Wie der Meco die Angst vor 5G-Mobilfunk schürt
Wie der Meco die Angst vor 5G-Mobilfunk schürt
"5G: Eine Gefahr für die Gesundheit?" - so lautet der Titel eines Vortrags, zu dem der Mouvement Ecologique am Freitag einlädt. Der Name der Veranstaltung ist Programm: Mobilfunk, Gefahr, Gesundheit. Beachtenswert und unfreiwillig ehrlich ist allerdings das Fragezeichen am Ende des Titels - denn weder der Meco noch der Referent kennt die Antwort auf die gestellte Frage.
Bei Letzterem handelt es sich um Klaus Buchner, seines Zeichens Physiker, Universitätsprofessor im Ruhestand und "Mobilfunkkritiker". Zudem ist Buchner der einzige EU-Abgeordnete der deutschen Kleinpartei "Ökologisch-Demokratische Partei", die von Politologen als "bürgerlich-konservativer Teil der Umweltbewegung" gesehen und mal links, mal rechts von der Mitte verortet wird. Auch Populismus ist der politischen Bewegung nicht fremd, forderte sie doch beständig die Einführung "direkter Demokratie" und sieht den Volksentscheid als vermeintlich einfache Lösung für komplexe Probleme.
In zahlreichen Blogposts und Youtube-Videos stellt sich der 78-Jährige, der in der Einladung in etwas sperrig als "Prof. Dr. Dr. habil. Klaus Buchner (ÖDP)" betitelt wird, als Experte für Biologie, Medizin und elektromagnetische Strahlung dar, der am Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik in München sowie am CERN gearbeitet habe. Tatsache ist: Buchner studierte während der 1960er und 70er Jahre in München und Edinburgh Physik und promovierte mit einer Arbeit im Bereich der Experimentalphysik. Von 1973 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2006 war er jedoch Dozent und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München - und zwar nicht für Astrophysik, sondern am Lehrstuhl für Geometrie und Visualisierung, wo er zuletzt Vorlesungen in Differenzialgeometrie hielt.
Mit anderen Worten: Buchner besitzt augenscheinlich keinerlei Kompetenzen in Biologie oder Medizin, die über das hinausgehen, was sich der wissenschaftlich vorgebildete Durchschnittsbürger heute dank Internet in wenigen Wochen aneignen kann. Und genau so hören sich seine Vorträge auch an.
Der Berufspolitiker und Hobby-Strahlungsexperte fällt in Videos und Interviews immer wieder mit alarmistischen, aber nicht belegbaren Aussagen über die Gefahren des Mobilfunks auf, zu denen er quasi nie Quellen zitiert, oder solche angibt, die längst widerlegt oder zu Recht diskreditiert wurden.
Gesundheitstipps vom Fachmann?
Was dem Fass den Boden ausschlägt, ist jedoch, dass der Meco nicht nur versucht, Buchner im Zusammenhang mit den Effekten elektromagnetischer Wellen auf lebende Zellen als seriösen Wissenschaftler und gemäßigten Experten darzustellen, der "Handlungsalternativen" aufzeige und dem Bürger erkläre "was er privat ganz konkret tun kann, um selbst die Strahlung für sich zu reduzieren".
Dahinter verbirgt sich in der Hauptsache die Empfehlung, beim Telefonieren ein Headset zu nutzen und der völlig unrealistische Vorschlag, optische statt elektromagnetische Signale bei der Mobilkommunikation zu nutzen. Dass tausende Ingenieure und Wissenschaftler sich in den vergangenen Jahrzehnten tiefgründig mit der Materie befasst haben und zu anderen Schlüssen kommen als Buchner, scheint diesen nicht zu stören.
Jede Generation als neues Schreckgespenst
Nun ist dieser Ansatz im Zusammenhang mit dem Mobilfunk nicht neu und jede Netzgeneration von GSM bis zu 4G hat eine neue Welle von Empörung und irrationalen Ängsten losgetreten. So auch die kommende Generation 5G, die technisch gesehen tatsächlich unbekanntes Terrain betritt, da sowohl die Dichte der Funkzellen als auch das verwendete Frequenzspektrum sich von der bisherigen Technik recht stark unterscheidet.
Zusätzlich Öl aufs Feuer gießen regelmäßig Appelle "internationaler Wissenschaftler und Ärzte" an die WHO und UNO, in der vor den "wahrscheinlichen Risiken" der neuen 5G-Netze gewarnt und ein Moratorium für den Netzausbau gefordert wird - auch hier nicht unwichtig: das Wort "wahrscheinlich".
Die Position der WHO und anderer wichtiger Gesundheitsorganisationen bleibt trotz Appell seit Jahren unverändert: Es gibt derzeit keinen wissenschaftlich belastbaren Nachweis für eine gesundheitsschädigende Wirkung von Funkwellen, wie sowohl die WHO als auch das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz oder das National Cancer Institute in den USA auf speziell dafür geschaffenen Webseiten erklären.
Gefährlich wie Kaffee, saure Gurken und Talkpuder
Auch die von Mobilfunkkritikern gern zitierte Klassifizierung durch die "International Agency for Research on Cancer" (IARC), die Mobilfunkstrahlung als "möglicherweise krebserregend beim Menschen" (Kategorie 2B) sollte mit Vorsicht genossen werden - es handelt sich um eine Einschätzung, die vor allem auf dem "Vorsorgeprinzip" sowie auf epidemiologischen Befunden basiert, die bekanntlich nichts über kausale Zusammenhänge aussagen können.
Ebenfalls in der Kategorie 2B zu finden sind übrigens Kaffee, saure Gurken, Talkpuder und das Metall Nickel, das seit Jahrhunderten in Legierungen zu Geldmünzen und Schmuck verarbeitet wird.
Aus wissenschaftlicher Sicht ändert auch die neue 5G-Technik nichts an der Tatsache, dass elektromagnetische Wellen zu den nicht-ionisierende Strahlungen gehören, die nach derzeitigem Wissensstand gar nicht in der Lage sind, DNS-Moleküle zu beschädigen und Krebs auszulösen. Die Photonen des sichtbaren Lichts beispielsweise sind 17.000 mal energiereicher, als jene Photonen, aus denen Funkwellen bestehen. Wer also gleichzeitig die Aussagen der Mobilfunkkritiker und die Prinzipien der Physik ernst nehmen möchte, sollte sich große Sorgen über "möglicherweise krebserregende" Glühbirnen und Straßenlaternen machen.
Welche Position auch immer man in der Debatte um mögliche Gesundheitsgefahren durch Mobilfunk einnimmt, sollte man dennoch auf dem Boden der belegbaren Tatsachen bleiben. Dieses Ziel erreicht der Meco nicht, indem er zum Thema Mobilfunk einen Referenten einlädt, der sich lediglich als gebildeter Laie mit der Sache befasst hat und sich zudem dem Verdacht aussetzt, eher politisch motivierter Demagoge als Experte zu sein.
Wie ernst es Mobilfunkkritiker mit dem Thema Kritik meinen, zeigt im Übrigen erfahrungsgemäß die Tatsache, dass Kommentare wie diese in der Regel mit einem Antwortrecht an den Herausgeber und dem Versuch quittiert werden, den Kommentator zu diskreditieren - bis hin zur gängigen Verschwörungstheorie des "von der Industrielobby bezahlten Schreiberlings".
