Ärzte- und Personalmangel: Erste Alarmzeichen
Ärzte- und Personalmangel: Erste Alarmzeichen
Ärzte und Pfleger warnen schon länger: Uns fehlt der Nachwuchs! Nun bestätigt eine Studie: Noch gibt es keinen Mangel, zumindest musste noch kein medizinisches Angebot geschlossen werden, punktuell gibt es aber sehr wohl Probleme und langfristig gesehen verlangt die demografische Entwicklung nach Initiativen, um eine inakzeptable Situation zu vermeiden.
Erste Alarmzeichen sind da: Die Zahl der Hausbesuche sinkt, immer mehr Ärzte nehmen keine neuen Patienten mehr an, die Wartezeiten auf einen Arzttermin steigen und es gibt Schwierigkeiten, Hausärzte für die Pflegeheime zu finden. Luxemburgs Versorgung mit Gesundheitspersonal im weitesten Sinn ist daneben extrem abhängig vom Ausland.
Im Moment ist der Bedarf noch gedeckt
647 Professionelle und 129 Organisationen aus dem Gesundheitswesen haben sich an der von Gesundheitsminister Etienne Schneider (LSAP) im vergangenen Dezember in Auftrag gegebenen Studie beteiligt: Es geht um eine Bestandsaufnahme der Mediziner und Gesundheitsberufler, um die Frage des Bedarfs in den nächsten Jahrzehnten und schließlich die Wege, wie man diesen abdecken kann.
"Die Bevölkerung ist bei guter Gesundheit und das medizinische Personal ist in den vergangenen Jahren gestiegen - im Moment ist der Bedarf noch gedeckt", sagte Schneider am Montag, als er die Studie zusammen mit Studienleiterin Marie-Lise Lair vortsellte. 17 595 Personen kümmern sich um die Patienten, davon 15 062 Gesundheitsberufler, wie Pfleger (50 Prozent), Hilfspfleger (25 Prozent), Physiotherapeuten (acht Prozent) oder auch Sozialhelfer und 2 331 Ärzte, von denen aber nur knapp 2 000 hauptberuflich tätig sind.
Wir bekommen mit den jungen Ärzten aus Luxemburg, die in der Ausbildung sind unseren Bedarf nicht gedeckt.
Etienne Schneider
Das Problem ist, dass das Land nicht autonom ist, denn 62 Prozent der Gesunheitsberufler kommen von jenseits der Grenzen und nur noch 51 Prozent der Ärzte sind Luxemburger. Die Versorgung hängt also auch von der Politik der Nachbarländer ab, denn werten diese die Berufe auf, bekommt Luxemburg das Nachsehen. "Wir bekommen mit den jungen Ärzten aus Luxemburg, die unterwegs sind unseren Bedarf nicht gedeckt", mahnte Schneider.
Starke Rekrutierungsprobleme
Seit Jahren steigt die Zahl der ausländischen Mediziner, die von immer weiter entfernten Ländern kommen. Headhunter werden eingesetzt, es gibt nur noch selten spontane Kandidaturen und deren Qualität sinkt und es braucht bis zu drei, vier Jahren, um einen neuen Arzt zu finden. In 28 Fachrichtungen ist es sehr schwierig geworden, Nachwuchs zu finden.
Gründe für die Rekrutierungsprobleme sind: Luxemburg hat keine Universitätsklinik zur Ausbildung und bietet auch keine komplette Medizinerausbildung an, die Nomenklatur der Leistungen ist reformbedürftig und auch die hohen Immobilienpreise spielen mit. Manche kompetenten Kandidaten scheitern auch an den Sprachanforderungen.
"Eine Hürde ist auch, dass man bei der freiberuflichen Art, wie hier der Beruf in den Krankenhäusern und als Niedergelassener größtenteils ausgeübt wird, kein garantiertes Einkommen angegeben werden kann - das schreckt ab", erklärte Lair. "Die Einkünfte hängen wesentlich davon ab, wie hoch der Arbeitseinsatz ist und sie schwanken stark je nach Fachrichtung."
Bis 2034 gehen bis zu 71 Prozent der Ärzte in Pension
Dabei werden die Abgänge der Ärzte bis 2034 enorm sein und bei zwischen 59 Prozent (bei Pension ab 60 Jahren) und 71 Prozent (bei Pension ab 65) liegen. Bei den Fachärzten liegt der Prozentsatz des Schwundes bei 55 bis 87 Prozent je nach Fachrichtung. Dazu kommt, dass jeder der "alten" Ärzte mit 1,3 jungen Ärzten ersetzt werden muss - das ist der Vereinbarkeit der Familie mit dem Beruf geschuldet, auf die junge Generationen, vor allem die immer zahreicheren Ärztinnen, heute Wert legen.
Auch bei den Gesundheitsberufen werden 40 Prozent oder 6 000 Personen in Rente gehen, davon werden 4 000 Pfleger zu ersetzen sein. Luxemburg gehört zu den drei von 28 EU-Ländern, die noch kein Abitur für Pflegeberufe verlangen und es werden generell zu wenig Pfleger ausgebildet. So fehlen spezialisierte Fachkräfte und auch Personal für die Ausbildung, das diplomiert sein muss. Es müsse also mehr und qualifizierter ausgebildet werden - Abitur und Bachelor-Ausbildung - und es müsse mehr für den Beruf geworben werden, hieß es am Montag.
Nationaler Aktionsplan in Aussicht gestellt
"Das Funktionieren des Gesundheitssystems wird von unserer Fähigkeit abhängen, in Realzeit die Verfügbarkeit des notwendigen Personals und die Qualität der Professionellen, die auf den Arbeitsmarkt kommen, abzusichern", sagte Schneider.
Wir müssen die medizinischen Berufe aufwerten, dafür sensibilisieren und ihnen das Berufsleben attraktiver gestalten.
Etienne Schneider
Die Studie wird nun den Vereinigungen der Ärzte und Zahnärzte sowie der Gesundheitsberufe im Detail vorgestellt. Schneider möchte nun auch direkt mit den Vertretern aus dem Medizin- und Pflegesektor zusammenkommen: "Ich möchte die Zusammenarbeit suchen, um einen nationalen Aktionsplan auf die Beine zu stellen, wie wir kurzfristig und mittelfristig vorgehen können."
"Gesundheitstisch" noch in diesem Jahr
Und auch der "Gesundheitstisch", den Schneider noch in diesem Jahr einberufen will, wird sich nun mit der Studie befassen. Auf die Kosten angesprochen stellte Schneider in Aussicht, dass er sich hier nicht davon abschrecken lassen will. "Was sind die Bedürfnisse? Das wissen wir jetzt. Wie bekommen wir sie umgesetzt? Das schauen wir am Gesundheitstisch und mit den Akteuren. Und dann erst schauen wir, was es kostet. Im Bereich der Gesundheit sollte dies der Weg sein und nicht wie sonst üblich schauen, was man sich leisten kann und dann entsprechend handeln."
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