Stalker in der Opferrolle
Stalker in der Opferrolle
(str) - Ihre Affäre ging dadurch zu Ende, dass er sich nicht binden wollte und sie entweder eine ernste Beziehung oder gar keine wollte.
Am Dienstag stand er nun allerdings vor Gericht, denn offensichtlich war er es, der dann doch nicht loslassen wollte. Während fast 20 Monaten stellte er seiner Bekannten nach, verfolgte sie und belästigte sie vor allem spätnachts am Telefon – bis zu 17 oder 18 Mal in einer Nacht. Zudem ist der 37-Jährige wegen zweifacher Körperverletzung angeklagt.
Zu Gewaltexzessen kam es zum ersten Mal kurz nach der Trennung. Dass beide an den gleichen Orten ausgingen, führte nämlich dazu, dass sie sich dort auch regelmäßig über den Weg liefen. „Sie hätten sich ja dort ganz einfach aus dem Weg gehen können“, meinte der Vorsitzende Richter in der Sitzung. Doch das war es damals offensichtlich nicht, was der Angeklagte im Sinn hatte.
Gewürgt, geschlagen, bespuckt
So ergab sich bei diesen zufälligen Begegnungen immer wieder, dass der Angeklagte die 35-jährige Frau ansprach, was dann regelmäßig mit Beleidigungen endete. So auch in einer Bar in Hollerich. Wie das Opfer gestern vor Gericht erklärte, wollte sie dem Beschuldigten an diesem Abend nach einer Beleidigung eine Ohrfeige verpassen. Er fing den Schlag ab und packte sie beim Hals und würgte sie, bis Umstehende dazwischen gingen.
Bei einer anderen Gelegenheit schlug er der auf einem Barhocker sitzenden Frau im Vorbeigehen offenbar so fest auf den Hinterkopf, das sie das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Der umfallende Hocker brach ihr einen Zeh. Doch damit hatte der Angeklagte scheinbar noch nicht genug, denn er bespuckte die am Boden liegende Frau noch dazu.
1.146 Mal belästigt
Über mehr als anderthalb Jahre belästigte er sie zudem über Kurzmitteilungen und Telefonanrufe. 1 146 Kontakte konnte die Staatsanwaltschaft nachweisen. Und er hörte weder damit auf, nachdem er von der Polizei vorgeladen wurden, noch als ihm eine deutliche Verwarnung der Staatsanwaltschaft zugestellt wurde.
Bei der Polizei bemühte er sich, wie die Vertreterin der Staatsanwaltschaft am Dienstag erklärte, vor allem darum, sein Vorgehen herunter zu spielen und seinem Opfer die Schuld zu geben.
Aussagekräftig zu seiner Sicht der Dinge erscheint ein Brief, aus dem die Anklägerin in der Verhandlung zitierte: „Deine Verletzungen sind nichts gegen das, was ich durchmachen muss“.
Therapie erst nach Termin beim Untersuchungsrichter
Erst nachdem der Untersuchungsrichter ihm nur unter Auflagen Haftverschonung gewährte, begab er sich in Therapie.
„Zu 100 Prozent“ gestehe er das, was ihm vorgeworfen werde, erklärte der Beschuldigte, der ohne Anwalt erschienen war, am Dienstag in der Verhandlung. Er sehe seine Fehler ein. Er habe diese Trennung einfach falsch angefasst, betonte er.
Allerdings hob der Angeklagte fast im gleichen Atemzug hervor, es sei ihm erst gelungen, sich zurückzuhalten, nachdem das Opfer sich aus der gemeinsamen Welt zurückgezogen habe. Heute würden sie einen freundschaftlichen Umgang pflegen.
Die Vertreterin der Anklage verwies in ihrem Strafantrag sowohl auf die späte Einsicht des Beschuldigten, als auch auf die lange Dauer, während der das Opfer seinen Belästigungen ausgesetzt war. Sie forderte für den 37-Jährigen eine neunmonatige Haftstrafe und eine Geldbuße. Dagegen, dass die Gefängnisstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, werde sie sich aber nicht widersetzen.
Das Urteil ergeht am 8. Februar.
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