Corona in Afrika: Maismehl für Familien
Corona in Afrika: Maismehl für Familien
Mehl, Hefe, Nudeln und Toilettenpapier – die Supermärkte profitieren von der steigenden Nachfrage durch Hamsterkäufer. Und das nicht nur in Luxemburg und den Nachbarländern. Überall auf der Welt decken sich die Menschen mit dem Notwendigsten ein, so scheint es. Doch das ist nicht richtig, wie die Luxemburgerin Yasmine Hémès zu berichten weiß, die im Nordosten Südafrikas, "im Busch", wie sie es nennt, lebt.
"Mein Freund Boris meinte, nachdem ich Informationen zum hiesigen Lockdown gepostet habe, dass ja sicherlich auch hier die Geschäfte leer gekauft werden", berichtet die 57-Jährige, die vor sechs Jahren Luxemburg verlassen hat. "Nein, hier haben die Menschen kein Geld, um Hamstereinkäufe zu tätigen." Die Menschen leben von fünf Euro am Tag – oder noch weniger. "Viele sind Tagelöhner und haben keine Ersparnisse."
Yasmine Hémès arbeitete in Luxemburg als Grafikdesignerin. Doch das war ihr nicht genug. 2013 gründete sie zunächst den Luxemburger Ableger der Meeresschutzorganisation "Sea Shepherd", dann zog sie von Sanem nach Sharm El Sheikh in Ägypten, wo sie unter dem Namen "Sea Shepherd Marine Debris" rund 20.000 Kilogramm Abfall und 23 Kilometer Fischerleinen aus dem Meer zog – zum Schutz der Meere und deren Bewohner.
Nach Südafrika hat es sie schließlich 2016 nach einem Besuch bei Freunden verschlagen. "Ich habe mich einfach in das Land und die Menschen hier verliebt." Doch wirklich viel zu tun gab es für die Meeresschutzaktivistin in der Region Umhlabuyalingana, wo ihre Bekannten leben und sie sich mittlerweile eine eigene kleine Lodge aufgebaut hat, nicht. Der iSimangaliso Wetland Park ist bereits als Naturschutzgebiet deklariert – er trägt sogar das Unesco-Label "Weltnaturerbe".
Brunnenbau in Südafrika
Geblieben ist sie trotzdem – und weiterhin ist sie aktiv: mit der von ihr gegründeten Hilfsorganisation "Izulu Water". "Ich habe Menschen gesehen, die riesige Wasserfässer über die Straßen rollen, Frauen und sogar Kinder", erklärt Yasmine Hémès. "Ich war schockiert, als ich hörte, dass sie diese über Kilometer transportieren müssen. Es gibt keinerlei Wasserinfrastruktur. Die Region zählt zu den ärmsten Gegenden des Landes."
Mit Spenden versucht sie vor Ort Hilfe zu leisten und Brunnen anzulegen. Bislang konnten bereits 24 sogenannte Borholes geschaffen werden – 7.000 Menschen haben dadurch Zugriff auf Wasser. Viel Hilfe erhält sie aus ihrer Heimatgemeinde, wie sie verrät, auch von oberster Stelle. "Bürgermeister Georges Engel hat mich schon immer unterstützt."
Das Problem ist: Die Menschen haben überhaupt keine Angst vor dem Virus.
Yasmine Hémès
Der vor rund einer Woche verhängte Lockdown und die Reaktion ihres Freundes Boris haben bei Yasmine Hémès zu einer weiteren Frage geführt: Wie kann ich den Menschen vor Ort helfen, die Zeit zu überstehen und dabei vor allem den Hunger zu stillen? "Die Menschen müssen zu Hause bleiben, ohne Arbeit, ohne Lohn", so die Aktivistin. "Sie haben kein Geld, um sich Vorräte anzulegen. Wir brauchen Spenden, damit die Leute hier nicht verhungern."
Dies verhindern sollen Essenspakete: Eine sogenannte Combo besteht aus 25 Kilo Maismehl sowie Milch, Öl, Bohnen, Gewürzen und Suppe. "Das Paket kostet 218 Rand, rund elf Euro, und reicht für drei Wochen für vier Menschen."
"So vielen wie möglich helfen"
Die Gemeinde zählt rund 8.900 Einwohner. Bislang hat Yasmine Hémès etwa 900 Anfragen erhalten. "Die Menschen stehen täglich vor meiner Tür und die Liste wird länger und länger. Wir wollen so vielen helfen wie möglich." Bislang konnte man rund 870 Combos erwerben, die Verteilung laufe langsam an. "Auch, weil der Hunger erst in ein, zwei Wochen so richtig einsetzen wird." Zu jeder Combo gibt es einen Zettel, in dem die Menschen mehr über das Corona-Virus erfahren – und über den Schutz vor diesem.
Wirklich angekommen ist das Virus in den Köpfen jedoch noch nicht, wie Yasmine Hémès berichtet. "Das Problem ist: Die Menschen haben überhaupt keine Angst vor dem Virus", so die Luxemburgerin. "Wenn sie hier bei mir am Tor stehen und sich auf die Listen für die Essenspakete eintragen, erkläre ich ihnen, wie wichtig zwei Meter Abstand sind. Die Leute sind wirklich lieb und machen das auch – nach zwei Minuten ist aber alles vergessen."
Ein Grund für den unbedarften Umgang mit dem Thema sei fehlende Aufklärung. "Fast niemand hat Internet, die Menschen haben nur alte Telefone, die nächste Stadt ist weit entfernt", erklärt sie. "Alle sind dankbar, nett und sehr geduldig – aber leider auch total unwissend." Um zur Aufklärung beizutragen, ist Yasmine Hémès bereits selbst aktiv geworden: Schon Tage vor dem Lockdown hat sie 840 Seifenstücke gekauft und den Menschen damit vermittelt, wie wichtig Händewaschen ist.
Das nächstgelegene Krankenhaus befindet sich in Mseleni, rund 40 Kilometer entfernt. Dessen Ausstattung kann nicht annähernd mit der von hiesigen Kliniken mithalten. Kaum auszudenken, was passieren würde, wenn sich in der Region viele Menschen mit dem Corona-Virus anstecken würden.
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