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Rekordbudget von 26 Milliarden Euro unter der Lupe
Politik 7 Min. 14.12.2022
Debattenmarathon zum Haushalt 2023

Rekordbudget von 26 Milliarden Euro unter der Lupe

Finanzministerin Yuriko Backes (DP) verteidigte am Mittwoch ihr Haushaltsgesetz 2023. Es weist 2,8 Milliarden Euro Defizit beim Zentralstaat auf - das gab es erst einmal vorher bei der Bankenrettung während der Finanzkrise.
Debattenmarathon zum Haushalt 2023

Rekordbudget von 26 Milliarden Euro unter der Lupe

Finanzministerin Yuriko Backes (DP) verteidigte am Mittwoch ihr Haushaltsgesetz 2023. Es weist 2,8 Milliarden Euro Defizit beim Zentralstaat auf - das gab es erst einmal vorher bei der Bankenrettung während der Finanzkrise.
Guy Jallay
Politik 7 Min. 14.12.2022
Debattenmarathon zum Haushalt 2023

Rekordbudget von 26 Milliarden Euro unter der Lupe

Die Opposition rechnet mit zehn Jahren blau-rot-grüner Politik ab, die Mehrheitsparteien bescheinigen der Regierung zukunftsorientiertes politisches Handeln.

Von Michèle Gantenbein und Annette Welsch 

Es waren die letzten Haushaltsdebatten in dieser Legislatur: Am Mittwoch begann Gilles Roth für die CSV den Reigen der Parteien. Er nutzte die Plattform für eine Abrechnung mit der zehnjährigen (Finanz-)Politik von Blau-Rot-Grün, die er als „leere Politik mit leeren Versprechen“ bezeichnete. Denn im Gegensatz zu den Ansprüchen bei Amtsantritt „waren die Staatsschuld, die Wohnungspreise, die Steuerlast und das Armutsrisiko noch nie so hoch und man stand noch nie so lange im Stau. Es gibt keine Strategie, Vision und Kohärenz beim Schaffen von bezahlbarem Wohnraum“, beklagte Roth und zählte die zehn Wohnungsbauvorschläge der CSV auf.


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Mit einer Steuertabelle, die nicht an die fünf Indextranchen seit 2017 angepasst wurde, zahlten die Leute immer mehr Steuern, aber der Staat bekomme die Enden dennoch nicht zusammen. „Die Staatsfinanzen sind aus dem Ruder gelaufen und es fehlt eine Strategie, um das Ruder wieder herumzureißen.“ Gerade die breite Mittelschicht sei die Milchkuh der Nation geworden, soziale Gerechtigkeit sehe aber anders aus. „Es muss eine Inflationsbereinigung der Steuertabelle kommen“, sagte Roth und forderte zudem ein Screening aller Staatsausgaben.  

Gerade die breite Mittelschicht ist die Milchkuh der Nation geworden.

Gilles Roth (CSV)

„Krisenzeiten sind keine Zeiten für Austerität“, befand Gilles Baum (DP) und bescheinigte der Regierung, dass sie mit Augenmaß Verantwortung übernommen habe. Er erinnerte an „historische Krisenpakete“, wie die 5,5 Milliarden, die während der Pandemie investiert wurden. „Das hat sich gelohnt.“ Baum rechnet auch damit, dass „durch die neuen Steuermaßnahmen jetzt Tausende neue Wohnungen entstehen werden“. 

DP: Lob für hohe Investitionen

Der CSV warf Baum vor, keine kohärente Linie bei ihren Steuervorschlägen zu haben, die sie in ihrem Flyer kürzlich landesweit austeilte. Er habe sich vom Ministerium den finanziellen Impakt ausrechnen lassen. „Mir ist schlecht geworden“, sagte er. Alleine 600 Millionen Euro für die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation, 350 Millionen für die Kilometerpauschale, 290 Millionen für den billigen Akt - 1,3 Milliarden jedes Jahr für die CSV-Steuermaßnahmen. Das sei in Krisenzeiten eine unverantwortliche und unehrliche Politik. 

