Uni Luxemburg: Digitale Anatomie-Lehre
Uni Luxemburg: Digitale Anatomie-Lehre
Ein Mensch liegt auf einem Tisch. Ein Klick und man sieht nicht mehr sein Äußeres, sondern seine Blutgefäße. Noch ein Klick und die Nerven werden sichtbar. Was wie Zauberei klingt, ist der virtuelle Anatomie-Tisch „Anatomage“ an der Universität Luxemburg.
„Wir können künftig Leichen sezieren, ohne Blut zu vergießen“ beginnt Gilbert Massard, der Verantwortliche für den neuen Bachelor-Studiengang Medizin, der im September 2020 startet, die Präsentation. „Sie alle wissen, wie schwierig es ist, sich ein Gebäude vorzustellen, wenn man nur den Plan des Hauses vor sich hat. Auch für Studenten war es immer schwer, sich in der Anatomie die dritte Dimension vorzustellen“, so Massard. Das soll sich mit dem Gerät ändern.
Operationen besser planen
Lernende können anhand des Tisches die virtuelle Person drehen und bestimmte Schichten entfernen oder sichtbar machen, zum Beispiel Muskeln oder Nerven. Auch die virtuelle Entnahme von Organen ist möglich, ebenso wie mikroskopische Gewebeansichten anzuzeigen. Für die Dozenten biete der Tisch den Vorteil, dass sie Dinge vergleichend darstellen könnten, beispielsweise das Bild einer gesunden neben dem einer kranken Leber. Vor Operationen könne man zudem den Eingriff bereits im Vorfeld durchdenken und sich entsprechende Körperregionen genau ansehen.
Im Vergleich zur Arbeit an „echten“ Leichen biete der Tisch gleich mehrere Vorteile, erklärt Massard. Eine Leiche könne nur einmal seziert werden, der digitale Anatomie-Tisch ermögliche es, denselben Schritt mehrmals zu wiederholen. Des Weiteren biete das Gerät einen Quizmodus, mit dem die Studenten ihre Kenntnisse testen könnten. Ein anderer Punkt sei der finanzielle Faktor. „Stellen Sie sich vor, was ein echtes Anatomie-Labor kosten würde. Man braucht entsprechende Räumlichkeiten, Tausende Leichen und Personal. Außerdem würde es mehrere Jahre dauern, alle Genehmigungen zu bekommen.“ Die Kosten für den Tisch belaufen sich inklusive Software und Updates auf etwa 150.000 Dollar.
Näher an medizinischer Realität
Mit der virtuellen Lehre sei man näher an der medizinischen Realität, so Massard. „In der Chirurgie werden immer weniger große, sondern nur noch kleine Schnitte gemacht und dann wird mit Videokameras gearbeitet. Schlussendlich ist das dieselbe Logik. Anstatt den Bauch groß aufzuschneiden, schaut der Chirurg auf einen Bildschirm, auf dem er alles sieht.“
Dass Studenten dann zunächst nicht am echten Menschen üben, ist für Massard kein Problem. „Es hängt ja auch davon ab, was sie nachher machen wollen. Jemand der in die Radiologie will, für den ist es weniger wichtig, tote Körper zerschnitten zu haben, wenn er lebende Patienten behandelt.“ Studenten, die sich für die chirurgische Richtung entscheiden, bekämen ohnehin früher oder später die Gelegenheit, ihre „manual skills“ auszubilden.
Die virtuelle Lehre könnte auch zu einer Art Qualitätsmerkmal der Uni werden. Es sei ein großer Vorteil für Luxemburg, dass es im Umkreis von 120 Kilometern mindestens drei weitere Unis gebe. „Das ist für uns Ansporn zu zeigen, dass wir es besser machen können.“
