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Dieser Luxemburger Verein lässt Handys und Computer länger leben
Lokales 6 5 Min. 31.01.2023
Projekt Mobile-Bag

Dieser Luxemburger Verein lässt Handys und Computer länger leben

Hassan Almohammed ist für die Reparatur der Smartphones zuständig.
Projekt Mobile-Bag

Dieser Luxemburger Verein lässt Handys und Computer länger leben

Hassan Almohammed ist für die Reparatur der Smartphones zuständig.
Foto: Gerry Huberty
Lokales 6 5 Min. 31.01.2023
Projekt Mobile-Bag

Dieser Luxemburger Verein lässt Handys und Computer länger leben

Mike STEBENS
Mike STEBENS
Der Mobile-Bag hilft dabei, sich alter Mobiltelefone zu entledigen – und Gutes zu tun: Die Handys werden neu aufgesetzt und weitergegeben.

Patrick de la Hamette erinnert sich noch gut an das Jahr 2015, als viele Flüchtlinge, besonders aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan, den Weg über die sogenannte Balkanroute nach Luxemburg fanden. Damals habe man viel über die „Willkommenskultur“ geredet. 

Als der gelernte Elektroingenieur dann ein paar Syrer kennenlernte und ein Flüchtlingszentrum besuchte, erkannte er Handlungsbedarf. „Dort gab es kein Wi-Fi und keine Computer, aber die meisten Menschen hatten ein Smartphone“, erinnert er sich und ergänzt „viele haben darunter gelitten, dass sie lange warten mussten, bis sie in ihrer Aufnahmeprozedur vorankamen. Sie hatten nichts zu tun.“ 

Ohne Computer waren diese Menschen zum Teil aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Deshalb beschloss Patrick de la Hamette 2016, das Projekt Digital Inclusion ins Leben zu rufen.

Die Idee hinter Digital Inclusion

Seitdem ist viel passiert. Das Angebot von Digital Inclusion ist über die letzten Jahre kontinuierlich gewachsen. Mittlerweile wird die Asbl vom Familienministerium gesponsort. Ziel ist es, dass digitale Teilhabe für jeden Menschen möglich wird. Patrick de la Hamette führt aus: „Wir helfen Menschen, die ohne Unterstützung den Zugang zur digitalen Welt nicht finden. Wir sehen uns als innovatives soziales Start-up, das die Themen Ressourcenknappheit, Migration und digitale Inklusion verbindet.

Dieses Problem hat durch Corona an Aktualität gewonnen. „Durch die Pandemie ist die digitale Welt zum Mainstream geworden“, so Patrick de la Hamette. Er nennt das Homeoffice als Beispiel. Man hilft jedoch nicht nur digitalen Neulingen, sondern auch Menschen, die vorübergehend kein Smartphone haben, etwa weil sie es verloren haben oder es kaputtgegangen ist, schnell an ein neues Gerät zu kommen. 

Bei der Verteilung von Mobiltelefonen arbeitet die Vereinigung mit Sozialpartnern - Caritas, Rotes Kreuz, Office national de l'accueil (ONA) sowie die Sozialämter - zusammen. Diese entscheiden, wer in einer Notsituation ist und Anrecht auf ein Handy hat. Digital Inclusion stellt die Geräte lediglich zur Verfügung und verteilt Gutscheine an die Sozialpartner.

Anders sieht es bei Computern aus. Hier gilt die Voraussetzung, dass die betroffene Person die Teuerungszulage erhält oder als Flüchtling anerkannt ist. Erfüllt man diese Bedingungen beträgt die Wartezeit für einen Computer ein bis zwei Monate, für Smartphones liegt sie bei ein bis zwei Wochen. 

Ein Umschlag für das Handy

2018 rief Digital Inclusion das Projekt Mobile-Bag ins Leben, damals mit Unterstützung der Caritas und der Post. Den Platz der Caritas hat inzwischen Solina Aarbechtshëllef eingenommen. Das Besondere an dem Projekt ist seine Einfachheit: Wer ein Handy hat, das er nicht mehr braucht, kann es in einen Mobile-Bag einpacken und in einer beliebigen Post-Filiale abgeben. Auch Briefträger nehmen den Umschlag entgegen. 

