Der kritische "Calypso-King"
Der kritische "Calypso-King"
(dpa/tom) - Das größte Geschenk kommt von seiner Heimatstadt New York: Gleich eine ganze Stadtteil-Bibliothek wird künftig Harry Belafontes Namen tragen, natürlich in Harlem, da wo er am Mittwoch vor genau 90 Jahren geboren wurde. „Harlem hat einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen und ich fühle mich geehrt, dass ich jetzt einen speziellen Platz in Harlem haben werde“, kommentierte Belafonte. Grammy, Oscar und viele andere Preise hat Belafonte schon, aber die Bibliothek in Harlem ist eine ganz besondere Ehre.
"Daylight come an me wanna go home"
Mit zwei lang gezogenen Silben wurde Belafonte einst zum Weltstar: „Daaaay-Ooo“ singt er zum Auftakt des Calypso-Hits „Banana Boat Song“, längst ein Ohrwurm-Klassiker. Mehr als 100 Millionen Platten mit Songs wie „Island in the Sun“, „Matilda“ und „Jump in the Line“ verkaufte Belafonte.
Der Beiname "Calypso King" trifft zwar zu, wird dem großen Engagement des Multitalents auf vielen verschiedenen Bühnen aber nicht ganz gerecht. Er spielte in mehr als 40 Filmen mit und engagierte sich immer auch politisch. An der Seite von Martin Luther King Jr. kämpfte er für schwarze Bürgerrechte in den USA, mit Nelson Mandela gegen die Apartheid in Südafrika und als Unicef-Botschafter für Kinder auf Haiti und im Sudan.
Unvergessen ist auch die dramatische Geschichte, wie er 1964 mit Sidney Poitier 70.000 Dollar in bar nach Mississippi transportierte, um die Bürgerrechtsbewegung im Süden zu unterstützen - unter den Augen und in Schussweite des Ku Klux Klan, dem die beiden mit ihrem Geldkoffer nur mit einer Auto-Verfolgungsjagd entkommen konnten.
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Seine Lebensgeschichte ist die Geschichte Amerikas im 20. Jahrhundert. 1927 wird Belafonte im Schwarzenviertel Harlem geboren, verbringt aber einen großen Teil seiner Jugend in der jamaikanischen Heimat seiner Mutter. Im Zweiten Weltkrieg dient er in der US Navy und besucht danach in New York die legendäre Schauspielschule des emigrierten deutschen Regisseurs Erwin Piscator mit Kollegen wie Tony Curtis und Marlon Brando. Gerne wäre er der „erste schwarze Hamlet“ geworden, wie er einmal in einem Interview sagte. Stattdessen wurde es Hollywood mit Filmen wie „Bright Road“ (1953) und Otto Premingers „Carmen Jones“ (1954).
Weltmusik, Calypso und Protest
Die Musik kam dazu und Belafonte, Sohn eines Schiffskochs aus Martinique und einer Hilfsarbeiterin aus Jamaika, wurde schließlich zum „Calypso-King“. Von Anfang an war er aber außerdem das, was man heute "Weltmusik" nennen würde - und zudem ein extrem talentierter Entertainer, wie nicht zuletzt die grandiosen Mitschnitte seiner Shows in der Carnegie Hall aus den Jahren 1959 und 1960 beweisen. Im Repertoire finden sich alte Folk-Blues-Nummern wie "John Henry" oder "Cotton Fields" ebenso wie irische Balladen ("Danny Boy") oder das hebräische Volkslied "Hava Nagila". Zwei Jahre später, auf "Midnight Special", sollte übrigens ein junger Mann namens Bob Dylan sein Debüt geben: Dylan erscheint hier als Mundharmonikaspieler, es ist seine erste offizielle Aufnahme.
Hinter der heiteren Urlaubsmusik Calypso, mit der Belafonte danach weltweit berühmt wurde, steckt ein Aufschrei gegen Sklaverei. „So haben meine Vorfahren eben ihren Protest verpackt. Schwarze Kunst war immer verschlüsselt“, sagt Belafonte. Abseits der Musik verschlüsselt er seine Kritik nicht - ob an Präsidenten wie George W. Bush, Barack Obama und Donald Trump, oder auch an seinen Musikkollegen, denen er vorwarf, sich nicht mehr um ihre „gesellschaftlichen Pflichten“ zu kümmern.
"Was brauchen wir jetzt?"
In seiner 2012 erschienenen Autobiografie „My Song“ sprach Belafonte auch von seinen dunklen Seiten, von seiner Spielsucht und Untreue beispielsweise. Zwei Ehen zerbrachen, in dritter Ehe ist der Vater von vier Kindern seit 2008 mit der Fotografin Pamela Frank verheiratet.
Nun sei er an einem Punkt in seinem Leben angelangt, an dem er auf alles noch einmal zurückblicke, sagte Belafonte jüngst der „New York Times“. „Als ich 20 oder 30 war dachte ich, alles auf der Welt ist möglich. Jetzt wache ich mit 90 auf, schaue mich um und sage: 'Was brauchen wir jetzt?' Wir brauchen jetzt die selben Dinge wir zuvor. Die Bewegung stirbt nicht, weil der Kampf nicht stirbt.“
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