Stay Behind: funken und schleusen
Stay Behind: funken und schleusen
(str) - Wie funktionierte Stay Behind in Luxemburg? Was waren die Aufgaben des Netzwerks? Wie wurden die Nato-Geheimagenten ausgebildet? Antworten auf diese Fragen gab es am Montag von Srel-Agent Jean Kuffer.
1976 kam Jean Kuffer zum Geheimdienst. Als ehemaliger Ingenieur bei der Post war er denn auch beim Srel für die Technik zuständig. Ein gutes Drittel seiner Arbeit beim Srel machte aber etwas ganz anderes aus: Er war Ausbilder und Agentenführer im Stay-Behind-Netzwerk. Sein Codename im Geheimdienst lautete „HH“.
Er selbst sei zunächst vom Srel-Agenten Jos Ernster eingewiesen worden. Vier Monate lang habe er dann die neun Handbücher des „Allied Clandestine Comitee“ (AAC) studiert. Im April 1977 sei er dann zu einer weiteren Ausbildung gemeinsam mit einem Srel-Kollegen und zwei Belgiern nach Großbritannien geschickt worden, erklärt Kuffer vor der Kriminalkammer. Zu viert habe man dann von den Briten gezeigt bekommen, was im Stay-Behind-Netzwerk möglich sei.
Sabotagetechniken nur für Ausbilder
Zum Lehrstoff hätten Luftmarkierungen mit Taschenlampen und beispielsweise auch die Informationsbeschaffung durch aufmerksames Zuhören gehört. Einen halben Tag lang habe man den Agenten ebenfalls Sabotagetaktiken vorgeführt. Besonders beeindruckt sei er von der Sprengwirkung einer Briefbombe gewesen. Er habe an jenem Tag aber auch eine Brandbombe werfen müssen, was ihm nicht ganz geheuer gewesen sei, sagt Kuffer. Dieses Wissen habe allerdings nicht zu dem gehört, was er als Ausbilder an die Luxemburger Stay-Behind-Agenten weitergegeben habe, betont er.
Stay-Behind-Mitglieder habe er selbst nie angeworben, so Kuffer. Er habe neu angeworbene Agenten lediglich in Kommunikationstechniken ausgebildet und ihnen beigebracht, wie man „Kunden“ in- oder exfiltriere. Im Feldeinsatz habe er den Agenten gezeigt, wie man heimlich eine Landesgrenze überschreitet, wie man sich unauffällig in besetztem Gebiet fortbewegt.
„Diesen Leuten wurde gesagt, dass sie im Kriegsfall ihr Leben riskieren würden“, erklärte Kuffer. „Sie waren sehr kostbar. Im Kriegsfall wären sie es, die den Widerstand im Großherzogtum organisieren sollten“. Deshalb habe man den Agenten auch stets eingetrichtert, unauffällig zu bleiben, streng nach Vorschrift zu leben und sich nicht an offensiven Bewegungen zu beteiligen. Waffenbesitz sei ein absolutes Tabu gewesen.
Jährliche Übungsszenarien
Einmal im Jahr habe er sich mit jedem Agenten getroffen. Er habe dann mit jedem einzelnen Auffrischungsübungen durchgeführt. Dabei mussten sie dann einen „toten Briefkasten“ aufsuchen und auch Ex- und Infiltration trainieren. Zudem wurden auch Luft-Operationen durchgeführt. Dabei mussten die Agenten etwa Landezonen für Fallschirmjäger und Hubschrauber mit Taschenlampen markieren. Ganz besonders wurde dabei darauf geachtet, dass es keinerlei Kontakt zwischen den einzelnen Stay-Behind-Agenten gab, so Kuffer.
Jeder Stay-Behind-Agent habe topografische Karten, Code-Blöcke und Transmissionspläne erhalten. Letztere dienten dazu, festzulegen, wann und wie die Basis im Ausland sie kontaktiere. Funkübungen habe es monatlich gegeben. Zunächst habe man mit Morse-Übertragung gearbeitet. Später sei man auf Harpoon-Funkgeräte umgestiegen, mit denen bis zu 2 000 Zeichen gesendet werden konnten. Den Code hätten die Agenten von Hand dechiffrieren müssen. Zudem hätten sie „Louis d'Or“-Goldmünzen erhalten, für den Fall, dass sie jemanden schmieren müssten.
