"Unsicherheit führt zu mehr Kreativität"
"Unsicherheit führt zu mehr Kreativität"
Interview: Nathalie Roden, Michael Juchmes
Sie haben sich intensiv mit dem Thema Generation Y auseinandergesetzt und sind selbst Teil davon. Was macht diese Generation im Wesentlichen aus?
Es gibt nicht nur „eine Jugend“, denn die Generation Y ist äußerst vielschichtig. Man kann aber sagen, dass alle 18- bis 30-Jährigen einiges miteinander teilen: Sie sind in den 1980er Jahren geboren und haben die Geburt des Internets miterlebt, die von der Art zu arbeiten über die Kommunikation bis hin zum Konsum alles verändert hat. Sie sind zudem in einer wirtschaftlichen Krisenzeit herangewachsen, die eine Unsicherheit in ihnen ausgelöst hat.
Was sind die Hauptherausforderungen und Sorgen, mit denen diese Generation zu kämpfen hat?
Die Generation Y muss sich mit einer äußerst gedrückten Stimmung sowohl im sozialen als auch im wirtschaftlichen Kontext auseinandersetzen. Zudem muss sie sich an die unsichere Arbeitswelt anpassen, mit der sie von Anfang an – etwa durch unzählige Praktika oder befristete Verträge – konfrontiert war.
Und was sind die Vorteile?
Die Unsicherheit führt zu mehr Kreativität. Wenn der Weg nicht automatisch vorgezeichnet ist, versucht man, sich selbst einen Platz zu schaffen. Daher gab es auch noch nie so viele Selbstständige wie heute. Schließlich geht man eher ein Risiko ein, wenn man nichts zu verlieren hat.
Viele werfen der Generation Y vor, sie bestünde aus selbstverliebten Weicheiern, die nicht mehr wissen, was harte Arbeit ist (Stichwort: Work-Life-Balance, Sabbaticals und Homeoffice). Inwiefern würden Sie dieser Auffassung zustimmen?
Ich bin mit dieser Pauschalisierung nicht einverstanden. Das ist auch ein Grund, warum ich mit Myriam Levain das Buch „La Génération Y par elle-même“ geschrieben habe, in dem wir zwölf Klischees aufgreifen und aufarbeiten. Es gibt unter anderem ein Kapitel zum Thema Individualismus, in dem wir feststellen, dass die Gesellschaft nach Individualität und die Generation Y wiederum nach neuen Formen von Solidarität strebt, etwa in Form von sozialen Netzwerken.
In Luxemburg werden Sie auf Ronja von Rönne treffen, eine bekennende Antifeministin und Egoistin, die oftmals für ihre radikalen Ansichten kritisiert wird. Zitat: „Feminismus ist eine Charityaktion für unterprivilegierte Frauen geworden.“ Wie stehen Sie dem Begriff Feminismus gegenüber? Brauchen wir ihn noch?
Gemeinsam mit Myriam Levain und Faustine Kopiejswski habe ich 2013 das „Cheek Magazin“ herausgebracht, das sich an Frauen der Generation Y richtet und kulturelle und gesellschaftliche Themen abdeckt. Wir sprechen über das, was Frauen tun, nicht über das, was sie sind. Es ist ein engagiertes, feministisches Magazin, denn wir sind davon überzeugt, dass es auch im Jahr 2016 noch ein weiter Weg bis hin zur Gleichstellung der Geschlechter ist. Wir müssen immer noch gegen ungleiche Gehälter, den alltäglichen Sexismus, Belästigung und Gewalt kämpfen.
Wie sollte moderner Feminismus aussehen?
Wir sprechen derzeit häufig vom Pop-Feminismus, einem einfachen, witzigen und glamourösen Feminismus, der auch zurückhaltende Menschen anspricht. Es ist erfreulich, dass diese Form existiert, und es bleibt zu hoffen, dass sie Bestand hat und sich nicht als eine temporäre Mode entpuppt. Diese Form des Feminismus erlaubt es, echte Botschaften zu verbreiten, vor allem durch Vorbilder aus der Popkultur. Beyoncé und ihr „Feminist“-Auftritt im Rahmen der „MTV Video Music Awards“ sind ein Beispiel.
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