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Eine Dachterrasse in London. Blauer Himmel, angenehme Temperaturen. Zwei Männer in Anzügen rauchen. Und in der Mitte: Xavier Bettel, Premierminister von Luxemburg. Er stellt sich den Fragen der mitgereisten Luxemburger Journalisten. Denn Brexit ist nicht nur eine britische Angelegenheit, es geht auch um die finanziellen und wirtschaftlichen Interessen des Großherzogtums.
„Wir sind nicht hier, um zu verhandeln“, stellt Bettel klar, wohl wissend, dass dieses Mandat lediglich dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier vorbehalten ist. „Aber wir wollen uns austauschen, um endlich zu verstehen, was Theresa May will.“ Bis jetzt hat die britische Premierministerin nämlich noch nahezu kategorisch sämtliche Vorstellungen der EU, wie ein Brexit aussehen könnte, verworfen – gleichzeitig ist aber auch nicht ganz klar, wie sie sich den Brexit eigentlich vorstellt. Es heißt, sie würde aktuell mehr innerhalb der konservativen Partei der Tories verhandeln als mit Brüssel.
In der vergangenen Wochen hat EU-Ratspräsident Donald Tusk, in Luxemburg neben Xavier Bettel, die Lösung eines Freihandelsabkommens vorgeschlagen ähnlich wie CETA mit Kanada. Das sei die letzte Option, so Tusk, weil London sowohl den EU-Binnenmarkt wie auch die Zollunion verlassen möchte.
Abkommen über Finanzdienste
Luxemburg steht dabei hinter der europäischen Vorstellung: „Keine Rosinenpickerei“. Das heißt, das Vereinigte Königreich könne sich nicht ein Abkommen mit gewissen Vorzügen à la carte zusammenschustern. Dennoch will Luxemburg auch nicht die wichtigen finanziellen Beziehungen zu London kappen. Demnach sollen im Abkommen auch die finanziellen Dienste mitverhandelt werden – ein Novum, da bis jetzt Dienstleistungen in derartigen Abkommen nicht vorhanden sind. Allerdings muss Luxemburg dafür noch europäische Allianzen finden, da Länder wie etwa Frankreich ausgeschlossen haben, dass die finanziellen Dienstleistungen mitverhandelt werden.
Theresa May selbst ist da deutlich forscher: „London hat die finanziellen Dienstleistungen als rote Linie bezeichnet“, so Bettel. May sei zwar nicht in der Position rote Linien zu ziehen, allerdings kann sich Luxemburg damit doch anfreunden. Denn das Abkommen dürfe nicht Luxemburg bestrafen, bzw. vernachlässigen, so der Premier weiter.
Das sieht Nicolas Mackel von Luxembourg for Finance ähnlich. Der Brexit hat keine Vorteile und wird allen schaden, so Mackel, aber es werden dennoch einige Unternehmen nach Luxemburg kommen. Bereits jetzt haben einige Unternehmen im Versicherungsbereich den Weg nach Luxemburg gesucht. Mackel glaubt jedoch nicht, dass es zu einem großen Wettbewerb nach dem Brexit komme, an dessen Ende Großbritannien sich „in eine Steueroase verwandelt“.
Mackel hatte sich mit Bettel am Nachmittag mit führenden Finanzunternehmen getroffen, um deren Anliegen zu hören. Theresa May betonte beim gemeinsam Statement mit Xavier Bettel: „Wir wollen die Europäische Union, jedoch nicht Europa verlassen.“ Es gelte weiterhin, enge Beziehungen zu bewahren. Bettel verwies auf die 1.000 Luxemburger, die aktuell in Großbritannien leben und deren Anliegen man vertreten will.
Am kommenden Donnerstag und Freitag treffen sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel, um über die Strategie der EU in den Brexit-Verhandlungen zu beraten. Schon dann könnte sich abzeichnen, wie viele Staaten die Meinung von Xavier Bettel und Nicolas Mackel in Bezug auf Finanzdienstleistungen als Teil des Abkommens teilen. Am Rande der Gespräche heißt es gar, dass man davon ausgehen kann, dass beide Seiten dort wohl nach einer langen Blockade aufeinander zugehen werden.
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