Stay Behind hätte so einiges an Arbeit mit sich gebracht, so Kuffer. Es habe viel Korrespondenz mit ausländischen Diensten gegeben, weil die AAC-Handbücher stets aktualisiert worden seien. Die „Border Reference Points“, jene Punkte, an denen Schleuser heimlich die Grenze überschritten, mussten ständig überprüft werden, genauso wie die Landeflächen für Fallschirmspringer und Hubschrauber. „Wenn ich mich mit einem Agenten getroffen habe, sind wir halt auch schon mal drei Stunden umhergefahren, um sicherzugehen, dass niemand uns folgt“, erläutert Jean Kuffer.
Handgranaten und Maschinenpistolen
Nach dem Waffenversteck des Luxemburger Stay Behind habe man bei der Auflösung 1990 lange suchen müssen, erinnert sich Kuffer. Der Plan sei reichlich unpräzise gewesen. Drei Kisten mit Handgranaten, Maschinenpistolen und Handfeuerwaffen habe man schließlich ausgegraben. Dann habe man die Kisten mit dem operativen Material bei den Agenten einkassiert und das Netzwerk schließlich bei den ausländischen Partnern abgemeldet.
Damals habe es eine regelrechte Panik im Zusammenhang mit Stay Behind gegeben. Plötzlich sei von Todeslisten die Rede gewesen. „Die Situation war politisch sehr angespannt“, so Kuffer. „Es gab Leute, die befürchteten, ihr Kopf würde wegen Stay Behind rollen müssen.“
Am Dienstag wird die Anhörung von Jean Kuffer fortgesetzt. Dabei sollen die Lauschangriffe durch den Geheimdienst im Vordergrund stehen. Ebenfalls vorgeladen sind die Srel-Agenten Guy Wagner und Pierre Schiltz. Beide waren ebenfalls in die Leitung des Stay-Behind-Ablegers „Plan“ eingebunden. Der belgische Ex-Söldner Lucien Dislaire, der ursprünglich am Dienstag aussagen sollte, wird für einen anderen Termin vorgeladen.
„Verschwörungstheorien!“
Zu Beginn der Sitzung schloss Ermittler Joël Scheuer seine Ausführungen zu Stay Behind ab. Bereits vergangene Woche hatte er veranschaulicht, dass es keinerlei Hinweise auf eine Geheimmission „Action“ des Stay-Behind-Netzwerks in Luxemburg gebe. Gestern sprach Scheuer von „geklauten Dokumenten“, die die Verteidigung der Kriminalkammer vorgelegt habe.
Diese als „top secret“ eingestuften Dokumente seien, wie Vogel selbst eingeräumt habe, von den Srel-Agenten Schneider und Kemmer illegalerweise an die Verteidigung weitergegeben worden. Zudem habe sich gezeigt, dass die Verteidigung, als sie sich über die späte Freigabe der Dokumente durch Patrick Heck geärgert habe, bereits länger im Besitz dieser Schriftstücke gewesen sei.
Außerdem habe auch der damalige Geheimagent Roger Mandé Informationen an Me Vogel weitergegeben, so Scheuer.
„Wird hier der Verteidigung der Prozess gemacht?“, ärgerte sich Vogel daraufhin. „Die Rechte der Verteidigung stehen über einem idiotischen Geheimdienstgesetz!“Die Hypothesen von André Kemmer gingen auf 2005 zurück, als der Zeuge Beffort den Prinzen ins Gespräch gebracht hatte, fuhr Scheuer fort.
Kemmer berufe sich lediglich auf Dokumente über Gladio-Gründer Liccio Gelli, eine BBC-Reportage, in der Lucien Dislaire zu Wort gekommen sei, und die Bücher von Daniele Ganser, so Scheuer.
Kemmers Überlegungen seien Verschwörungstheorien, die aus dem Mund eines Geheimdienstbeamten plausibel und nachvollziehbar klingen würden, aber keinerlei Bestand hätten.
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