Die Gratis-Leistungen, die die Regierung einführte, wie mit öffentlichem Transport, Kinderbetreuung, Mittagessen in der Maison relais oder Musikunterricht verteidigte er dagegen: „Fragen Sie mal die Tausende Familien, die entlastet werden, was sie von diesen Maßnahmen halten.“

LSAP: Regierung verzichtet auf Rotstift

Auch LSAP-Fraktionschef Yves Cruchten lobte die Regierung, vor allem wegen der hohen Investitionen von 3,8 Milliarden Euro 2023 in Schiene, Schulen und Familien. „Wir bleiben bei einem interventionistischen Staat, der viel in Infrastrukturen investiert. Diese Regierung setzt nicht den Rotstift an.“ Damit gehe man im Sinne einer antizyklischen Finanzpolitik weiter, als man es in normalen Zeiten tun würde, um den Haushalten und den Betrieben einen „kräftigen Stimulus“ zukommen zu lassen.  


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„Die hohen Energiepreise haben uns keine Wahl gelassen“, erklärte Cruchten, der nochmals betonte, dass die 30-Prozent-Grenze für die Staatsschuld eine künstliche, selbst auferlegte Grenze, aber für die LSAP „keine Betonmauer“ sei. Die steigenden Einnahmen durch die Besteuerung physischer Personen - 830 Millionen mehr an Einkommensteuer von 2022 auf 2023 nicht zuletzt durch die Indextranchen - sollten durch gezielte Maßnahmen wieder verteilt werden. „Wir schlagen eine neue Tabelle vor, mit der die Arbeitnehmer der unteren Gehaltsklassen deutlich entlastet, die mit 12.000 Euro brutto im Monat dagegen mehr belastet werden. Damit bekommen fast 90 Prozent der Arbeitnehmer teils solide Steuerreduktionen.“

Es braucht keinen finanziellen Spielraum für eine Steuerreform, die für mehr Gerechtigkeit sorgt.

Nathalie Oberweis, Déi Lénk

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Nathalie Oberweis warf der Regierung vor, keine politische Vision für das Land zu haben. Es gebe „kein Infragestellen alter Konzepte und vor allem keine ambitionierte Weichenstellung für die Zukunft“. Sie forderte - über eine grundlegende Steuerreform - eine Umverteilung des Reichtums zugunsten der Gering- und zu Lasten der Großverdiener, allen voran die großen, finanzkräftigen Unternehmen. „Es braucht keinen finanziellen Spielraum für eine Steuerreform, die für mehr Gerechtigkeit sorgt“, so Oberweis.

Besonders im Bereich Klimaschutz und Wohnungsbau sei das Budget unambitioniert, fand die linke Abgeordnete - und unehrlich. So würden beispielsweise laufende Ausgaben im Bereich des öffentlichen Transports (Bus, Bahn, Tram) im Budget zur Umsetzung des nationalen Energie- und Klimaplans aufgeschlüsselt. „Hier werden klassische budgetäre Ausgaben in Klimaschutzinvestitionen umgedeutet“, so Oberweis. 282 Millionen Euro für den Wohnungsbau seien nicht gerade ein Zeichen, dass das Problem Nummer 1 im Land zugleich die Priorität Nummer 1 der Regierung sei, bemängelte Oberweis. 

Déi Gréng für eine strukturelle Steuerreform

Die Grünen-Fraktionschefin Josée Lorsché bescheinigte der Regierung entschiedenes, zukunftsorientiertes politisches Handeln, indem sie den Haushalten und Betrieben 2022 finanziell unter die Arme gegriffen habe und für 2023 weitere Maßnahmen vorsehe, wie beispielsweise die Erhöhung des Steuerkredits für Alleinerzieher um 1.000 Euro sowie Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende. 

Wir brauchen eine Steuerpolitik, mit der wir zukünftige Krisen besser meistern können, ohne ständig auf temporäre Maßnahmen zurückgreifen zu müssen.

Josée Lorsché, Déi Gréng

 


IPO , Budget Chamber , Yuriko Backes , Foto:Guy Jallay/Luxemburger Wort
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Lorsché forderte für die Zukunft aber auch eine Steuerreform, "sobald sie finanziell möglich und konsensfähig ist", und begrüßte die Ankündigung durch Finanzministerin Yuriko Backes (DP) am Mittwoch von Steuererleichterungen im Frühjahr 2023. „Wir brauchen eine Steuerpolitik, mit der wir zukünftige Krisen besser meistern können, ohne ständig auf temporäre Maßnahmen zurückgreifen zu müssen“, so Lorsché. 

