Simo Häyhä, der weiße Tod
Simo Häyhä, der weiße Tod
Er war ein einfacher Mann vom Land. Er kannte sich im Gelände aus. Er konnte schießen. Und er brachte all diese Eigenschaften emotionslos und ohne große Regung zusammen, um sein Land vor der Roten Armee zu verteidigen: Simo Häyhä gilt als der beste militärische Scharfschütze aller Zeiten. Er kommt in nur 98 Tagen Fronteinsatz im finnischen Winterkrieg von 1939/40 auf 505 erschossene Gegner. 37 weitere, unbestätigt, sollen noch dazu kommen. Zum Vergleich: Chris Kyle, der durch eine Hollywood-Verfilmung berühmt gewordene US-Scharfschütze im Irak-Krieg, kommt auf 160.
Wie ein im wahrsten Wortsinn eiskalter Killer sah Häyhä dabei nicht gerade aus: Er war klein, gerade mal 1,60 Meter. Auf dem bekanntesten Foto grinst er breit. Es gibt noch ein früheres, da ist er gerade mal 18 oder 19, ein junger, argloser Rekrut in der finnischen Armee Mitte der 1920er. Und ein späteres, nach dem Ende des Winterkrieges 1940 - da hat ihm eine russische Kugel das Gesicht böse zerschossen, aber verbittert wirkt er trotzdem nicht. Und was war inzwischen?
Ohne Zielfernrohr
Simo Häyhä kommt 1905 als Sohn einer Bauernfamilie in Rautjärvi nahe der finnisch-russischen Grenze zur Welt. Das Jagen auf Skiern wird ihm in die Wiege gelegt, während seines einjährigen Wehrdienstes ab 1925 schließt er sich der finnischen Nationalgarde an. Beim Ausbruch des Winterkrieges meldet er sich mit Mitte dreißig erneut und wird als Scharfschütze eingesetzt. Nun beginnt seine beispiellose Karriere als „der weiße Tod“, so sein Beiname, den ihm die verängstigen russischen Soldaten geben.
Mit einem Gewehr vom Typ Mosin-Nagant M/28, dem finnischen Modell einer russischen Repetierbüchse, geht Häyhä auf die Jagd nach Rotarmisten – bei Temperaturen von teilweise 40 Grad unter null in einer Jahreszeit mit kurzen Tagen und langen Nächten. Er pirscht sich auf etwa 150 Meter heran, viel näher als heutige Scharfschützen mit ihren Hochleistungswaffen.
Häyhä bereitet sich akribisch vor, wartet geduldig und nutzt einfachste Tricks: Er benutzt kein Zielfernrohr, weil er durch Lichtreflexe seine Deckung verraten würde, zudem könnte die Optik beschlagen. Den Schnee um sein Schützenloch bespritzt er mit Wasser und stampft ihn fest, damit der Schuss ihn nicht sichtbar aufwirbelt. Und: Er nimmt vor dem Schuss eine Handvoll Schnee in den Mund, damit sein Atem nicht kondensiert und sichtbar wird.
„Was ich gefühlt habe? Den Rückstoß“
Häyhäs Erfolge schwächen und demoralisieren den Gegner. Im Schnitt tötet er als Teil der finnischen Guerilla-Taktik fünf Russen pro Tag, an einem Tag sollen es gar 25 gewesen sein. Die Rote Armee setzt ein Kopfgeld auf ihn aus, feuert aus allen Rohren dahin, wo sie ihn vermutet, russische Scharfschützen nehmen jetzt seine Fährte auf. Am 6. März 1940, dem 98. Tag des 105 Tage dauernden Winterkrieges, trifft ein russisches Explosivgeschoss Häyhäs Unterkiefer. Er fällt ins Koma und erwacht eine Woche später, genau an dem Tag, als der Friedensvertrag zwischen Finnland und der Sowjetunion unterzeichnet wird - was ihn endgültig zur Legende macht.
Simo Häyhä, der Bauer aus Ostfinnland, wurde 96 Jahre alt, er starb 2002. Zuletzt lebte „der weiße Tod“ trotz seiner Bekanntheit zurückgezogen als Hundezüchter und Elchjäger, ohne Familie, kinderlos. Zwei Zitate von ihm sind überliefert. „Ich tat, was mir gesagt wurde, so gut ich es konnte“, sagte er über seine militärische Karriere. Und, auf die Frage, was er gefühlt habe, wenn er einen weiteren russischen Soldaten erschoss: „Den Rückstoß.“
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