"An der Realität vorbei"
"An der Realität vorbei"
(ml) - Die derzeitige Flüchtlingslage stelle für Luxemburg kein Novum dar, sagte Integrationsministerin Corinne Cahen am Donnerstag im Parlament. Weniger als 2.500 Personen haben in diesem Jahr hierzulande einen Asylantrag gestellt. 1999 waren 3.000 Flüchtlinge registriert worden.
Bis Mitte kommenden Jahres sollen vier Containerdörfer in Steinfort, Junglinster, Diekirch und Mamer errichtet werden. Im Vorfeld fanden bereits Informationsversammlungen statt. Viele Bürger zeigten sich skeptisch und besorgt. "Ich habe zum Teil Verständnis für diese Vorbehalte innerhalb der Bevölkerung", sagt Sergio Ferreira, Sprecher des luxemburgischen Flüchtlingsrats. Täglich würden die Menschen mit Bildern von fliehenden Menschen überflutet werden. Diese Bilder würden sich in den Köpfen festsetzen.
Außerdem würden viele Gerüchte und Fehlinformationen in Bezug auf Einwanderungsfragen verbreitet werden. Die Tatsache, dass die Flüchtlingskrise und die Terrorgefahr über einen Kamm geschert würden, trage dazu bei, dass viele Bürger Schwierigkeiten hätten, sich zurecht zu finden. Um dem entgegenzutreten, gebe es nur ein Heilmittel, betont Ferreira. Die Menschen hierzulande sollen den direkten Kontakt mit den Flüchtlingen suchen. In den vergangenen Monaten sei bereits eine Welle der Solidarität durchs Land gezogen.
Die neuen Asylbestimmungen, die im parlamentarischen Endspurt von den Abgeordneten verabschiedet wurden, stellen den luxemburgischen Flüchtlingsrat (LFR) nur halbwegs zufrieden. Die Asylgesetze, mit denen EU-Richtlinien umgesetzt werden, würden an der Realität vorbeigehen und seien schon beim Inkrafttreten längst überholt, heißt es.
Eine der Neuerungen sieht vor, dass Asylbewerber bereits nach sechs Monaten statt wie bisher neun Monaten einen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. "Es handelt sich um einen positiven Schritt, der jedoch nicht ausreicht", betont LFR-Sprecher Sergio Ferreira. In der Praxis sei alles viel komplizierter. Derzeit seien sechs Verwaltungsschritte nötig, um eine vorübergehende Arbeitserlaubnis zu erlangen, so Ferreira, der für einen Abbau der bürokratischen Hürden eintritt.
Seiner Ansicht nach sollte man dazu übergehen, dass nicht die Arbeitgeber, sondern die Asylbewerber bei der Adem einen Antrag stellen, um die "autorisation d'occupation temporaire" (AOT) zu bekommen. Des Weiteren schlägt er vor, in Zusammenarbeit mit den Berufskammern eine Art Patenschaft in den Unternehmen ins Leben zu rufen. Ziel sollte es sein, die beruflichen Fachkenntnisse der Asylbewerber auszuloten, um ihnen Ausbildungsplätze in den Betrieben anzubieten.
Verpasste Chance
Ursprünglich wollte die Regierung Schutzsuchenden nach sechs Monaten 450 Euro für jeden Erwachsenen und 265 Euro für jeden Minderjährigen auszahlen, wenn die Betroffenen an einem Begleitprogramm teilnehmen. Der Flüchtlingsrat bedauert, dass diese Maßnahme, die den Asylbewerben mehr Autonomie gewährleisten sollte, kurzfristig zurückgezogen wurde und spricht von einer "verpassten Chance".
Der Staatsrat hatte Einwände eingereicht und sprach sich dafür aus, dass der "projet d'accompagnement" präziser definiert wird. Die Vorbehalte der Hohen Körperschaft seien teilweise nachvollziehbar, so Ferreira. Dennoch hofft er, dass das Familienministerium und das Parlament in den kommenden Monaten eine Lösung finden werden, die den Kriterien des Staatsrats Rechnung tragen wird.
Asylbewerber, denen das Essen und die Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, erhalten derzeit monatlich 25 Euro (pro Erwachsenen) und 12 Euro (pro Kind). Dieses Konzept benachteilige die Betroffenen, da sie mit den Gutscheinen ihre Lebensmittel und Hygiene-Artikel nur an bestimmten Stellen besorgen können, die die Waren nicht immer zu den günstigsten Preisen anbieten würden, unterstreicht der LFR-Sprecher.
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