Konkret bedeute das eine strukturelle Umverteilung über die direkten Steuern. Die niedrigen und mittleren Einkommen müssen entlastet werden. Lorsché zeichnete zwei Pisten auf: eine temporäre Erhöhung des Spitzensteuersatzes und ein zeitlich befristeter Energie-Solidaritätszuschlag für Spitzenverdiener. Ferner riet sie dazu, Steuerbegünstigungen regelmäßig unter die Lupe zu nehmen, um festzustellen, ob sie noch ihren ursprünglichen Zweck erfüllen.

ADR würde vieles anders machen

Die Rede von Fernand Kartheiser zum Budget hörte sich - zumindest in Teilen - wie das ADR-Wahlpogramm für die bevorstehenden Wahlen an. Demzufolge würde die ADR so ziemlich alles anders machen, angefangen bei einer anderen Schuldenpolitik. Mit einem Defizit im Zentralstaat von 2,8 Milliarden Euro für 2023 und einem negativen Saldo beim Zentralstaat bis wenigstens 2026 schränke die Regierung den finanziellen Handlungsspielraum der nächsten Regierung ein und belaste künftige Generationen

Sparen würde die ADR unter anderem bei der Entwicklungshilfepolitik (0,7 statt ein Prozent des Bruttonationaleinkommens), der Immigrations- und Asylpolitik (Schutz nur für Schutzbedürftige, keine illegale Immigration aus wirtschaftlichen Gründen, keine europäische Flüchtlingsverteilung) sowie bei den Ausgaben des Staates, „um Spielraum zu schaffen für andere budgetäre Prioritäten“. Kartheiser zufolge müssten die Staatsfinanzen schnell wieder ins Gleichgewicht und die Schuldenquote wieder unter 23 Prozent des BIP gebracht werden. Zudem macht die ADR sich für eine Familienpolitik ohne staatliche Steuerung, eine liberalere Gesundheitspolitik und eine Absicherung der Pensionen und Renten durch eine Reform der Sozialsysteme stark. 

Piraten enttäuscht vom Haushalt 2023

Er sei enttäuscht vom Haushalt, vermisse gezielte Akzente in den Bereichen Wohnen, Energie und Klima, sagte Pirat Sven Clement. Die Verschuldung habe sich seit 2017 nominal verdoppelt. „Die inflationsbereinigte Pro-Kopf-Verschuldung ist in den vergangenen fünf Jahren um 49 Prozent auf 25.200 Euro gestiegen“, rechnete Clement vor und kritisierte, dass das Haushaltsgesetz einen Handlungsspielraum von sechs Milliarden Euro für zusätzliche Schulden bis 2024 vorsehe. „Wir sind der Meinung, dass die Regierung das Parlament dazu befragen sollte, wenn es so weit ist. Wir stellen ungern einen Blanko-Scheck aus“, so Clement.

Die Regierung hat den Moment verpasst, die staatlichen Gebäude klimafreundlicher zu machen, und zu sparen.

Sven Clement, Piraten

Clement hält die Einnahmeprognosen (5,3 Milliarden Euro aus der TVA) angesichts der Gefahr einer Rezession für zu hoch und warnte vor dem Ausbluten der Renten- und Gesundheitskasse. Es sei nicht fair, dieses Problem auf die kommenden Generationen zu verlagern. 

Clement kritisierte auch die „Gießkannnenpolitik der Regierung“ zur Unterstützung der Haushalte und Betriebe (Gaspreisdeckel, Tankrabatt). Sie enthalte keinen Sparanreiz und "selbst die Regierung hat den Moment verpasst, die staatlichen Gebäude klimafreundlicher zu machen, und zu sparen", meinte Clement. So seien die Heiz- und Wasserkosten im Budget des Bildungsministeriums für 2023 mit 37,4 Millionen Euro fast fünfmal so hoch wie noch 2022 (7,7 Millionen Euro). Auch sei im Haushalt bzw. im mehrjährigen Haushalt entgegen den Ankündigungen im Etat de la nation kein Posten für PV-Anlagen auf staatlichen Gebäuden vorgesehen.

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