "Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache" (Frontex) sei mit 1.500 neuen Polizisten aus den EU-Staaten verstärkt worden, das "Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen" (EASO) mit 500 neuen Kräften. Ebenso setze er sich persönlich mit Nachdruck dafür ein, dass die EU-Mitgliedstaaten "mehr Solidarität und Verantwortung" zeigen, so Asselborn.
In einem Interview mit dem "Luxemburger Wort" hatte sich Arbeitsminister Nicolas Schmit für einen Kurswechsel in der Flüchtlings- und Asylpolitik der EU ausgesprochen. Vor allem beim künftigen Management der EU-Einwanderungspolitik vertritt Schmit eine dezidierte Meinung. Die Aufnahmekapazität der EU für Flüchtlinge sei begrenzt und die EU habe in der Flüchtlingskrise versagt. Künftig müsse man Asylbewerber "in deren Ländern abfertigen, also ihre Asylanträge bearbeiten bevor sie überhaupt in die EU kommen"; er hege in dieser Frage mittlerweile "eine gewisse Sympathie für das, was Österreichs Regierung vorschlägt", so Schmit.
Im Wortlaut des besagten Interviews sagte Schmit übrigens: "Di Leit, déi Protektioun brauchen, an vläit och déi, déi wëllen immigréieren, musse mer ofklären, éier si an der Europäescher Union sinn. An dofir hunn ech eng gewëssen Sympathie fir dat, an do schockéieren ech elo, mee ech maachen dat natierlech och bewosst, wat déi Éisterraicher do soen."
"Falsch, unmenschlich, nicht praktikabel"
Jean Asselborn entgegnet seinem Parteifreund, dass diese Forderung derzeit "nur von Ungarn" so als offizielle Regierungsposition vertreten werde. Die "Externalisierung" der Asylanfragen werde von allen anderen EU-Staaten, ebenso vom Europäischen Parlament sowie vom "Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen" abgelehnt.
Zudem zweifelt der Außenminister "aus langer Erfahrung" an der Umsetzbarkeit der Forderung. "Ich weiß das, weil wir uns damit immer wieder in europäischen Gremien beschäftigen." Europa dürfe diesen Weg nicht einschlagen, weil er "falsch, unmenschlich und nicht praktikabel" sei, betont Asselborn. "Ich brauche hier keine Lektionen." Ebenso sei ein Kurswechsel der luxemburgischen Regierung mit ihm nicht zu machen.
"Ich gebe die Hoffnung nicht auf"
Der Außenminister plädiert hingegen für eine mittel- bis langfristige Strategie. Mittelfristig müsse man mit Staaten im Nahen Osten und Nordafrika ähnliche Vereinbarungen eingehen wie mit der Türkei. Der "Türkei-Deal" vom März 2016 sei laut Asselborn zwar "nicht das Gelbe vom Ei", aber letztlich ein wirksamer und realistischer Lösungsansatz.
Langfristig komme die EU aber nicht an einem ambitionierten Quotensystem vorbei. Dabei sei auch ein legales Migrationsmodell der "migration consulaire" möglich, das für Anträge in den Herkunftsländern klare Kriterien zur Einreise und eben Quoten zur Aufnahme von Asylbewerbern für die EU-Staaten festlegt. Asselborn spricht in diesem Zusammenhang von einer möglichen Zahl von "300 000 Flüchtlingen", die die EU pro Jahr in einem solchen geordneten europäischen Asylsystem aufnehmen könnte.
Dass der Weg zur europäischen Solidarität aussichtslos sei, denkt Asselborn dabei nicht. Jene Staaten, die wie Luxemburg eine "menschliche, solidarische EU-Politik" vertreten, müssten aber vielleicht kreativer werden, um die Blockierer der "Visegrad"-Staaten - Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn - zu einer Einigung zu bringen. Konkreter wird Asselborn an dieser Stelle nicht, sagt aber: "Ich gebe die Hoffnung nicht auf, denn an mehr Solidarität kommen wir nicht vorbei." Zudem könne sich Europa "nur gemeinsam verändern".
"Große Kontinuität unter den Parteien"
Auch in Bezug auf Luxemburg rät der Außenminister zu einer sachlichen Debatte. Er denke weiterhin, dass in der luxemburgischen Flüchtlingspolitik "große Einigkeit und große Kontinuität" vorherrsche. Diese basiere auf drei Pfeilern: "Internationale Solidarität, Menschlichkeit und dem Gesetz." Alle Parteien würden hier auch schon vor dem Regierungswechsel 2013 an einem Strang ziehen, sagt Asselborn.
Man müsse dabei unbedingt unterscheiden zwischen gewöhnlicher Einwanderung, Migranten mit Flüchtlingsstatut und Asylbewerbern, die entweder noch auf eine Entscheidung warten oder abgelehnt wurden. Letztere würden auch in der Logik des sogenannten Dublin-Verfahrens zügig in jene Mitgliedstaaten der EU zurückgeschickt, in denen sie ihren Asylantrag gestellt haben.
Damit reagiert Asselborn auch auf Äußerungen von Familienministerin Corinne Cahen (DP), die auf "RTL Radio" sagte, dass die "Dubliner" im Grunde "nichts hier verloren" hätten und deshalb "so schnell wie möglich das Land wieder verlassen" müssten. In Zukunft müsse man sicherstellen, dass Migranten, die nur das System ausnutzen wollen, erst gar nicht bis nach Luxemburg kommen. Ebenso wie Asselborn betonte Cahen aber auch, dass Kriegsflüchtlinge weiterhin auf Luxemburgs Hilfsbereitschaft zählen können und aufgenommen werden.
In einem Punkt sei man sich aber wohl einig, sagt Asselborn abschließend: "Als gute Demokraten dürfen wir das sensible Thema Flüchtlinge und Asylpolitik nicht den Populisten überlassen."
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