Ärzte wollen Konvention kündigen
Ärzte wollen Konvention kündigen
Aufgebracht waren sie, die fast 400 Ärzte, die sich am Mittwoch zur außerordentlichen Generalversammlung der Ärztevereinigung AMMD eingefunden hatten. Der Unmut über die Gängelung durch Politik, CNS und Sozialversicherung brach sich so heftig Bahn, dass sogar die AMMD-Spitze überrascht war. Ohne Gegenstimmen, nur mit zwei Enthaltungen bei dem ein oder anderen Punkt, wurden sechs – teils noch bei der Versammlung verschärfte – Anträge (siehe unten) verabschiedet.
Sie kommen einem Befreiungsschlag aus einem System gleich, das es den Ärzten und Zahnärzten nicht mehr erlaubt, „dem Patienten das an Behandlung geben zu können, was er braucht“, wie AMMD-Präsident Alain Schmit sich gestern ausdrückte. „Wir haben ein klares Mandat, die Anträge einzufordern.“
Wir haben großen Gesprächsbedarf mit dem Minister.“
Schmit gab sich Mühe, zunächst einmal das System zu erklären: Das Arzt-Patienten-Verhältnis, für das die CNS über Gesetze, Statuten, die Konvention und die Nomenklatur den Rahmen setzt sowie die Aufgaben des kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherung: „Er spielt eine zentrale Rolle als Filter, kontrolliert, ob der reglementarische Rahmen respektiert wird, agiert aber autoritär, unangebracht und nicht mehr im Interesse des Patienten“, sagte Schmit.
Dazu kommen die bekannten Kritiken, wie die veralteten Nomenklaturen oder Leistungseinschränkungen über Statutenänderungen, die von einem Direktionskomitee ohne medizinische Fachkenntnisse getroffen werden.
Mitten in der Pressekonferenz wurde dann von RTL gemeldet, dass Sozialminister Romain Schneider im Parlamentsausschuss gesagt habe, die AMMD verweigere jeden Dialog mit ihm. „Das stimmt nicht – wir haben sogar großen Gesprächsbedarf mit dem Minister – nur nicht über den allgemeinen Tiers payant“, stellte Schmit klar. Dass der Minister am 30. April den Abgeordneten gegenüber ankündigte, er habe immer gesagt, er sei bereit, „wenn wir nicht anders vorankommen, auch hinzugehen und eine Gesetzesänderung zu machen, um den Tiers payant einzuführen“, brachte das Fass zum Überlaufen. „Damit unterhöhlt er die Konvention, die wir mit der CNS haben – oder er steht selber nicht mehr zur Konvention“, sagte Schmit.
Der allgemeine Tiers payant sei ein No-Go für die Ärzte, weil er der CNS ein weiteres Werkzeug in die Hand gebe, Restriktionen in der Medizin durchzusetzen. „Wir können aber gerne über den Zugang zur Medizin diskutieren und wie man ihn oder auch den sozialen Tiers payant verbessern kann. Oder warum nicht die Eigenbeteiligung von sozial Schwachen auf Null setzen?“
Die sechs Anträge im Überblick:
- Die AMMD zieht sich aus dem aktuellen System der verpflichtenden und automatischen Konventionierung zurück.
- Die AMMD prangert die Einmischungen der CNS in die Therapiefreiheit, die Konvention und die Nomenklatur über Statutenänderungen an.
- Die AMMD fordert ein externes Audit über das Funktionieren des kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherung.
- Die AMMD spricht sich für eine Änderung des gesetzlichen Rahmens, der Konvention und der Statuten aus, wobei festgehalten wird: Ärzten und Zahnärzten steht Therapiefreiheit zu und die Definition, was „l'utile et le necesaire“ ist, ergibt sich einzig und allein aus dem Gespräch zwischen dem Patienten und seinem behandelnden Arzt; Die CNS definiert einen Rückerstattungssatz für die Leistungen der Ärzte und Zahnärzte; Der allgemeine Tiers payant ist ein absolutes No-Go.
- Bis die notwendigen Gesetzes-, Verordnungs- und Konventionsänderungen vorgenommen sind, werden die Ärzte und Zahnärzte die bestehenden Lücken des Gesundheitssystems nicht mehr kompensieren.
- Die AMMD zieht sich bis zur Klärung dieser unhaltbaren Situation aus der Nomenklaturkommission zurück.
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