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Wo die Ukrainer beim Skifahren vom Kriegsalltag abschalten
Panorama 5 2 Min. 08.03.2023
Ukrainische Karpaten

Wo die Ukrainer beim Skifahren vom Kriegsalltag abschalten

Der ukrainische Skiort Bukovel befindet sich rund 640 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Kiew.
Ukrainische Karpaten

Wo die Ukrainer beim Skifahren vom Kriegsalltag abschalten

Der ukrainische Skiort Bukovel befindet sich rund 640 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Kiew.
Foto: AFP
Panorama 5 2 Min. 08.03.2023
Ukrainische Karpaten

Wo die Ukrainer beim Skifahren vom Kriegsalltag abschalten

Schneeballschlacht statt Bombenhagel: In einem Skigebiet in der Westukraine tanken Hobbysportler neue Kraft.

(AFP/nr) – Weit entfernt von Sirenenalarm und der ständigen Angst vor russischen Luftangriffen genießt Swetlana Kocievska die Ruhe in Bukovel, einem Skiort inmitten der Karpaten im äußersten Westen der Ukraine. Ihre beiden Kinder tollen im Schnee herum - ein seltener Moment der Freude. 

„Sie leiden unter den psychologischen Auswirkungen des Konflikts“, erzählt die 33-jährige Zahnärztin aus der zentralen Region rund um Vinnytsia. „Das Homeschooling ohne direkten Kontakt zu ihren Mitschülern schadet ihrem Gehirn“, meint sie weiter. 

Auch Liliya, die ihren Nachnamen lieber nicht nennen möchte, begrüßt die willkommene Atempause nach einem Jahr voller Qualen. Neben ihr sitzen ihre achtjährige Tochter und ihr Ehemann. Der Soldat hat gerade ein paar Tage Urlaub. Die drei stammen aus der Gegend der Stadt Sumy, die nur 20 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt.  

„Hier versuchen wir, den Krieg zu vergessen“, sagt die junge Frau etwas nervös, ein Auge stets auf ihr Telefon gerichtet, das sie „drei- bis viermal am Tag“ über Alarmmeldungen zu Hause informiert. Die Englisch-Dolmetscherin war nach der russischen Invasion nach Deutschland geflohen, kehrte aber nach drei Monaten zu ihrem Mann zurück.

Eine andere Atmosphäre

Das exklusive Skigebiet Bukovel liegt auf 1.300 Höhenmetern über dem Dorf Polyanytsya und verfügt über 75 Kilometer Pisten und 17 Skilifte. Vor dem Krieg zog der bekannte Ferienort eine Vielzahl von Besuchern an, darunter auch viele ausländische Touristen. Jetzt sind sie rar geworden und viele der Immobilienprojekte, die im Zuge der schnellen Expansion des Ortes entstanden waren, liegen brach.


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„Die Stimmung ist jetzt ganz anders“, bemerkt der Skilehrer Bogdan Nakonechniy. Der 26-Jährige ist in seiner dritten Saison und erinnert sich an den früheren Andrang. „Wir haben dieses Jahr weniger Leute, und die, die hier sind, sind sehr emotional. Sie genießen jeden Moment, den sie dem Krieg abringen können“, betont der Sportler.

Auf den Pisten tummeln sich Frauen und Kinder neben Männern, die zu alt sind, um zu kämpfen. „99 Prozent unserer Kunden sind Ukrainer“, stellt Taras Humenyuk fest, der in einem Geschäft für Skibekleidung angestellt ist. „Früher kamen 30 Prozent aus anderen Ländern, jetzt beschränkt sich das auf gelegentliche Besuche von benachbarten Rumänen oder Moldawiern.“

Warten auf den Sieg

Das Modegeschäft steht auch vor einer logistischen Herausforderung. Fast der gesamte Bestand an Ausrüstungsgegenständen, von Anoraks bis hin zu Schuhen aus dem Zentrallager in einem Vorort von Kiew, wurde zu Beginn des Konflikts durch einen russischen Raketenbeschuss vernichtet. „Wir haben immer noch Schwierigkeiten, beliefert zu werden. Die ausländischen Marken wollen uns keine Waren schicken, weil sie Angst haben, nicht bezahlt zu werden“, erklärt der junge Angestellte. 


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Als die Besucherzahlen sanken, entschied sich die 48-jährige Natalia Havrylenko, ihr Hotel-Restaurant in einen Ort „im Dienste der Gesellschaft“ umzuwandeln. Die Ausstattung umfasst Generatoren und einen Starlink-Internetanschluss. Als die russischen Truppen im vergangenen Jahr die Energieinfrastruktur in der gesamten Ukraine ins Visier nahmen, versammelten sich die Einheimischen an diesem Ort, um „Ruhe zu haben und ohne Unterbrechung zu arbeiten“. Mit dem Sieg werden die Touristen zurückkehren, sagt sie gelassen.

Nicht weit entfernt verkauft eine Hütte Getränke, um die Skifahrer aufzuwärmen. Kirschlikör, verrät Vladislav Fedchuk, ein 22-jähriger Saisonarbeiter aus Lviv. Er ist sich sicher: „Die Ukraine wird gewinnen und bald werden wir wieder ein normales Leben führen. Wer weiß, vielleicht kann ich eines Tages sogar Skifahren lernen.“

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