Das rät der Psychotherapeut bei saisonaler Depression
Das rät der Psychotherapeut bei saisonaler Depression
Mit seinen 28 Tagen ist der Februar zwar rein rational gesehen schneller überstanden als die restlichen Monate im Jahr. Doch in der Wahrnehmung von Winterbluesgeplagten scheinen sich gerade die letzten Winterwochen unerträglich in die Länge zu ziehen.
„Ich denke, es ist ein kumulativer Effekt“, sagt Claus Vögele, Professor für klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie an der Universität Luxemburg. „Viele Leute können im Februar einfach nicht mehr, vor allem, wenn sie schon in den vorherigen Monaten schlechter drauf waren.“
Dabei böte der Februar eigentlich Grund zur Freude: Die Tage werden aufgrund der Erdachsenneigung nun deutlich schneller länger. Folglich steigt auch allgemein die Laune wieder – wenn auch noch nicht spürbar. Schuld an der saisonalen Depression ist nämlich die Tatsache, dass die Tageslichtintensität über einen langen Zeitraum sehr reduziert war. In anderen Worten: Der Winter ist für den Körper schlichtweg zu düster.
„Die Lichtmenge, die über die Netzhaut aufgenommen wird, hat einen Effekt auf Hormone wie das Melatonin, das stark mit dem Neurotransmitter Serotonin interagiert. Und der ist wiederum stark mit unserer Stimmungslage verbunden“, erklärt Claus Vögele. „Dadurch, dass wir weniger Licht über die Netzhaut aufnehmen, ist die Gefahr höher, dass unser Melatoninspiegel zu hoch ist.“ Aufgrund dessen verspürten auch die meisten Menschen, die unter saisonaler Depression leiden, einen erhöhten Schlafbedarf – im Gegensatz zu Menschen mit einer üblichen Depression, die eher mit Schlafstörungen zu kämpfen haben.
Es werde Licht
Zuverlässige, wenn auch nicht gerade günstige Abhilfe versprechen laut dem Psychotherapeuten Lichttherapiegeräte mit einer Beleuchtungsstärke von 10.000 Lux für den Heimgebrauch. Vom schnellen Kauf im Internet rät er allerdings ab - das vorherige Gespräch mit einem Psychiater oder Psychotherapeuten ist für Vögele mehr als ratsam.
Nicht nur, weil es einiges in der Bedienung eines solchen Geräts zu beachten gibt, etwa, dass man wirklich in das Gerät hineinschauen muss und nicht etwa lesend davor sitzt. „Wenn sich jemand schwer beeinträchtigt fühlt, muss man abchecken, ob nicht auch andere Faktoren vorliegen, die der Behandlung bedürfen, etwa eine ,Major Depression‘.“
Den Gang zum Allgemeinarzt würde Claus Vögele bei ausgewachsenem Winterblues dagegen nur bedingt empfehlen, denn es sei „bedauerlich, dass viele psychische Erkrankungen leider noch von einigen Hausärzten als vernachlässigbar wahrgenommen werden, wenn sie denn überhaupt erkannt werden.“
Notfalls reicht eventuell sogar die intensive Betrachtung einer Zimmerpflanze als kleiner Stimmungsaufheller.
Raus aus der Komfortzone
Doch es muss nicht unbedingt gleich ein Lichttherapiegerät sein, um die Stimmung wieder aufzuhellen. Wer trotz grauem Wetter regelmäßig vor die Tür geht, hat lichttechnisch schon einiges für seine Laune getan. Wer sich dazu nur schwer überwinden könne, sucht sich am besten einen passenden „Aufhänger“, sagt Claus Vögele. „Ich komme da gar nicht mehr raus, denn ich habe seit anderthalb Jahren einen Hund und der muss raus. Das war sozusagen das Bein, das ich mir selbst gestellt habe.“
Doch nicht nur das Tageslicht, sondern auch die Flora trage einiges zum Wohlbefinden bei. Die Gesundheitseffekte von Naturerlebnissen, die Vögele selbst vor einigen Jahren auf Island untersucht hat, bezeichnet er als „wirklich bemerkenswert“. Ob im Wald, im Park oder im Garten sei dabei grundsätzlich egal – notfalls reiche eventuell sogar die intensive Betrachtung einer Zimmerpflanze als kleiner Stimmungsaufheller. Kommt zum Ausflug nach draußen noch Bewegung hinzu, sei der positive Effekt auf die Psyche nachgewiesenermaßen noch größer.
Schwungvoll in den Tag
Das kann der Spezialist für Gesundheitspsychologie sogar aus eigener Erfahrung bestätigen: „Als ich noch studiert habe, habe ich mein allererstes Praktikum in der Psychiatrie damit verbracht, um 7 Uhr in der Früh die depressiven Patienten aus dem Bett zu holen und mit ihnen ums Krankenhaus zu joggen. Da habe ich wirklich gesehen, was das kann“, erinnert sich Vögele. „Es war ganz schrecklich schwer, sie zu motivieren, aber es ging ihnen hinterher kurzfristig besser.“ Um in den Genuss dieses Gute-Laune-Machers zu kommen, müsste man im Übrigen nicht einmal eine depressive Verstimmung haben.
Wer auf Dauer Trübsal bläst, dem empfiehlt Vögele zudem über ein, zwei Wochen ein Stimmungstagebuch zu führen. „Wenn man sich rückblickend versucht, an seine Gefühle zu erinnern, dann dominiert das schlechte Grundgefühl. Wenn man aber Tagebuch führt, merkt man, dass vieles doch gar nicht so schlecht war“, erläutert der Gesundheitspsychologe. Und nur wer wisse, was einen glücklich mache, könne versuchen, diese Erlebnisse auch zu intensivieren.
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