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Die Revolution im Netz
Panorama 5 Min. 18.04.2017 Aus unserem online-Archiv
Das Internet

Die Revolution im Netz

Internet, Vernetzung, Fernsteuerung, fernsteuern (Foto: Shutterstock)
Das Internet

Die Revolution im Netz

Internet, Vernetzung, Fernsteuerung, fernsteuern (Foto: Shutterstock)
Panorama 5 Min. 18.04.2017 Aus unserem online-Archiv
Das Internet

Die Revolution im Netz

Yves BODRY
Yves BODRY
Wir können es Sharing Economy, Gig-Economy oder New Economy nennen. Manchmal fällt es schwer, die Auswirkungen zu verstehen, denn die durch das Internet ausgelöste Revolution ist so explosiv wie asymmetrisch.

Die brillantesten Kinder sind eine Herausforderung für ihre Eltern und das Web bildet keine Ausnahme. Wenn Europa gerade seine 60 Jahre gefeiert hat, dann ist das von Tim Berners Lee am CERN-Labor in Genf erfundene Web ein junger, gerade mal 26-jähriger Uni-Absolvent. Doch das Netz revolutioniert bereits nicht nur die Kommunikation, sondern die gesamte Ökonomie. 

Wir können es Sharing Economy, Gig-Economy oder - wenn wir weiße Haare haben - New Economy nennen, aber das, was unser Leben, unsere Arbeit und unsere Art zu lernen verändert, ist, mit einem Wort, das Netz. Manchmal fällt es schwer, die Auswirkungen zu verstehen, denn die durch das Internet ausgelöste Revolution ist so explosiv wie asymmetrisch.

Milliarden ohne Strom

Weltweit warten mehr als eine Milliarde Menschen auf unserem Planeten noch immer auf einen Anschluss ans Stromnetz, was ihnen die zweite industrielle Revolution bescheren würde, aber die entwickelten Länder haben bereits die dritte (die der Computer) absorbiert und blicken auf die vierte, in der die physikalischen Prozesse durch digitale Verbindungen und Intelligenzen geregelt werden.

Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment, denn, wie der Schöpfer des World Economic Forum, Klaus Schwab, in seinem Buch „Die vierte industrielle Revolution“ feststellte: „Die Trends, die das 21. Jahrhundert prägen, verkörpern sowohl Versprechen als auch Gefahren und können die Gesellschaft fördern oder aber Fragmentierung und Ungleichheiten sowie Umweltschäden vergrößern.

Die sichtbaren Anzeichen dieses Fortschritts sind Autos, die sich allein lenken können, intelligente Fabriken, die immer höher qualifizierte Arbeiter brauchen und Sharing-Plattformen für Fahrräder, Häuser, Boote und Autos oder Kleidungsstücke, die in Echtzeit unsere Gesundheit überwachen können. Vor kaum zehn Jahren schien dies alles unmöglich zu sein (es gab nicht einmal das iPhone), aber die Geschwindigkeit dieses Vorspulens in die Zukunft wird sich in den kommenden Jahren erhöhen, und wir müssen seine Natur verstehen, wenn wir versuchen wollen ihre Auswirkungen zu steuern.

Drei Schlüssel

In sozioökonomischer Hinsicht sind die hinter dieser Beschleunigung durch die Technologie der Netze stehenden Schlüssel mindestens drei. Der erste wird durch die Plattform-Firmen verkörpert, oder besser gesagt „Platfirms“, wie Sangeet Paul Choudary sie nennt, Autor zusammen mit Van Alstyne von „Die Revolution im E-Commerce: Wie neue Plattform-Geschäftsmodelle von airbnb und Co. den Markt verändern - Methoden und Strategien für Unternehmensgründer und Start-ups“ (mitp Business 2017). 

Ein bereits vor unseren Augen stehendes, perfektes Beispiel dafür ist AirBnb, das heute mit über 2 Millionen Hotelzimmern in 34.000 Städten und 190 Ländern über mehr Zimmer als die zehn größten Hotelketten zusammen verfügt. Nicht umsonst sind 70% der Einhörner, jene 115 globalen Unternehmen, die mindestens 1 Milliarde Dollar wert sind, bereits Plattformen. Manche sind börsennotiert wie Google, Amazon, Facebook, eBay, Intel, Alibaba, Tencent und Snapchat, andere sind privat und in großem Wachstum begriffen wie Uber, Xiaomi, Spotify oder Sap. Dies ist sicherlich ein kritischer Punkt für das Wirtschaftswachstum und den europäischen Arbeitsmarkt, denn, während in den USA laut CGE die „Platfirms“ einen Gesamtwert von mehr als 3000 Milliarden haben und Asien sich einer Milliarde nähert, hat Europa einen Wert von knapp 181 Milliarden.

