Jean-Louis Zeien: „Wir brauchen Pioniere“
Jean-Louis Zeien: „Wir brauchen Pioniere“
Ein T-Shirt für weniger als zehn Euro – wer günstig hergestellte Kleidung kauft, der akzeptiert damit auch die Situation der Textilarbeiter in der Dritten Welt. Und diese ist alles andere als rosig, wie auch Jean-Louis Zeien von Fairtrade Lëtzebuerg zu berichten weiß, der in den kommenden Tagen mit weiterdenkenden Akteuren, darunter Caritas Luxembourg, bei den „Fair Fashion Days“ in den Rotondes die Konsumenten sensibilisieren will.
Jean-Louis Zeien, das Thema „Fair Fashion“ ist in aller Munde. Was hat sich in diesem Bereich in letzter Zeit getan?
Es reicht leider nicht, dass „faire Mode“ in aller Munde ist – sie sollte auch auf aller Haut sein. In den vergangenen Jahrzehnten gab es enorme Probleme im Bereich der Textilindustrie: Menschenrechtsverletzungen, aber auch ökologische Probleme. Das war die Ausgangssituation, aus der auch in Europa ein Bewusstsein gewachsen ist, dass es nicht richtig sein kann, die Entwicklungsländer zu einer billigen Nähfabrik für Europa zu degradieren. Es ist wichtig, einen nachhaltigen Ansatz in der Textilbranche zu finden, der auch die Menschenrechte respektiert.
Vor sechs Jahren kam es in der Fabrik Rana Plaza in Bangladesch zu einem folgenschweren Unglück, bei dem 1 135 Menschen starben und mehr als doppelt so viele verletzt wurden ...
Der Gebäudeeinsturz in Sabhar ist zu einem Symbol der wilden Globalisierung geworden, einer „Fast Fashion“, die wir uns nicht mehr leisten können und dürfen. Daraus ist eine Reihe von Initiativen für eine größere menschenrechtliche Sorgfaltspflicht entstanden. Gesetze in diesem Bereich hat in Europa bislang nur Frankreich eingeführt. Und nach wie vor sind die Zustände in den Ländern wie Bangladesch noch skandalös.
Was passiert konkret in den betroffenen Gebieten?
Im Januar sind beispielsweise in Bangladesch noch Tausende auf die Straße gegangen, da das Mindesteinkommen noch viel zu niedrig ist. Obwohl sie nur für ihre elementaren Rechte eingetreten sind, wurden sie zurückgedrängt und viele haben ihre Arbeitsplätze verloren. Der Mindestlohn ist dort zwar gestiegen, aber er beträgt nur 50 Prozent dessen, was von den Gewerkschaften gefordert wird. Ich war kürzlich in Genf anlässlich eines UN-Forums zum Thema Menschenrechte. Dort wurde eine Studie vorgestellt, aus der herausgeht, dass bei 250 Betrieben positive Änderungen festgestellt wurden. Aber wir dürfen trotz punktueller Verbesserungen nicht vergessen, dass es noch eine große Quelle für Problematiken gibt – und das ist das Subcontracting, bei dem Verträge einfach weitergereicht werden und man kaum noch nachvollziehen kann, wer die Aufträge eigentlich vergibt. Und sobald in einem Land die Gehälter steigen, ziehen viele Fabriken einfach weiter, etwa nach Afrika, wo die Konditionen noch erbärmlicher sind und Freihandelszonen geschaffen werden, in denen noch weniger Arbeitsrechte beachtet werden.
Und wie sieht es in Sachen Umweltverschmutzung aus?
Die Modeindustrie ist eine der pestizidintensivsten, in der laut Weltgesundheitsorganisation tausende Tote zu beklagen sind. Auch hier müssen wir nach konstruktiven Lösungen suchen. Manchmal muss man sich einfach nur darüber bewusst werden, was wir da als zweite Haut tragen.
Ist es einfach, im Großherzogtum „faire Mode“ zu finden?
In Luxemburg ist das immer noch eine Herausforderung, anders als etwa bei Lebensmitteln. Trotz einer guten Kampagne stehen wir hier noch am Anfang eines Sensibilisierungsprozesses. Bei Geschäften, die ihre Einkaufspolitik selbst definieren können, merkt man, dass ein wachsendes Bewusstsein vorhanden ist. Bei den großen Ketten hat man natürlich in Luxemburg keinen Einfluss. Aber auch da sind positive Veränderungen feststellbar, etwa die Nutzung von Biobaumwolle. Aber das alleine reicht noch nicht aus. Die erste luxemburgische Fair-Fashion-Kollektion von Jacques Schneider und der Upcycling-Shop von Georges Kieffer, aber auch Akteure wie Akabo und Naturwelten in der Textilbranche sind positive Beispiele. Wir brauchen solche Pioniere.
Wie kann der Konsument – außer durch den Erwerb von „fairer Mode“ – noch dazu beitragen, die Situation der Textilarbeiter zu verbessern?
Als Einzelperson hat man auch die Möglichkeit, gezielt Projekte zu unterstützen, wie etwa ein Projekt der Caritas zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Textilarbeiter in Bangladesch. Natürlich kann man auch politische Forderungen unterstützen, die sich für eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht der Unternehmen einsetzen.
Wie führt man jüngere Konsumenten an dieses Thema heran?
Darum geht es auch bei den „Fair Fashion Days“: Es finden mehrere Workshops für Schüler der Sekundarstufen statt, die sich mit „Fair Fashion“ auseinandersetzen. Ziel ist es, die jungen Menschen zu sensibilisieren, bevor sie zum Handeln übergehen.
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