Sicherheitskräfte in der Illegalität
Sicherheitskräfte in der Illegalität
„Et war nach ni esou schlëmm wéi elo“, sagt der Präsident des Syndicat national de la police grand-ducale (SNPGL) im Vorfeld der Generalversammlung der Polizeigewerkschaft am Montagabend. Lange war über die Polizeireform gestritten worden, nun ist sie in Kraft und schon hapert es bei der Umsetzung. Knackpunkt ist unter anderem die Arbeitszeitregulierung, die auf Anregung des Staatsrats in das Polizeigesetz integriert wurde. Dazu kommt, dass die entsprechende EU-Direktive aus dem Jahr 2003 schlecht umgesetzt wurde, so Ricquier.
„Luxemburg hat das nationale Gesetz restriktiver ausgelegt als die Direktive. Letztere erlaubt mehr Überstunden auf eine Referenzperiode von vier Monaten. Unser Gesetz sieht keinen Zeitrahmen vor“, erläutert der SNPGL-Präsident. Die Überstunden sind auf acht Stunden pro Woche beschränkt und es sind genaue Arbeitszeiten festgelegt.
Doppelschichten für Polizisten
„Die Polizei muss sich genau wie jeder andere auch an dieses Gesetz halten“, bekräftigt Pascal Ricquier. „Tut sie aber nicht“. Sie verstoße vorsätzlich gegen geltendes Arbeitsrecht. Das gehe so weit, dass Beamte regelrechte Doppelschichten leisten müssten.
Als Beispiel nennt er die Unité de garde et d'appui opérationnel UGAO (vor der Reform Unité de garde et réserve mobile), die auch den Transport von Untersuchungshäftlingen abwickele – und ab dem 1. September 2019 auch jenen der verurteilten Straftäter. Bereits jetzt gebe nicht ausreichend Beamte, um diese Aufgabe zu bewältigen. Deshalb habe die Direktion zunächst Beamte aus Kommissariaten abgezogen, die dann die UGAO-Mannschaften unterstützten. Das habe dann aber die Kommissariate so sehr beeinträchtigt, dass man damit wieder aufgehört habe.
Doch die neue Lösung sei noch schlimmer: „Die Beamten erledigen ihren Schichtdienst und leisten jeden Tag ohne besonderen Anlass Überstunden“, erklärt Pascal Ricquier. „Doch dann werden sie nach Feierabend zum Bereitschaftsdienst eingeteilt.“
Das ergebe für Notfälle durchaus Sinn. Allerdings würden die Beamten dann für gewöhnliche und vorhersehbare Einsätze zurück zum Dienst beordert. „Die Frage ist nicht, wann sie gerufen werden, sondern, ob gleich nach Dienstschluss oder eine Stunde später“, ärgert sich Pascal Ricquier.
17 Stunden am Tag arbeiten
„Da gibt es Leute, die müssen 17 Stunden am Tag arbeiten. Es gibt Beamte, denen zwischen Bereitschaft und erneutem Schichtbeginn nicht einmal sechs Stunden bleiben. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo es schlimmer nicht mehr geht. Und das betrifft nicht nur den UGAO, es gibt ähnliche Situationen bei anderen Dienststellen.“ Dabei sei das Gesetz klar: Überstunden darf es nur im Notfall geben.
„Das Statut der Staatsbeamten sieht vor, dass diese im Prinzip zwischen Montag und Samstag fünf Tage arbeiten“, erklärt Pascal Ricquier. „Nicht am Sonntag und nicht nachts“. Dass dies bei einzelnen Staatsdiensten nicht möglich ist, sei klar – bei Streudiensten, Rettunsdiensten, Armee und der Polizei etwa. Hier sehe das Gesetz eine Ausnahmeregelung per großherzoglichem Reglement vor, die einen Schichtdienst ermögliche.
Bei der Polizei versuche man nun, diesem Règlement grand-ducal aus dem Weg zu gehen. „Davon, dass wir damit ständig in der Illegalität sind, davon will niemand etwas wissen“, kommentiert der SNPGL-Präsident. „Es heißt, dann, der Verwaltungschef, also der Polizeigeneraldirektor, könne entscheiden, wie gearbeitet werde. Doch dem ist nicht so.
Ausnahmen vom Gesetz kann nur ein großherzogliches Reglement festlegen. Sonst öffnen wir Tür und Tor für Missbrauch. Dann setzt sich der Verwaltungschef schlicht und einfach über das Gesetz hinweg und regelt die Arbeitsbedingungen nach Lust und Laune.“
Minister hinters Licht geführt
„Um das Problem zu lösen, ist es kein Riesensprung“, betont Pascal Ricquier. „Wir müssen uns nur an die EU-Direktive anpassen. Dann ist ein klarer, gesetzlicher Rahmen gesetzt und noch dazu einer, der es der Polizei wieder erlaubt, zu funktionieren.“ Doch das wolle man nicht. Auch kein Arrangement unter Sozialpartnern.
Mit einem Brief habe die Polizeidirektion versucht, Ressortminister François Bausch hinters Licht zu führen, indem sie vermittelten, dass man sich mit den Gewerkschaften so gut wie einig sei. Zudem habe man eine permanente Genehmigung für Überstunden beantragt. Auf einer dreiseitigen Liste haben sie aufgeführt, wann ein Notfall denn ein Notfall sei. Doch anstelle von dem, was gesetzlich als Notfall vorgesehen sei, demnach eine Situation, in der Menschen akuter Gefahr ausgesetzt sind, seien normale und vorhersehbare Dienstvorgänge aufgelistet worden.
„Wir wollen uns das nicht weiter gefallen lassen", meint Pascal Ricquier. Wie die Gewerkschaftsbasis reagiert, wird sich am Montagabend bei der Generalversammlung in Walferdingen zeigen.
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