Internet der Dinge

Die zweite durch das Netz eingeführte Mutation ist das Internet der Dinge (IoT - internet of things), das es allen uns umgebenden Objekten ermöglicht, miteinander zu kommunizieren. Dessen Inkarnation sind die Wohnungen, die wir bewohnen, Kleidung und Accessoires, die wir tragen, sowie die zur Verlängerung unseres Körpers aufgestiegenen Smartphones und die 3D-Drucker, die in vielen Fabriken Einlass gefunden haben, aber das ist nur der Anfang. In wirtschaftlicher Hinsicht werden wir die tatsächlichen Auswirkungen des IoT in den nächsten Jahren wahrnehmen, wenn immer intelligentere und automatisiertere Fabriken und Büros immer wenigere, aber besser ausgebildete Menschen brauchen werden. In dieser Hinsicht hat der Alte Kontinent einmal die USA hinter sich gelassen und mehrere europäische Länder, in erster Linie Deutschland mit seinem Projekt Industrie 4.0 und, in geringerem Maße, Großbritannien, Belgien, Italien und Frankreich haben bereits politische Entscheidungen getroffen, um ihre Unternehmen während dieser Transition zu begleiten. 

Ein Beispiel hierfür ist Michelin, das sein Geschäft verwandelt, indem es vom traditionellen, auf dem Produkt basierenden Modell zum neuen, auf dem Service basierenden Modell übergeht, dem sogenannten tyre-as-a-service. Die Analystenschätzungen zeigen, dass Unternehmen, die dabei sind, ein vernetztes Modell zu übernehmen, in den nächsten fünf Jahren bis zu 181 Milliarden Euro in der Automobilindustrie und 39 Milliarden in der Industrie allgemein in Technologien investieren werden, um ein vernetztes, industrielles Arbeitskraftpotenzial zu schaffen, bei dem Menschen und Roboter nebeneinander arbeiten. 

Die Kompetenzen

Der dritte Schlüssel zu dieser laufenden Revolution sind die Kompetenzen. Die EU schätzt, in der Tat, dass wir im Jahr 2020 800.000 Personen mit diesen Kompetenzen brauchen werden, und es ist daher dringend erforderlich, die Ausbildungspolitik zu überprüfen, aber auch darüber nachzudenken, wie das Arbeitsrecht angepasst werden kann. Unsere Schulen und Universitäten verändern sich nur langsam und benutzen noch ein Modell des neunzehnten Jahrhunderts, das im Grunde die Bildung in einem Teil des Lebens verankert sieht, und unsere Kompetenzen dadurch einem sehr hohen Risiko des Veraltens aussetzt. Dies ist vielleicht die größte Herausforderung der technologischen Entwicklung an das sechzigjährige Europa, weil der Zugang zu Ausbildung und Kompetenzen im digitalen Bereich die Grundlage der Demokratie sein wird. In Anbetracht dieser drei Hauptbereiche des Wandels, ist offensichtlich, dass eine offene Diskussion über das, was die Europäer von heute vom Internet der nächsten zehn Jahre wollen, längst überfällig ist und in gewisser Weise in diesem großen Augenblick des Wandels der EU unabdingbar ist. 

Der Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2009 identifiziert in der Achtung von Würde und Menschenrechten, Freiheit, Demokratie und Gleichheit die Schlüsselwerte Europas. Diese Werte vereinen alle Mitgliedstaaten und die digitale Entwicklung weist sowohl Gelegenheiten, sie zu erweitern, als auch Risiken, sie zu komprimieren, auf. 

Die von REIsearch und acht europäischen Tageszeitungen mit der Unterstützung der Europäischen Kommission gestartete Online-Konsultation über die Netzwerkentwicklung - die im vergangenen Jahr die Meinung von 60.000 Europäern zu chronischen Erkrankungen gesammelt hat - ist deshalb eine einmalige Gelegenheit, um von seiten des Volkes einen Hinweis auf die notwendigen politischen Maßnahmen zu geben, die der Förderung der Werte dienen, die die Union auch im digitalen Zeitalter charakterisieren. Die Technologie geht immer der Politik voran, aber eine Regelung kann nur aus einer offenen Diskussion darüber entstehen, wie die EU-Werte in diesem neuen Kontext gewahrt werden können.

Atomium European Institute for Science, Media and Democracy 


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