Ein Bauwerk der Schande

Maximilian RICHARD

Von absurd bis witzig: In der täglichen Glosse „Gazettchen“ erzählen „Wort“-Autoren von ihren Erlebnissen des Alltags. Heute geht es um einen Haufen Schuhe.

Nicht umsonst gehört die Cheops-Pyramide zu den sieben Weltwundern. Mit ihren 138 Metern ist sie die höchste der Pyramiden von Gizeh. Neun Fußballfelder hätten auf ihrer Grundfläche Platz. Ziemlich imposant, insbesondere wenn man bedenkt, dass das komplexe Grabmal vor etwa 4.500 Jahren von Menschenhand errichtet wurde. 

Deutlich kleiner und weniger beeindruckend ist die Pyramide, die im Flur unserer Wohnung steht. Sie zählt nur mehrere Monate und ist einige Zentimeter hoch. Dabei ist eigentlich jeder Tag und Zentimeter einer zu viel. Im Grunde ist die Pyramide ein Bauwerk der Schande, ein Haufen Schuhe, der sich neben der Eingangstür in die Höhe stapelt. 

Am Anfang waren es nur zwei Paar. Das meistgenutzte Schuhwerk sollte einen privilegierten Platz außerhalb des Schuhschrankes bekommen. Manchmal muss es eben schnell gehen. Schön säuberlich standen sie aneinandergereiht auf einer grünen Matte.

Dann geschah es ganz schleichend. Ein Schuhpaar nach dem anderen fand den Weg neben die Wohnungstür. Das meistgenutzte Schuhwerk von gestern wurde das Fundament für die Pyramide von heute. Auf ewig verschollen und vergessen unter einer Vielzahl von Sohlen. 

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Die Lösung ist eigentlich einfach, immerhin steht auch ein Schuhschrank im Flur. Leserinnen und Leser meiner Gazettchen, die über ein gutes Gedächtnis verfügen, wissen jedoch: Mich plagt eine unüberwindbare Unordentlichkeit. Ausmisten, aufräumen, Ordnung schaffen zählen nicht zu meinen Stärken. 

Vielleicht geschehen noch Wunder und es packt mich die Aufräumwut. Zumindest steht der Frühjahrsputz ins Haus. Eigentlich der perfekte Moment, um Pyramiden abzureißen. In unserem Flur stünde dann zwar noch immer kein Weltwunder, dafür wäre er zumindest aufgeräumt. 

Hier finden Sie die gesammelten Gazettchen-Kolumnen. 

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