Ende vergangenen Jahres wurde eine Neuauflage des Mobile-Bag gestartet. Die Taschen erhielten ein neues Design und wurden an Schulen, Gemeinden und Firmen verteilt

Die meisten Menschen nutzen nicht die gesamte Lebensdauer ihres Handys.

Patrick de la Hamette

Der Mobile-Bag erlaubt es, das eigene Smartphone umweltfreundlicher zu machen, wie Patrick de la Hamette klarstellt: „Man verbessert den eigenen Co2-Fußabdruck und verbraucht nicht mehr Ressourcen als nötig. Die meisten Menschen nutzen nicht die gesamte Lebensdauer ihres Handys. Unser Modell ermöglicht es, dies zu ändern.“ So können jene, die nicht auf das neueste Smartphone verzichten möchten, ihr altes Gerät abgeben. Es wird dann weiterbenutzt. Patrick de la Hamette gibt offen zu, dass dies auch ihn selbst betrifft, da er alle zwei bis drei Jahre auf ein neues Handymodell umsteigt. Zudem trägt das Projekt zur Schaffung von sozialen Arbeitsplätzen bei, die Menschen bei der Integration in den Arbeitsmarkt helfen. So arbeiten etwa Geflüchtete aus Syrien, der Ukraine und Eritrea an den Handys.


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Smartphones werden in Workshops repariert

Einer von ihnen ist Hassan Almohammed. Er hat vor seiner Flucht aus Syrien Handys repariert. Jetzt ist er für die Sanierung der Smartphones zuständig, die die Bedingungen erfüllen, um ein zweites Leben zu genießen. Er entscheidet auch, welche Geräte verschrottet werden. Letztere werden an Solina Aarbechtshëllef weitergeleitet und manuell recycelt. In der Regel können alle Generationen ab dem iPhone 7 noch auf den aktuellen Stand gebracht werden und sind somit voll funktionsfähig. Die Lebensdauer eines Smartphones liegt bei ungefähr sechs Jahren.

Das meiste Material kommt von großen Unternehmen.

Patrick de la Hamette

Digital Inclusion kann grundsätzlich Schäden an Smartphones wie kaputte Bildschirmgläser selbst reparieren. Viele Handys, die beispielsweise von Banken kommen, sind jedoch unbeschädigt und beanspruchen nur wenig zeitlichen Aufwand. „Das meiste Material kommt von großen Unternehmen“, betont Patrick de la Hamette. Er merkt an, dass er von diesen manchmal sogar neue, unbenutzte Tastaturen, die noch in der Originalverpackung sind, erhält, die sonst im Müll landen würden.

Unterricht für neue Nutzer

Seit vergangenem Jahr bietet Digital Inclusion auch Unterricht für Menschen an, die noch nie eine Computermaus oder ein Handy in der Hand hatten. Während zwei Stunden werden den Teilnehmern die Grundlagen in der Handhabung eines Smartphones nähergebracht. Diese sollen von Anfang an lernen, ihr Handy selbst zu bedienen, ohne direkten Eingriff des Lehrpersonals. Die Schulungen werden in acht Sprachen angeboten: Arabisch, Englisch, Französisch, Luxemburgisch, Persisch, Portugiesisch, Spanisch und Tigrinisch.

Hilfe für Menschen aus der Ukraine

Durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Flüchtlingsbewegungen hatte man auch in rezenter Vergangenheit alle Hände voll zu tun. „Selbstverständlich war es unser Anspruch, auch den Ukrainern zu helfen. Wir haben das geschafft, aber ohne die vielen Freiwilligen hätte es nicht funktioniert“, sagt Patrick de la Hamette. 

Dass zuletzt deutlich mehr Hilfe benötigt wurde, sieht man auch an den Zahlen. Verteilte Digital Inclusion 2021 noch 736 Computer und 241 Smartphones, so waren es im vergangenen Jahr 2.010 Computer und 271 Smartphones. Seit 2016 wurden über 5.700 Computer wiederverwendet.

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