Die „Titanic“, ein Mammut ohne jeden Vergleich
Die „Titanic“, ein Mammut ohne jeden Vergleich
(dpa) - Ein Schiffbruch schien unvorstellbar. „Wir sind auf einem Schiff, das unsinkbar ist“, sollen die Ingenieure der „Titanic“ einst gesagt haben. Ausreichend Rettungsboote für alle Passagiere schienen überflüssig. Ein Meisterwerk des Schiffbaus in bis dato unerreichter Größe, gebaut in mühevoller Handarbeit, mit allem Luxus, besonderen Sicherheitsvorkehrungen und Liebe zum Detail. Ein mehr als 52.000 Tonnen schwerer Koloss, geschaffen für die Ewigkeit - der jedoch nur zu einer einzigen Reise aufbrach, die auf tragische Weise endete.
Vor 110 Jahren, am 10. April 1912, stach die „Titanic“ in See. Nur vier Tage später, am 14. April, kollidierte das Schiff mit einem Eisberg, der sein Schicksal besiegelte. Das scharfe Eis beschädigte den Schiffsbauch und riss folgenschwere Lecks. Innerhalb von Stunden liefen Unmengen Wasser in die „Titanic“, die schließlich auseinanderbrach, Feuer fing und in die Tiefe sank. Hunderte Menschen konnten sich auf den wenigen Rettungsbooten in Sicherheit bringen, rund 1500 Passagieren und Crew-Mitgliedern aber brachte das eisige Wasser des Nordatlantiks den Tod.
Die Faszination des Untergangs
Heute, im Jahr 2022, fasziniert die Tragödie noch immer. Auch viele junge Menschen sind unter den Besucherinnen und Besuchern der „Titanic“-Ausstellung, die in diesen Wochen am sogenannten Dock X im Südosten von London zu sehen ist. „Obwohl es 110 Jahre her ist, ist es, als ob es vor nicht allzu langer Zeit passiert wäre, und wenn wir diese Geschichten hören, können wir verstehen, dass wir uns nicht viel verändert haben - wir hätten alle dort sein können!“, sagte der schwedische Kurator der Ausstellung, Claes-Göran Wetterholm, der Deutschen Presse-Agentur.
Viele Fotos der Schiffsarbeiter und Passagiere von damals sind vergilbt, und doch schafft es die Schau, die „Titanic“ ein Stück weit ins Jetzt zu holen. „Ein Mammut ohne jeden Vergleich. Man kann es nicht glauben, bis man es gesehen hat“, heißt es in den Tagebuch-Notizen eines Beobachters wenige Tage vor der Jungfernfahrt. Läuft man durch die Nachbildung eines Flures, der auf der „Titanic“ zu den Erste-Klasse-Kabinen führte, bekommt man eine Ahnung, wie es sich damals angefühlt haben könnte, Fahrgast auf dem berühmten Dampfer zu sein. Klar wird auch, aus welch unterschiedlichen Hintergründen die Menschen an Bord kamen.
Der Smoking von Victor Peñasco
Für den jungen Spanier Victor Peñasco, dessen feiner Smoking zu den erhaltenen Originalstücken der Ausstellung gehört, war die Fahrt einfach ein großes Abenteuer, gemeinsam mit seiner Frau war er in der ersten Klasse unterwegs. Im untersten Teil der „Titanic“ schufteten hingegen die Arbeiter an den Kohleöfen, um den Energiebedarf des Schiffs zu stillen und das emsige Treiben am Laufen zu halten.
Wetterholm, der sich bereits seit den 1960er-Jahren mit der Historie der „Titanic“ auseinandersetzt, ist von dem Schiff selbst ebenso fasziniert wie von den Geschichten der Reisenden. Geht es um die Anekdote des Eherings der verunglückten Gerda Lindell, der Tage nach dem Unglück am Boden eines Rettungsbootes gefunden wurde, oder um die Schuhe eines kleinen Mädchens, gerät er ins Schwärmen. „All diese Dinge erzählen die menschliche Geschichte“, meint der Schwede.
Persönliche Dokumente und Briefe
Selbst Original-Fahrkarten und auf der „Titanic“ verfasste Briefe haben das Unglück überlebt. Sie sind Dokumente der großen und kleinen Hoffnungen im Gepäck der Passagiere. Nicht umsonst war die „Titanic“ auch als „Schiff der Träume“ bekannt. Von Southampton im Süden Englands aus begann sie ihre schicksalsreiche Fahrt. Ziel- und Sehnsuchtsort: New York.
Wie die Geschichte ausgeht, ist kein Geheimnis. Doch nachgestellte Aufnahmen davon, wie die wenige Tage zuvor noch von den Massen bejubelte „Titanic“ Stück für Stück unter der Wasseroberfläche verschwindet, entfalten einen Sog, dem man als Zuschauer nur schwer entkommt. Das Schicksal, trotz des neuesten Stands der Technik, der Wucht der Natur ausgeliefert zu sein, macht die „Titanic“-Saga auch heute zu einem aktuellen Stoff. Damals wie heute sind mit technischen Innovationen große Hoffnungen verbunden. Doch in Zeiten häufiger werdender Naturkatastrophen zeigt sich auch immer wieder, wie ausgeliefert der Mensch dieser Wucht sein kann.
Von Meerespflanzen überwuchert liegt das Wrack oder das, was davon übrig ist, bis zum heutigen Tag auf dem Grund des Ozeans. Kurator Wetterholm sieht die Geschichte der „Titanic“ auch als symbolisch für das an, was man im alten Griechenland unter „Hybris“ verstand – also die menschliche Sünde der Anmaßung und Selbstüberschätzung.
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