"Zunehmende Marktmacht Amazons": Trierer Traditionsbuchhandlung schließt
"Zunehmende Marktmacht Amazons": Trierer Traditionsbuchhandlung schließt
"Wir leben Bücher", so verkündet es die Inhaberfamilie Stephanus auf ihrer Firmenseite. Das zweistöckige Ladenlokal in der Trierer Fleischstraße, direkt gegenüber der Shoppingmall Trier Galerie, biete eine Auswahl an rund 60.000 vorrätigen Titeln an. Ein Button verweist auf die Kampagne "Erlebe deine Stadt - Buy Local." Doch damit ist es in knapp einem halben Jahr vorbei: Das Ladengeschäft wird am 28. Februar 2020 geschlossen, wie das Online-Fachblatt Buchreport am Dienstag berichtete.
Einer der Hauptgründe aus Sicht der Betreiberfamilie war, dass immer weniger Kunden lokal gekauft haben: „Wie etliche Buchhandlungen leidet unser Geschäft in der Fleischstraße seit Jahren unter der zunehmenden Marktmacht Amazons. Erschwerend kommt jetzt seit einiger Zeit hinzu, dass der stationäre Einzelhandel insgesamt durch den Online-Handel stark bedrängt wird und deutsche Innenstädte, wie auch Trier, Käuferfrequenz- und damit Umsatzrückgänge zu verzeichnen haben.” Vertriebs- und Marketingmaßnahmen sowie Kostensenkungen hätten in den vergangenen Jahren nicht gereicht, um entscheidend gegenzusteuern.
Kleiner Trost für Stammkunden des Hauses: Die gleichnamige Universitätsbuchhandlung im Höhenstadtteil Tarforst soll erhalten bleiben, ebenso der Fachbuchservice. Kunden hätten künftig die Möglichkeit, bestellte Bücher in der Innenstadt beim Schwesterunternehmen „Trier Souvenir” direkt an der Porta Nigra (Simeonstraße) abzuholen, so Geschäftsführer Georg Stephanus aus der vierten Generation des 1878 gegründeten Familienunternehmens. Die Mitarbeiter würden jedoch nicht weiterbeschäftigt, das Ladenlokal werde „an einen überregionalen Einzelhändler” vermietet.
Unkonventionelle Methoden
Stephanus versuchte in den vergangenen Jahren, mit Autorenlesungen, kreativen Aktionen wie "Book Blind Dates" oder Whisky-Lesungen, dem Instagram-Blog eines als "Literarischer Nerd" firmierenden Mitarbeiters, Kunden zu binden. Das Haus ist seit einem Jahrzehnt die größte unabhängige Buchhandlung in Trier, nachdem die Buchhandelskette Mayersche 2008 die damals eigenständige Buchhandlung Interbook übernommen hatte, die seitdem Interbook Mayersche Trier heißt.
Doch auch das durch seine markante Glasfassade bekannte Haus am Kornmarkt leidet unter der Onlinekonkurrenz: Seit Jahresanfang ist das oberste von drei Stockwerken geschlossen. Die Kette Thalia, die noch mit einem Ladenlokal in der Trier Galerie vertreten ist, hatte 2013 den größeren zweiten Standort in Trier dichtgemacht. Mit dem Ruhestand von Betreiber Richard Leuckefeld schloss zuletzt auch dessen Buchhandlung. Nach wie vor bestehen in Trier jedoch mehrere kleinere, unabhängige Buchhandlungen.
In den sozialen Netzwerken verbreitete sich die Nachricht vom Ende der Trierer Institution schnell. Viele Nutzer drückten ihr Bedauern aus. Vom "Ende einer Institution" schrieb der Autor Frank Jöricke; voller Vorfreude habe er bereits einer Lesung entgegengeblickt. "Ein echter Verlust für den Trierer Einzelhandel und die Fußgängerzone, in der die Zahl der Inhaber geführten Traditionsbetriebe immer überschaubarer wird", schrieb ein User bei Facebook. Ein anderer Nutzer kommentierte: "Bestelle ich nachmittags im Buchladen ein Buch, ist dieses in der Regel 24 Stunden später dort bereits abholbereit. Der Kauf im lokalen Geschäft schont die Umwelt, rettet lokale Arbeitsplätze und auch die Steuern werden ordnungsgemäß dort abgeführt, wo sie anfallen."
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