Wie Sammy Kogvik die HMS "Terror" fand
Wie Sammy Kogvik die HMS "Terror" fand
(dpa/tom) - Am Ende kam der entscheidende Tipp von einem Inuit-Ureinwohner. Trotz jahrelanger, teurer Suche mit Satellit und Unterwasseraufnahmen hatten Forscher das britische Expeditionsschiff HMS "Terror" nicht aufspüren können, das im Eis der Arktis stecken blieb und 1848 aufgegeben wurde. Erst 170 Jahre später hat der Inuit-Jäger Sammy Kogvik aus Gjoa Haven in der kanadischen Provinz Nunavut die Wissenschaftler zum Wrack geführt. Und eines der großen Geheimnisse der Schifffahrt gelüftet.
Seit 2008 hatten Suchtrupps mühsam hunderte Quadratkilometer arktischen Meeresbodens abgesucht, um den 31 Meter langen Dreimaster aufzuspüren. Dass große Teile des Seewegs durch den kanadisch-arktischen Archipel fast das ganze Jahr über von Eis bedeckt sind, war Fluch und Segen zugleich: Nur etwa sechs Wochen zwischen August und September ist das Wasser hier schiffbar und das Zeitfenster für die Suche damit sehr begrenzt.
Zugleich ist das Wrack in 24 Metern Tiefe dank des eisigen Wassers noch sehr gut erhalten, wie Bilder eines ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs zeigen. Expeditionsleiter Adrian Schimnowski, Direktor der kanadischen Arctic Research Foundation spricht von einer "perfekten Zeitkapsel" und ist sicher, die "Terror" gefunden zu haben, auch wenn die offizielle Bestätigung noch aussteht.
Das mysteriöse Verschwinden der 129 Mitglieder zählenden Expedition, angeführt von Sir John Franklin, hatte Generationen von Historikern und Polarforschern beschäftigt. Lange wurde vermutet, dass die 105 überlebenden Crewmitglieder versuchten, sich ihren Weg vom im Eis gefangenen Schiff nach Süden zu bahnen. Doch der Fund des Wracks mit geschlossenen Ladeluken lässt vermuten, dass einige versuchten, aus der gefrorenen Nordwestpassage zu segeln.
Mündliche Überlieferungen und modernste Technik
Nach Einschätzung der kanadischen Parkbehörde war es die Verbindung "modernster Technologie und mündlicher Inuit-Zeugnisse aus dem 19. Jahrhundert", die vor knapp zwei Jahren bereits zum Fund der HMS "Erebus" führte, dem zweiten Schiff der Franklin-Expedition.
Auch die am 3. September aufgespürte "Terror" nahe King William Island wäre ohne Hilfe der Ureinwohner wohl erst viele Jahre später gefunden worden: Sammy Kogvik hatte dort etwas Ungewöhnliches aus dem Eis ragen sehen und auch Fotos davon gemacht, erzählt er im Video der Arctic Research Foundation.
Seine Entdeckung von vor rund sieben Jahren hatte Kogvik allerdings lange geheim gehalten. Er hatte seine Kamera mit den Fotos dessen, was da wie ein Mast aus dem Eis steig, auf dem Rückweg verloren. Und ohne Beweise wollte er nichts erzählen, um nicht als Lügner abgestempelt zu werden. Erst an Bord des Forschungsschiffs Martin Bergmann lüftete der 49-Jährige nun sein Geheimnis. "Er hatte diese Überzeugung in seinen Augen, in seiner Stimme. Wir wussten, dass das, was er sagte, stimmte", erzählt Schimnowski.
Die Behörden hören uns nicht zu. Sie haben die Geschichten der Inuit ignoriert.
Diese Einstellung teilt aber offenbar nicht jeder. Kogvik sagte gegenüber dem kanadischen Fernsehsender CBC: "Ich habe schon viele traditionelle Geschichten über die "Terror" und das andere Schiff gehört - aber die Behörden hören nicht zu. Sie haben die Geschichten der Inuit ignoriert."
Nach dem Fund der HMS "Erebus" im Jahr 2014 hatte Louie Kamookak, ebenfalls aus Gjoa Haven, ähnliche Vorwürfe erhoben. Er hatte die Forscher mit mündlichen Überlieferungen seiner Vorfahren versorgt, die sie schlussendlich zum Wrack geführt hatten. "In den ersten Jahren haben wir oft miteinander gesprochen. Als wir auf Grundlage meiner Arbeit Theorien entwickelten, wo das Schiff sein könnte. Als die Suche dann losging, habe ich nicht mehr viel von ihnen gehört", sagte Kamookak nach dem Fund der kanadischen "National Post".
Schimnowski machte es besser. Er hörte Kogvik zu - und wurde belohnt.
Große Dankesfeier in Gjoa Haven
Während die kanadische Regierung sich "begeistert" zeigt und in einer Mitteilung von einem "außergewöhnlichen Fund" spricht, bereiten Schimnowski und seine Crew sich auf die für kommendes Wochenende geplante Ankunft zu Hause vor. Doch erst soll der große Fund mit einem Fest für die Inuit-Gemeinde von Gjoa Haven gefeiert werden - auch, um Sammy Kogvik zu danken. "Es gibt traditionelles Essen, Rentierfleisch, Volkstänze, Reden", sagt Schimnowski. Über Kogviks Entschluss, den Forschern sein Geheimnis zu verraten, sagt er: "Vielleicht war es für ihn an der Zeit, die Geschichte zu erzählen."
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