Der große Unterschied
Der große Unterschied
(dpa) - Warum komme ich nicht weiter? Was will ich eigentlich? Und wie erreiche ich es? Solche Fragen stellen sich viele im Laufe des Lebens. Beißt man sich daran fest, sind Impulse von Außenstehenden oft hilfreich. Aber genügt das Gespräch mit einem Coach, um wieder in die Spur zu kommen? Oder ist das Problem so schwerwiegend, dass eine Therapie nötig ist? Betroffene müssen diese Wahl zunächst ohne Hilfe treffen.
Enorme Bandbreite an Angeboten
Ein Coaching soll den Hilfesuchenden in die Lage versetzen, die eigenen Ressourcen zu aktivieren, erklärt Alexander Brungs, Coach und Vorstand des Deutschen Coaching Verbandes (DCV). Gespräche auf Augenhöhe führen idealerweise dazu, dass er wieder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten findet oder erkennt, was er eigentlich möchte - und was nicht. Die Bandbreite der Angebote ist enorm: von der Selbstfindung über grundsätzliche Fragen zur Lebensplanung, Probleme in Partnerschaft und Familie bis hin zur Trauerbegleitung, und natürlich Coaching für den Job.
Je nach Fragestellung bedienen sich Coaches auch psychologischer Hintergrundmodelle. Ist Coaching also quasi eine Psychotherapie light? Nein, die Grenzen sind klar geregelt: Während sich gesunde Menschen durch Coaching unterstützen lassen können, richtet sich Psychotherapie an Menschen, die sich durch ihr Problem im Alltag eingeschränkt fühlen. Unter anderem der Leidensdruck ist entscheidend dafür, ob jemand krank ist.
Thomas Fydrich, Professor für Psychotherapie an der Humboldt-Universität Berlin, erläutert den Unterschied an einem Beispiel: Viele Menschen haben Angst vor Prüfungen. Zu schauen, woher die Angst rührt und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wiederzufinden - das wäre eher ein Fall für den Coach. „Wenn diese Angst aber so schlimm wird, dass das Hinausschieben von Prüfungen mit der eigenen Lebensplanung in Konflikt gerät, man etwa das Studium von Semester zu Semester verschleppt, wird die Prüfungsangst pathologisch und kann in einer Therapie behandelt werden.“
Das heißt aber nicht, dass ein Coaching nur an der Oberfläche kratzt. Weil man auf einen Therapieplatz lange warten muss und psychische Erkrankungen noch immer stigmatisiert werden, kostet der Anruf bei einem Coach vielleicht weniger Überwindung. Es kann aber auch in einem Coaching durchaus ans Eingemachte gehen. Sich selbst schwierige Fragen zu stellen - „das ist ein herausfordernder, manchmal unangenehmer Prozess“, sagt Nina Meier, Coach und Rechtsanwältin in Kaltenkirchen bei Hamburg. Idealerweise kommt der Coachee selbst auf eine Lösung für sein Problem. Meier zufolge wirke das häufig befreiend.
Die Suche nach dem Coach
Einen guten Coach zu finden, ist allerdings nicht so einfach. Denn anders als Psychotherapie ist Coaching nicht gesetzlich reglementiert. Im Prinzip kann sich jeder Coach nennen. Eine spezifische Qualifikation ist keine Voraussetzung. Manche Coaches versprechen das Blaue vom Himmel - nach dem Motto: 'Wir machen Sie fit für dies und das'“, sagt Brungs. Aber: „Es kann keine Erfolgsgarantien im Coaching geben.“ Der Klient bestimmt zwar die Themen und Ziele des Coachings. Der Prozess bleibt jedoch stets ergebnisoffen.
Doch was passiert umgekehrt, wenn sich jemand mit einer psychischen Erkrankung in ein Coaching begibt? Meier zufolge sollte das kein Problem sein: „Im Coaching geht es darum, sich weiterzuentwickeln. Wer psychisch krank ist, kommt nicht wirklich voran“, sagt sie. Die Methoden des Coachings reichen dann schlichtweg nicht aus. „Als Coach merke ich das sofort.“ Auch Fydrich sieht hier kein großes Risiko. Vor diesem Hintergrund wäre es ihm zufolge dennoch sinnvoll, dass Coaches über eine fundierte psychologische Ausbildung verfügen.
Ob jemand mit seinem Problem erstmal beim Coach vorstellig wird oder gleich einen Therapieplatz sucht, ist dem Betroffenen also erstmal selbst überlassen. Spätestens nach dem ersten Gespräch sollte aber klar sein, ob der Weg besser über Coaching oder eine Therapie führt.
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