Altenbetreuung: Luxemburg ist strenger und kontrolliert
Altenbetreuung: Luxemburg ist strenger und kontrolliert
Personalmangel, Essensrationierung und Bewohner, die stundenlang in ihren eigenen Exkrementen liegen – in Frankreich schlägt ein Skandal in der Altenpflege hohe Wellen: Der freie Journalist Victor Castanet schildert in seinem Mitte vergangener Woche veröffentlichten Buch „Les Fossoyeurs“ („Die Totengräber“) schwere Missstände in einer Altersresidenz des Betreibers Orpéa.
Dieser wird im März auch hierzulande in Merl eine Pflegeeinrichtung eröffnen, für die am 18. Januar offiziell eine Betriebsgenehmigung beim Familienministerium angefragt wurde, eine zweite soll wohl in Strassen eröffnet werden. Daneben entsteht in Merl auch eine reine Seniorenresidenz.
Strenge gesetzliche Auflagen
Das war Grund genug für den CSV-Abgeordneten Marc Spautz, um Familienministerin Corinne Cahen (DP) am Montag in die Familienkommission einzuladen. Er zeigte sich im Anschluss zufrieden mit den Erklärungen.
„Der Anbieter kann aufgrund von EU-Recht nicht abgelehnt werden. Wir haben in Luxemburg allerdings strenge gesetzliche Bedingungen für die Betreibung eines Pflegeheims. Nun sind wir gespannt, ob alle Auflagen erfüllt werden, diese Diskussionen laufen“, sagte Spautz auf Nachfrage. Da das neue ASFT-Gesetz auf dem Instanzenweg sei, wäre es gut, direkt auch auf die neuen Anforderungen hinzuweisen.
Möchte der Anbieter, dass seine Leistungen mit der Pflegeversicherung abgerechnet werden können, was zumeist die Hälfte der monatlichen Kosten ausmacht, die andere Hälfte sind Heimkosten, muss er sich diesen Auflagen stellen. Für Cahen war gestern klar: „Schon die derzeitigen gesetzlichen Anforderungen an etwa die Räumlichkeiten, die Hygiene, das Personal sind sehr anspruchsvoll und strenger als in Frankreich."
Kontrollen vom Ministerium und der Pflegeversicherung
Daneben gebe es Kontrollen sowohl vom Ministerium als auch von der Pflegeversicherung. Allein das Ministerium schaue einmal pro Jahr nach dem Rechten und auch dazwischen spontan. „Wir arbeiten gerade bei der Qualitätskontrolle ganz eng mit der Pflegeversicherung zusammen“, betonte Cahen.
Von deren Seite aus werde zudem überprüft, ob es zu wund gelegenen Stellen und Druckgeschwüren, zu Stürzen und übermäßigen Gewichtsverlusten kommt - alles Anzeichen für möglichen Personalmangel oder Sparmaßnahmen.
In Luxemburg sind die Alters- und Pflegeeinrichtungen bislang noch nicht in den Händen solch großer Unternehmen wie Orpéa. Dieses bietet in Frankreich auch Altersresidenzen im Luxussegment an, die bei monatlichen Kosten von bis zu 12.000 Euro liegen.
In welcher Preisklasse die Zimmer in Merl liegen sollen, ist bislang nicht bekannt - Preistransparenz wird ohnehin erst mit dem neuen Gesetz eingeführt. „Wir haben vor anderthalb Jahren die Pläne gesehen, die den räumlichen Anforderungen des Gesetzes entsprechen. Jetzt prüfen wir all den Rest“, sagt Cahen.
Skandal hat schon Auswirkungen
Mit rund 350 Einrichtungen ist der börsennotierte Konzern Orpéa der zweitgrößter Heimbetreiber in Frankreich, aber nur ein Teil des Jahresumsatzes von zuletzt rund vier Milliarden Euro entfällt auf den Heimatmarkt: Orpéa zählt rund 1.100 Pflegeeinrichtungen mit 70.000 Mitarbeitern in 23 Ländern. In Deutschland ist der Konzern mit 143 Heimen viertgrößter Betreiber.
Wurden die Anschuldigungen aus dem Buch anfangs noch scharf zurückgewiesen, teilte der Konzern später mit, zwei Unternehmen mit der Durchführung einer unabhängigen Bewertung zu beauftragen. Und nach einem heftigem Kurssturz an der Börse – der Aktienkurs von Orpea hatte sich im Laufe der vergangenen Woche halbiert, rund drei 3 Milliarden Euro an Börsenwert wurden vernichtet und der Handel war zwischendurch ausgesetzt worden – setzte der Verwaltungsrat am Sonntagabend seinen Generaldirektor vor die Tür.
Zugleich wurde mit sofortiger Wirkung der bisherige Verwaltungsratschef Philippe Charrier an die Konzernspitze berufen mit der Aufgabe, „sicherzustellen, dass im gesamten Unternehmen Best Practices angewendet werden und die Vorwürfe vollständig aufgeklärt werden“. Für Frankreichs Pflegesystem könnte der Skandal weitreichende Folgen haben.
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