Thomas Hermanns: „Männer sollten öfter in den Spiegel gucken“
Thomas Hermanns: „Männer sollten öfter in den Spiegel gucken“
Interview: Cornelia Wystrichowski
Er gehört zu Deutschlands bekanntesten Comedians: Thomas Hermanns gründete den legendären „Quatsch Comedy Club“, machte Karaoke bei unseren östlichen Nachbarn bekannt und sorgt als Moderator regelmäßig für Glamour und gute Laune. In seinem neuen Buch „Sexy Sixty“ gibt der Entertainer anlässlich seines 60. Geburtstags Anfang März Tipps, wie man auch im Alter gesund und attraktiv bleibt.
Thomas Hermanns, Sie werden Anfang März 60 Jahre alt. Was ist das für ein Gefühl?
Ich freue mich, es ist eine spannende Phase. Man muss nicht mehr alle Fehler machen, die man mit 30 oder 40 gemacht hat, und man ist hoffentlich noch fit genug, um den Spaß zu haben, den man sich verdient hat. Ich finde die Dekade so toll, dass ich sogar zweimal feiern werde, einmal im Ausland und einmal in Berlin. Ich finde, mit 60 hat man das Recht auf zwei Partys. Mit 70 dann auf drei. (lacht)
Sie haben aus diesem Anlass ein Ratgeberbuch mit dem Titel „Sexy Sixty“ geschrieben. Wie sexy soll man mit 60 noch sein?
Hermanns: Mit Sexyness meine ich nicht, dass jemand im knappen Häkel-Top sinnlich in die Kamera guckt. Nicht erotisch-pornografisch. Sexyness ist für mich, eine entspannte Ausstrahlung zu haben, humorvoll und flirty. Und auf keinen Fall verzweifelt jugendlich sein wollen! Viele Männer laufen ja im Kapuzenshirt rum und sehen aus, als gingen sie ins Fitnessstudio, aber ihr Körper strahlt aus, dass sie schon lange keins mehr gesehen haben. Das klappt nicht!
Ihr Rat?
Ich will die Männer ermuntern, öfter in den Spiegel zu gucken. Nicht nur einmal am Tag beim Rasieren und Zähne putzen, sondern dass sie sich auch mal im Profil angucken und eine Bestandsaufnahme machen. Nicht überkritisch. Man muss mit über 60 kein Sixpack mehr entwickeln. Aber man muss sich pflegen. Und dann das Thema Klamotten: Viele 60-Jährige verschwinden hinter Funktionskleidung und sehen plötzlich aus wie ein Wanderverein.
Mit Sexyness meine ich nicht, dass jemand im knappen Häkel-Top sinnlich in die Kamera guckt.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie sich noch regelmäßig dazu zwingen, auszugehen und die Nächte durchzumachen …
60 ist ein Alter, in dem man sich schon noch zum Ausgehen zwingen sollte. Die Verlockung ist groß, abends um zehn nur noch beim Netflix-Gucken auf der Couch zu versumpfen. Man muss sich zwingen, weiter am Nachtleben teilzunehmen, neue Leute kennenzulernen. Das hält einen frisch im Kopf. Aber es kostet mehr Arbeit im Vorbereiten, im Durchziehen, auch im Erholen – ich muss mich danach immer drei Tage lang schonen. Bestimmte Sachen fordern ab 60 einfach mehr Aufmerksamkeit. Man muss sich um manche Sachen mehr kümmern, ob das die Nasenhaare sind, die Fitness oder die Klamotten im Schrank.
Wer ist Ihre Stilikone?
Mein großes Vorbild ist der Schauspieler Jeff Goldblum, er ist 70 und sieht immer noch top aus. Er ist immer altersgerecht stylish angezogen, nie übertrieben jugendlich. Er trägt viel Rolli, auch Glitzerrollis, die mich begeistern. Dazu der Trick mit der großen Brille, das kaschiert die Augenfalten. Großartig.
Sie plädieren auch für ein dezentes Make-up bei Männern. Wann schminken Sie selber sich? Im Alltag oder nur zum Ausgehen?
Nur zu besonderen Anlässen, das ist für mich eine Abendsache. Viele Männer würden ja nicht mal ein Puder verwenden, wenn sie in die Oper gehen, dabei macht es fünf Jahre jünger, wenn man es um die Augen rum aufträgt. Es müssen ja nicht gleich Lidstrich und Wimperntusche sein. Allerdings möchte ich die Männer nicht dem Stress aussetzen, den sich viele Frauen machen, die sich nicht ungeschminkt aus dem Haus trauen.
Hat man es als schwuler Mann mit 60 heute eigentlich leichter als früher?
Ja, total. Ich glaube, weil es andere Bilder gibt. Wir haben jetzt auch schwule Männer, die Väter sind, wir haben schwule Männer, die Politiker sind. Früher gab es nur dieses eine Bild: Schwule sind jung, hübsch, sportlich, fröhlich. Das hat sich erweitert durch die Emanzipierung und die gesetzlichen Möglichkeiten. Die Bilder haben sich erweitert, und das macht den Weg frei für größere Individualität.
Sind Sie stolz darauf, dass Sie zur größeren Akzeptanz von Queerness beigetragen haben?
Sehr sogar. Ich hatte mir das gar nicht so bewusst vorgenommen, ich war nie der fahnenschwingende Typ. Das hat sich organisch entwickelt. Bei der Stand-up-Comedy erzählt man ja persönliche Geschichten, und irgendwann kam ich an den Punkt, wo ich sagte: „Ich sitze mit X am Frühstückstisch.“ Und da habe ich eben gesagt, dass ich mit meinem Mann am Tisch sitze. Das war gar nicht als Message kalkuliert. Ich muss aber sagen, die ersten schwulen Männer, die ich kannte, waren in einer schwulen Politgruppe in Nürnberg, ich bin also gleich in einem politisierten Umfeld aufgewachsen. Wenn in den Anfängen meiner Fernsehkarriere jemand vom Sender gesagt hätte: Lass das mal weg, das hätte ich natürlich nicht befolgt, dafür war ich zu selbstbewusst. Wenn jetzt junge Männer oder junge Lesben zu mir kommen und sagen, dass ihnen das beim Comingout geholfen hat, freut mich das extrem.
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