Vom Schauobjekt zum Aushängeschild
Vom Schauobjekt zum Aushängeschild
von Christine Longin
Was fällt nicht nur dem Durchschnittsfranzosen beim Stichwort Paris ein? Klar, der Eiffelturm. Die „Eisendame“ überragt mit ihren 325 Metern die Stadt. Rund sieben Millionen Touristen stehen jedes Jahr an, um zu Fuß oder in einem der Aufzüge entlang der imposan-ten Eisenkonstruktion wie Insekten in die Höhe zu klettern.
Wer den Eiffelturm besichtigen will, muss viel Zeit mitbringen. Seit 2017 schützen drei Meter hohe durchsichtige Spezialwände die Attraktion vor Anschlägen. Selbst wer nur einmal unter dem Wahrzeichen durchlaufen will, muss sich ähnlich streng wie am Flughafen kontrollieren lassen. Die Besucher stören die Sicherheitsmaßnahmen und auch die Kosten – wer zu Fuß die zweite Ebene erklimmen will, muss 10,20 Euro zahlen, wer den Lift nimmt zahlt entsprechend mehr – nicht.
Für sie überwiegt die Bedeutung des Eisenturms, der das meistbesuchte kostenpflichtige Denkmal der Welt ist. „Frankreich, Paris, Liebe“ verbinde sie mit „la Tour Eiffel“, sagt eine Französin, die aus dem Pariser Umland gekommen ist, um ihrer vierjährigen Tochter das Monument zu zeigen. Der Eiffelturm ist ein Stück Kulturerbe, das fast jede französische Familie an ihre Kinder weitergibt.
Bauzeit von 21 Monaten
Dabei war das Bauwerk bei seiner Entstehung hoch umstritten. Der Bauunternehmer Gustave Eiffel hatte sich mit seinem Modell eines Turms auf vier Säulen in einem Ideenwettbewerb zur Weltausstellung 1889 gegen mehr als 100 Konkurrenten durchgesetzt.
„Die Stützen scheinen aus dem Boden hervorzuquellen und in gewisser Weise vom Wind geformt zu sein, bevor sie an der Spitze zusammenlaufen“, beschrieb Eiffel seine Konstruktion, deren Widerstandsfähigkeit gegen Stürme er genau berechnet hatte. Der Bau begann am 1. Juli 1887 und wurde in der Rekordzeit von 21 Monaten vollendet.
Bis zu 300 Arbeiter montierten vor Ort die 18 000 Teile des Eisengiganten zusammen, die aus Eiffels Fabrik in Levallois-Perret stammten. 2,5 Millionen Eisennieten, 7 300 Tonnen Eisen und 60 Tonnen Farbe stecken in dem Meisterwerk der Ingenieurskunst, das am 31. März 1889 eingeweiht wurde und Eiffel die Mitgliedschaft in der Ehrenlegion einbrachte – verliehen auf der obersten Plattform des Turms.
Kritiker in der Kunstszene
Die Begeisterung der Pariser hielt sich anfangs allerdings in Grenzen. Mehrere Künstler, darunter Charles Gounod, Guy de Maupassant und Alexandre Dumas, veröffentlichten in der Zeitung „Le Temps“ einen Protestbrief „gegen den Turm von Herrn Eiffel“. Besonders hart war Maupassant in seiner Kritik: „Diese hohe und magere Pyramide aus Eisenleitern, ein unschönes und riesiges Skelett, dessen Sockel aussieht, als könnte er ein wunderbares Monument tragen und der in einem lächerlichen und dünnen Profil eines Fabrikschornsteins endet“, schrieb er.
Doch das Publikum eroberte den damals höchsten Turm der Welt trotz seiner ungewöhnlichen Silhouette: Zwei Millionen Besucher verzeichnete das Bauwerk während der Weltausstellung. In der ersten Woche, als die Aufzüge noch nicht funktionierten, stiegen rund 30 000 Pariser die 1 710 Stufen zu Fuß bis zur Spitze hinauf.
Der Plan, das Monument 20 Jahre nach der Weltausstellung wieder abzureißen, wurde ein ums andere Mal verschoben und später ganz zu den Akten gelegt. Zum Glück für all die Millionen Besucher, die seither von einer der drei Etagen die Aussicht auf die Stadt der Liebe genießen. Darunter von Anfang an viel Prominenz wie Mahatma Gandhi, der Schah von Persien, der japanische Kaiser Hirohito, König Edward von England und US-Präsident Dwight D. Eisenhower.
Zuletzt machte das Bauwerk am 13. Juli 2017 Schlagzeilen, als US-Präsident Donald Trump zusammen mit seiner Frau und dem Ehepaar Macron im Sternerestaurant Jules Verne dinierte. Noch Monate später schwärmte der US-Präsident von dem „great evening“, dem tollen Abend, in 125 Metern Höhe.
Lichterglanz an der Seine
Dass sich ein so weit sichtbares Bauwerk nachts für raffinierte Lichteffekte anbietet, hatten die Baumeister schon früh erkannt. Schon zur Eröffnung leuchtete die Attraktion deshalb mit Hilfe von 10 000 Gasdüsen. Von 1925 an nutzte der Autobauer Citroën das Bauwerk für seine Leuchtreklame, die den Namen des Unternehmens durch 250 000 bunte Lampen 40 Kilometer weit sichtbar machte.
Eine dauerhafte Beleuchtung ganz ohne Werbung gibt es erst, seit die Stadt Paris zur Jahrtausendwende am Eiffelturm ein riesiges Feuerwerk veranstaltete und dabei ihr bekanntestes Monument zum ersten Mal glitzern ließ. Der Erfolg des Spektakels war so groß, dass der Eiffelturm sein Glitzerkleid behalten durfte und seither nachts zu jeder vollen Stunde fünf Minuten lang Paris verzaubert.
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
